Foto: Flickr | Jason Scragz | CC BY 2.0
Jeder, der im Netz nach guten Black Metal-Bands sucht, kennt das Problem: Du startest bei Altar of Plagues und landest schließlich bei Darkthrones Transylvanian Hunger, das du dir eh schon lange mal anhören wolltest. Dein Kumpel hatte ja vermutlich nicht ohne Grund jedes Mal ein debiles Grinsen im Gesicht, wenn er wieder eine seiner Lobeshymnen auf dieses Album angestimmt hat. Die Musik ist tatsächlich auch genau das, was du gesucht hast: Abgefuckt produziertes Geschrammel, treibende Drums und dreckige Vocals, die in Kombination einen authentischen Sog aus Hass erzeugen, dem du dich einfach nicht entziehen kannst. Du bist so geflasht, dass du im Netz ein wenig nach Hintergrundinfos suchst. Was du findest, gefällt dir nicht: Varg Vikernes, seines Zeichens homophober Rassist und Mörder hat zu den letzten vier Tracks die Lyrics geschrieben. Zudem prangte auf der Rückseite der ersten Pressungen der Spruch „Norwegisch-arischer Black Metal“. Schlagzeuger Fenriz reagierte damals auf die nachvollziehbaren Rassismus-Vorwürfe damit, dass das Album über aller Kritik stehe. Diejenigen, die es trotzdem angreifen würden, verhielten sich „offensichtlich jüdisch“. Auf einmal klingt Darkthrone gar nicht mehr so gut in deinen Ohren. Wie zu viele Black Metal Bands auch, die irgendwann einmal mit der rechten Ideologie angebandelt haben.
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Zugegeben, über die Nazi-Vorwürfe gegen das Norweger-Duo wird schon seit 20 Jahren berichtet. Anlässlich des Jubiläums von Transylvanian Hunger hatten auch wir uns wieder damit beschäftigt und die unfassbar dummen Aussagen in den entsprechenden Kontext gerückt. Damals gehörte es eben scheinbar zum guten Ton des norwegischen Black Metal, ein widerlicher Rassist zu sein, wie auch Mayhems Drummer Hellhammer knackig auf den Punkt bringt: „I’ll put it this way, we don’t like black people here. Black Metal is for white people.“. Gaahl, der ehemalige Sänger von Gorgoroth beantwortete 1995 die Frage des Interviewers, welches historische Event ihn denn besonders anspricht, mit: „Es gab da diesen Burschen namens Hitler, der eine Ära der Größe und Macht hatte. Schade, dass es so schnell vorbei war.“ Inzwischen ist das alles verdammt lange her und die Typen haben sich hunderte Male von ihren Aussagen distanziert. Lag eben an den falsche Freunden, dem schlechten Umfeld und jugendlichem Leichtsinn. Trotzdem sind diese Geschichten wie Boy London-Shirts-tragende Modeblogger: Sie widern dich an.
Ein aktueller Fall zeigt aber, dass die braunen Schatten nicht im Zwielicht der Vergangenheit verschwunden sind. Die alteingesessene Band Inquisition aus Seattle durfte Anfang des Jahres nicht in Wien spielen, da sie ihre ersten Platten über das NS-Metal-Label No Colours Records rausbrachten. Da die Band immerhin schon seit 1989 besteht und das alles schon ewig her ist, könnte auch dies als Jugendsünde abgetan werden. Leider hat ein gewisser Antichrist Kramer 2010 das Artwork des Reissues ihres Debütalbums gemacht. Kramer ist neben seiner künstlerischen Berufung auch stolzer Gründer des Metal-Labels SSP. Die Abkürzung steht für „Satanic Skinhead Propaganda“, zu welcher auch Releases von Bands mit den illustren Namen Sturmführer oder Feldgrau und dem Sampler Declaration of Anti-Semetic Terror (auf welchem sich mehr oder weniger offensichtliche NSBM-Bands tummeln) gehören. Ob Inquisition wussten, was für Bands Kramer unterstützt? Google sollten sie schon kennen und zu benutzen wissen.
Sänger Dagon weist alle Vorwürfe zurück, er sei schon lange mit Kramer befreundet und dieser sei kein Verfechter der Überlegenheit der weißen Rasse. Schlussendlich gibt es noch die Anekdote vom Roadie Daniel Gallant, der die Band 2008 auf ihrer Kanada-Tour gefahren hatte. Er war selbst lange in der rechten Szene aktiv und hatte sich damals ein riesiges Hakenkreuz auf den Oberkörper tätowiert (und es wohl nicht für besonders wichtig befunden, es wieder zu entfernen oder zu überstechen). Mit dem Wissen um die Nazi-Gerüchte zeigte er der Band das Tattoo. Sie reagierten seiner Geschichte nach begeistert und hielten sich mit ihrer Verehrung für Hitler nicht zurück. Dagon erzählt die Geschichte ein wenig anders. Sie seien eher überrascht und irritiert gewesen, keinesfalls begeistert. Er kenne zwar Leute in der NS-Szene (zum Beispiel Kramer!), ihm sei aber egal, welche politische Ideologie Fans seiner Band verfolgen. Wie sehr sich nun Inquistion wirklich für die rechte Seite erwärmen können, ist ungeklärt. Trotzdem haben bereits die Vorwürfe und die folgenden Diskussionen einen irreparablen Effekt: Auf einmal klingt auch Inquisition nicht mehr so gut in deinen Ohren. Egal, wie sehr die Band die Vorwürfe zurückweist.
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Doch eine Person steht immer noch aufrecht wie ein Donnergott zu seinen Ansichten: Varg Vikernes aka Burzum, der seit über zwanzig Jahren unermüdlich Alben aufnimmt. Das neueste „Werk“ wurde erst im Juni veröffentlicht. Natürlich wirst du auf der Platte keine rassistischen Texte finden. Burzum singt lieber über Tolkiens Der Herr der Ringe und germanische Sagen, als über den von ihm diskutierten Überlebenskampf der weißen Rasse. Vikernes zeigt sich als Privatperson von der völkischen Seite. Er veröffentlicht munter Bücher, in denen er von der Reinheit der nordischen Rasse schwafelt und die Rückkehr des „weißen Europas“ zu alten Werten fordert. Zusammen mit diesem Typen eine Bar zu besuchen, um betrunken gemeinsam einen Selfie mit #myniggavikernes zu schießen, willst du nicht.
Ja, Vikernes ist ein rassistischer Spinner, da wird niemand widersprechen, der nicht trotzig „Gefällt mir“ auf den Facebookseiten der NPD und AfD klicken würde. Seltsamerweise haben aber trotzdem viele Menschen kein Problem damit, seine Musik zu hören. Die kalifornische Sängerin Chelsea Wolfe veröffentlichte 2011 eine Coverversion von Burzums „Black Spell of Destruction“, die auf YouTube über 50.000 Mal geklickt wurde. Sie könne eben Burzums Werk von dem trennen, „wofür auch immer er stehen mag“. Ganz ohne diesen einfältig-selbstkritischen Einwand twitterte das kanadische Multitalent Grimes, dass sie Burzum „liiiiiieben“ würde. Auf Answers-Yahoo wurde die Frage, ob es cool ist, Burzum zu mögen, obwohl du Muslim bist und dich die Ansichten Vikernes anwidern, gestellt. Die Antworten reichen von „You should take the music for what it is & leave politics out of it“ bis „if i were you I would stop listening to him“. Immerhin scheinen manche die strikte Trennung von Musik und Politik zu hinterfragen.
Aber ist Musik wirklich jemals unpolitisch? Du musst deine Band nicht als Sprachrohr deiner „Friss Scheiße, CDU“-Botschaften missbrauchen, aber eine gewisse Haltung haben Texte als Reflexion der Gedanken doch immer. Das muss jedem klar sein, der Musik von ideologisch zweifelhaften Künstlern hört. Genau deswegen wäre ich weniger angepisst, wenn eine mir bekannte Person ein Böhse Onkelz-Video in in die Timeline posten würde, als ein Burzum-Video. Die umstrittenen Deutschrocker mit Opferrollensyndrom versuchen ja immerhin, sich offiziell von ihren rassistischen Fans zu distanzieren. Du kannst dir zu Darkthrone, Mayhem, Gorgoroth und vielleicht sogar Inquisition durch mehr oder weniger überzeugende Argumente einreden, dass die das schon nicht so gemeint haben.
Bei Burzum weißt du, was für ein krankes Hirn die Musik komponiert und wessen Kunst du mit deinem Shirt ehrst. Da muss nichts mehr fehlinterpretiert oder schöngeredet werden, das ist schon seit fast 20 Jahren klar. Black Metal darf durch seine provozierende, nihilistische Grundidee fast alles. Trotzdem bleibt Burzum scheiße. Hör endlich auf, die Musik dieses verstrahlten Mörders zu feiern.
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