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Kranker Scheiß aus dem Leben eines Rettungsdienstmitarbeiters

Unverwundbare Betrunkene, abgetrennte Wadenmuskeln und Menschen, die nicht bemerken, wenn die Feuerwehr mit Brecheisen und hydraulischer Schere vorbeikommt.
Illustrationen von Florian Appelt

Sechs Jahre fahre ich nun schon mindestens 144 Stunden im Jahr freiwillig im Österreichischen Rettungswesen. Sechs Jahre voller lustiger, spannender und auch trauriger Erfahrungen, die mich vor allem persönlich weiter gebracht haben, als alle Schuljahre davor. Das hier ist eine kurze Zusammenfassung der absurdesten und komischsten Einsätze.

Viele Geschichten sind aufgrund der Situationskomik nicht unbedingt einfach nachzuerzählen, aber das ist der Grund, warum ich jedem nur empfehlen kann, sich freiwillig bei einem österreichischen Rettungsunternehmen zu engagieren.

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Betrunkene sind unverwundbar

Illustrationen von Florian Appelt

Ich hatte damals nicht mehr als 1,5 Stunden Schlaf hinter mir und wollte nur so schnell wie möglich ins Bett. Aber aus Liebe zum Menschen fuhr ich mit meinem Beifahrer und einem Praktikanten, wie schon so oft, zu einer Person, die eher eine helfende Hand ins Bett, als einen Transport ins Krankenhaus nötig gehabt hätte. Da wir solche Personen aus rechtlichen Gründen nicht nach Hause, sondern ins Krankenhaus transportieren müssen, blieb mir nichts anderes übrig, als den Tragsessel zu holen.

Wie jeder weiß, der schon einmal Betrunkene betreut hat, sind sie meistens schmutzig. Und mit schmutzig meine ich lokalbodenschmutzig. Damit unsere Tragsessel das nicht alles abbekommen, lege ich meist ein Leintuch unter.

Als der Patient im Sessel saß, hatte er anscheinend das Gefühl, uns doch nicht mehr zu benötigen. Ich habe in meinem Leben noch nie jemanden so schnell laufen gesehen. Leider hat sich das um ihn gewickelte Leintuch nicht so ganz als Sportkleidung geeignet. Die Folge war ein typisches „Wasted"-GIF: eine Bruchlandung mit dem Gesicht voran und den Händen wie ein Skispringer hinter dem Rücken.

Nach anfänglicher Verwirrung, war mein erster Gedanke, dass der Typ tot sein müsse—oder zumindest eine ganze neue Zahnreihe benötigen würde. Zu unser aller Glück hatte er nicht mal einen Kratzer. Manche Menschen sind betrunken unverwundbar.

Unerwartet von uns gegangen

Auch ältere Menschen leben in WGs. Nur ist bei diesen Wohngemeinschaften öfter die Rettung im Haus als die Polizei. Die Bewohner waren uns im Zivildienst alle bestens bekannt, da wir bis zu diesem Zeitpunkt jede dieser Damen mehrfach ins Krankenhaus und retour befördert hatten.

Als wir dann eines Tages für eine Routinefahrt bei der Wohnung klingeln wollten, fiel uns ein Aushang auf der Türe auf: „… ist im 103. Lebensjahr unerwartet von uns gegangen". In unserem Fall war das wirklich sehr unerwartet, da wir die Patientin eigentlich transportieren sollten.

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Eine abgetrennte Wadenmuskulatur

Freitagnachmittag ist der Zeitpunkt, an dem man sich schön langsam auf das Wochenende vorbereiten sollte. Das dachte sich wohl auch unsere Patientin, als sie versuchte, ihre Wochenenddosis Drogen zu besorgen. Auf diese Transaktion folgte eine mehr oder weniger schmerzhafte Erfahrung.

Als wir bei der Eisdiele eintrafen, rechneten mein Kollege und ich mit allem—aber nicht mit einer Patientin, die rauchend und völlig ruhig auf einer Banklehne saß und mit dem Besitzer der Eisdiele Scherze machte. An ihrer linken Wade klaffte eine 7 Zentimeter lange und 3 Zentimeter breite Fleischwunde.

Ich sprach mit der Patientin, während sich mein Kollege um die Wunde kümmerte. Sie erzählte mir, dass sie vor ihrem Dealer geflüchtet sei, weil der sie mit einem Messer bedroht hatte. Von einer Wunde wusste sie aber nichts. Im Krankenhaus wurde dann festgestellt, dass dieser Schnitt durch einen Großteil der Wadenmuskulatur verlief. Mir ist bis heute nicht klar, wie man mit so einer Verletzung laufen kann, ohne sie auch nur zu bemerken.

3 Tage nicht wach

Normalerweise sind Wohnungsöffnungen ein Kinderspiel. Wenn man einmal einem Profi bei der Arbeit zugesehen hat, weiß man, dass die eigene Wohnungstüre in wenigen Minuten offen ist—egal was kommt.

Bei diesem Einsatz war das anders. Trotz vielfacher Versuche mit allen möglichen Werkzeugen war es dem Schlüsseldienst nicht möglich, die Wohnungstür zu öffnen, sodass der Einsatz nun Sache der Feuerwehr wurde. Wenn die Feuerwehr mit Axt, Brecheisen und hydraulischer Schere kommt, um eine Wohnungstür zu öffnen, dann ist das in der Regel laut. Sehr laut.

Als die Türe endlich offen war und wir uns umsahen, entdeckten meine Kollegin und ich einen jungen Mann tief schlafend auf seiner Couch. Er behauptete, 3 Tage lang geschlafen und nichts von der Außenwelt mitbekommen zu haben. Ich bezweifle bis heute ein wenig, dass dieser Mann die Türöffnung nicht mitbekommen hat.