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Fragen, die die aktuelle BILLA-Werbung aufwirft

Der neue BILLA-Spot transportiert eine klare Botschaft: Wer nicht erfolgreich genug ist, aus schlechter Familie kommt oder zu beschissen aussieht, wird niemals dazugehören.
Screenshot via YouTube

Im aktuellen BILLA-Werbespot wird gezeigt, wie eine Semmel mit traurigem Gesichtsausdruck vor den verschlossenen Toren des hauseigenen Backshops steht. Als zwei unsympathische Kornspitze das arme Semmerl fragen, was es hier mache, sagt es: „Die lassen mich nicht rein."

Dann öffnet ein Türsteher in Form eines Mohnflesserls mit Sonnenbrille das Tor zum gelobten Land der knusprig gebackenen Teigwaren und lässt die beiden lässigen Kornspitze rein, während er zur Semmel sagt: „Eine No Name-Semmel? Nein, das geht nicht. Hier kommt man nur frisch vom Meisterbäcker rein." Dann setzt der Hausverstand noch eines drauf und erklärt, dass man schon gefälligst selbst aus bestem Hause sein müsse, um auch ins beste Haus zu kommen. Das Semmerl sieht geknickt ein, dass es nicht cool, gut und frisch genug ist und ihm nur eine Zweitkarriere als Semmelbrösel bleibt. So weit, so gut, so absurd.

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Dass diese Werbung aber gerade jetzt zu emotionalen Reaktionen führen könnte, wo täglich Debatten über Asylsuchende, Zweiklassengesellschaft und Rassismus herrschen und gegen Flüchtlinge und Muslime gehetzt wird, um sie gezielt auszugrenzen, hätte den Zuständigen von BILLA vorher klar sein müssen. Wir hätten da noch ein paar Fragen.

Was hat sich BILLA dabei gedacht?

Natürlich, mit dem Spot soll die Qualität der BILLA-Backwaren betont werden. Das gesellschaftliche und politische Geschehen der letzten Monate haben die Zuständigen jedoch offenbar nicht mitbekommen, wenn man sich ansieht, wie hier mit Ausgrenzung und Eliten-Denken gespielt wird.

„In unser bestes Haus darf man nur rein, wenn man selbst aus bestem Hause kommt, liebes Semmerl"—genau das transportiert die Werbung an das Fernsehpublikum. Dass nicht jeder von den Zusehern diese Werbung witzig finden oder im besten Fall ignorieren kann, zeigen diverse Pinnwandeinträge auf der Facebook-Page von BILLA. Ein Beitrag von vergangenem Mittwoch, der mittlerweile über 8.000 Likes und 300 Shares zählt, wirft die Frage auf, was dieser Spot den Menschen vermitteln soll: „Was soll das den Menschen, vor allem Kindern sagen? Dass sie nicht zu den anderen gehören, weil sie anders sind?"

Die Antworten reichen von „Scheiß dich nicht an" über „Wenn sich ein Kind mit einer Semmel vergleicht, hat es definitiv gröbere Probleme" bis „Danke, endlich spricht es jemand aus". In einem Statement stellt BILLA klar, dass für sie „Vielfalt und interkulturelle Zusammenarbeit immer als eine Bereicherung und als einziger Weg für eine erfolgreiche und nachhaltige Zukunft" gilt. Deshalb liege ihnen jede Art der Ausgrenzung absolut fern. Das ist nicht nur gut zu wissen, sondern natürlich auch das einzig denkbare Statement, das BILLA in dieser Situation veröffentlichen kann. Dass ein Konzern aber auch gesellschaftliche Verantwortung trägt, und sich gut überlegen muss, welche Werte durch den öffentlichen Auftritt vermittelt werden, wurde hier offensichtlich in allen Phasen von Konzeption bis TV-Ausstrahlung vergessen.

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Welcher Mensch ist für diese Werbung verantwortlich?

Haben die Menschen, die für diesen Spot verantwortlich zeichnen, eigentlich „irgendwas mit Medien" zu tun? Dass Werbung implizite Botschaften vermittelt, die auf das eigene Leben übertragen werden und das Denken von Menschen nachhaltig prägen können, sollte nämlich für Werber keine Neuigkeit sein.

Eine weitere Äußerung von BILLA hält nämlich auch fest, dass im Spot gezielt keine Menschen, sondern animiertes Gebäck die Hauptrolle spielt, um in weiterer Folge niemanden zu diskriminieren. Haben diese Menschen die letzten Jahre Popkultur verpasst? Es ist wohl das Prinzip eines jeden Zeichentrickfilmes, anhand sprechender Tiere und Gegenstände den Menschen Botschaften zu vermitteln.

Aus König der Löwen habe ich gelernt, wie wichtig die Familie ist, egal, ob ein Löwe die Hauptrolle spielt. Und genauso lerne ich aus der BILLA-Werbung, dass nur Semmerl (und Personen) feinster Güte in einem guten Hause willkommen sind und andere, minderwertige Persönlichkeiten niemals eine Chance bekommen werden, sich zu beweisen und dazuzugehören. Auch, wenn die Werbung lustig gemeint war, müssen sich BILLA und die Anhänger der „Haben wir denn keine größeren Probleme?"-Fraktion auf Facebook damit abfinden, dass der Spot nun mal suggeriert, manche Menschen wären mehr wert als andere.

Ist der Spot diskriminierend?

Schlicht und einfach: JA.

Wurde die Werbung zu Ende gedacht?

Ebenfalls ganz klar: Nein. Das traurige Semmerl ist mir so sympathisch—viel sympathischer als die Weckerl, die letzten Endes vom Türsteher in die elitäre Backstube gelassen werden. Mir war nicht einmal klar, dass man Mitleid für eine Semmel empfinden kann, aber das gebrochene, abgewiesene Gebäck tut mir einfach nur leid, während die qualitativ hochwertigen Backwaren aussehen, als wären sie riesige, überhebliche Arschlöcher.

Screenshot via YouTube

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Am Ende des Spots habe ich also eher Mitleid mit der armen Semmel, die es nicht ins BILLA-Sortiment schafft, und möchte ihr eher etwas Gutes tun, indem ich es vor seiner Zweitkarriere als Semmelbrösel rette, als dass ich in den nächsten BILLA laufen würde, um mir einen dieser elitären und eingebildeten Kornspitze zu holen. BILLA lässt seine eigenen Produkte mit dieser Werbung also absichtlich unsympathisch und unnötig elitär wirken—allein durch die Art der gezeichneten Gesichter. Auch hier möchte ich den Zuständigen nahe legen, sich in einem einzigen Zeichentrickfilm die Gesichtszüge der Guten und im Vergleich die grimmigen Gesichter der Bösewichte anzusehen. Ihr werdet staunen und eure prätentiösen Kornspitze bald selbst hassen.

Wo bleibt der Hausverstand?

Am Ende des Spots tritt der Hausverstand—für mich persönlich die Verkörperung des besserwisserischen, Rollkragen-tragenden Akademiker-Vaters—auf und sagt lässig: „Tja, wer ins beste Haus will, muss aus bestem Hause kommen." Mich würde es nicht wundern, wenn er noch ein „Bleibt gefälligst dort, wo ihr her kommt, ihr minderwertigen Semmeln." anhängen würde.

Darüber, was dieser Spot in manchen Menschen auslöst, scheint sich BILLA im Vorhinein keine Gedanken gemacht zu haben. Für mich transportiert dieser Spot eine Botschaft, die klarer nicht sein könnte: Wer nicht cool, erfolgreich oder klug genug ist, aus schlechter Familie kommt oder zu beschissen aussieht, kommt nicht rein.

Wo genau dieser jemand nicht rein kommt, lässt sich genauso wie die abstrakte Geschichte und der abstrakte Zeichenstil des Spots perfekt auf sämtliche Lebenssituationen ummünzen—sei es der Club, eine Clique, ein angesehener Job oder eben Österreich, in das man aufgrund von „Unterlegenheit", die einem durch andere Menschen zugeschrieben wird, nicht rein kommt.

Der BILLA-Spot spielt—ob bewusst oder unbeabsichtigt—mit einem Thema, das emotional aufwühlt und kommt zu einem Zeitpunkt daher, an dem es definitiv nicht unangebrachter sein könnte, mit elitärem Denken und Ausgrenzung zu polarisieren. Vielleicht sollte BILLA in Zukunft nicht nur seinen Kunden suggerieren, auf den Hausverstand zu hören, sondern es erst einmal selbst tun—oder vielleicht sogar noch einen Schritt weiter gehen und mit einer gewissen Empathie an sensible Themen herangehen.

Verena auf Twitter: @verenabgnr