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Japaner können von Zungen gar nicht genug kriegen

Japans Feinschmecker können von Zungen gar nicht genug kriegen. Nur wo sollen die vielen Zungen her?
Photo via Flickr user Sebastien Cevey

In vielen Teilen dieser Erde kann man Zunge auf der Speisekarte finden. Die mexikanische Küche, zum Beispiel, ist sich keinesfalls zu schade für Gerichte mit lengua. Man schätzt ihren saftig-deftigen Fleischgeschmack, der ausgezeichnet zu scharfen Salsas und Tortillas passt. Auch hierzulande gibt es einige Zungen-Liebhaber. Und es werden immer mehr, berichtet uns Ursula Heinzelmann, Expertin für deutsches Essen und Autorin des vor Kurzem erschienenen Buches Beyond Bratwurst: A History of Food in Germany. Doch am meisten auf (Rinder-)Zunge steht man wohl in Japan, wo es ganze Restaurants gibt, die sich auf dieses Organ spezialisiert haben. Dort wird Gyūtan in schier unendlich vielen Varianten angeboten: als Eintopf, gebraten, geräuchert, gegrillt oder als Sauce für Tofugerichte, um nur ein paar zu nennen.

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Wohingegen ein Pfund Zunge in der Heimat gerade einmal 50 Cent einbringt, geht sie in Japan für bis zu 8 Dollar über den Ladentisch.

In Amerika hält man nicht so viel von dem länglichen Fleischklotz, der für viele Verbraucher wie ein Phallussymbol aussieht und bis zu drei Pfund auf die Waage bringen kann. Was ein bisschen überrascht, schließlich haben die USA den zweitgrößten Pro-Kopf-Verbrauch von Rindfleisch der Welt (nur in Luxemburg verdrückt man noch mehr Rindfleisch). Wenn du also nicht gerade in einem Spezial-Supermarkt unterwegs bist, musst du in den USA leider auf ein kulinarisches Zungen-Erlebnis verzichten.

Doch die Tatsache, dass die Amis noch nicht auf die Zunge gekommen sind, sind gute Nachrichten für Japan, das immer größere Mengen an Innereien aus den USA einführt. McClatchyDC, eine Nachrichtenagentur mit Sitz in Washington, berichtet, dass der Inselstaat—der früher skeptisch gegenüber ausländischem Rindfleisch war (so hat Japan immer mal wieder den Import von US-Rindfleisch untersagt)—in letzter Zeit gar nicht genug von amerikanischer Rinderzunge kriegen kann.

Das liegt vor allem an der Entscheidung der japanischen Regierung im letzten Jahr, die Einfuhrbeschränkungen weiter zu lockern. Innerhalb kürzester Zeit schossen die US-Exporte von Rinderzunge um 150 Prozent in die Höhe. Der US Meat Export Federation zufolge geht man davon aus, dass diese Zahl in den kommenden Jahren noch weiter steigen wird. Das Gros der Zungen geht übrigens nach Sendai im Nordosten Japans. Obwohl da nur knapp eine Million Menschen leben, gibt es über 100 (!) Restaurants, die auf Gyūtan spezialisiert sind.

Für die amerikanische Rindfleischindustrie kommt die Entscheidung aus Japan natürlich sehr gelegen. Schließlich haben sie schon seit Ende der Weltwirtschaftskrise von 1929 große Schwierigkeiten, Zunge sowie andere Innereien dem amerikanischen Verbraucher schmackhaft zu machen. Auch Pete Bonds, Präsident einer großen US-Rinderzuchtvereinigung, hat natürlich nichts gegen den japanischen Heißhunger auf Zungen einzuwenden: „Der amerikanische Verbraucher will es nicht kaufen, warum also nicht nach Japan exportieren, wo sie förmlich verrückt danach sind."

Ein gewinnbringendes Geschäft für die amerikanische Rindfleischindustrie. Denn wohingegen ein Pfund Zunge in der Heimat gerade einmal 50 Cent einbringt, geht sie in Japan für bis zu 8 Dollar über den Ladentisch.

Bis zu 16-fach höhere Umsatzmöglichkeiten? Solche Zahlen lässt man sich natürlich gerne auf der Zunge gehen!

Oberes Foto: Sébastien Cevey | Flickr | CC BY 2.0