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So nervig ist es, den ganzen Tag Corona-Abstriche zu machen

"Ein Patient meinte mal, es habe sich wie eine Vergewaltigung angefühlt." – Laborassistentin Eloise
Justine  Reix
Paris, FR
Ein Mann bekommt ein Wattestäbchen in den Mund geschoben, aufgrund steigender Fallzahlen und der Erkältungssaison sind Testlabore für Corona überlastet.
Fotos: Getty Images / bluecinema | Getty Images / Radoslav Zilinsky || Collage: VICE

Die Labore sind überlastet, das Personal überarbeitet. Damit diesen Herbst nicht jeder mit einem einfachen Schnupfen zum Coronatest rennt, hat das Robert-Koch-Institut am 3. November die Testkriterien wieder verschärft. Nur noch Menschen mit akuten Symptomen oder nachgewiesenem Kontakt zu Infizierten sollen sich das lange Wattestäbchen in Nase und Rachen schieben lassen.

Und dafür ist unter anderem Eloise* zuständig. Sie arbeitet in einem Labor in Straßburg – seit dem Ausbruch der Pandemie sechs Tage die Woche. Ihre Region gehört inzwischen zu einer der am stärksten von Corona betroffenen in ganz Frankreich.

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VICE-Video: Zu Besuch im Labor, das uns vor tödlichen Schlangenbissen schützen will


VICE: Wie viele Tests macht ihr am Tag?
Eloise: Zum Glück arbeite ich in einem Labor, in dem wir PCR-Tests, also Abstriche in der Nase, nur vormittags durchführen. Wir testen täglich von 7 Uhr morgens bis 13 Uhr, außer sonntags. Ich zähle nicht wirklich mit, aber ich schätze, dass ich alle fünf Minuten einen Test mache – und wir sind zu dritt. Es sind also eine ganze Menge. 

Wie ist es, den Leuten die ganze Zeit in die Nase zu schauen?
Sagen wir es so: Das ist relativ neu in meinem Feld. Früher habe ich größtenteils Blut abgenommen. Das vermisse ich sogar ein bisschen. Nasenabstriche sind natürlich etwas intimer, als jemandem eine Nadel in den Arm zu piksen. Manchmal bleibt etwas Schnodder am Stäbchen hängen. Ich bin Profi, mich stört das nicht. Den Getesteten ist das aber immer sehr unangenehm. Zu unserem Job gehört auch, die Patienten zu beruhigen. Sie haben sowieso schon Angst, dass es wehtun könnte, wenn dann noch der Schnodder kommt, ist das Drama groß. 

Tut der Test denn weh?
Nein, und ich verstehe auch nicht, warum Leute das immer wieder behaupten. Natürlich besteht immer das Risiko, dass ihn jemand schlecht durchführt. Dann kann es auch mal wehtun. Aber das kommt selten vor. Es ist nicht besonders schwer, einen PCR-Test korrekt durchzuführen.

Warum machen die Leute dann so ein Theater?
Entweder hatten sie Pech oder sie sind einfach etwas dramatisch veranlagt. Natürlich macht der Test keinen Spaß. Es ist ein Nasopharyngeal-Abstrich, er geht also bis zur Rachenwand. Wir sind es nicht gewohnt, dort berührt zu werden. Manchen Menschen tränen die Augen, das ist normal. Es kann sich vielleicht auch 20 Minuten danach noch etwas unangenehm anfühlen. Ein Patient meinte allerdings mal zu mir, es habe sich wie eine Vergewaltigung angefühlt. Ich habe meinen Ohren kaum getraut. Das war schon ein ziemlicher Fremdscham-Moment.

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Gibt es Menschen, die du immer wieder siehst?
Ja, wir haben ein paar Stammgäste, einige kenne ich schon mit Vornamen. Wir haben mindestens zehn Leute, die einmal die Woche zu uns kommen. Wir versuchen sie davon abzubringen. Es ist einfach sinnlos, sich so oft testen zu lassen. Das verstopft nur das System. Ein paar Patienten habe ich auch schon wieder weggeschickt, weil sie sich erst ein paar Tage davor hatten testen lassen und ihre Ergebnisse noch gar nicht hatten. Manche lassen sich sogar in mehreren Laboren testen, weil sie nicht einem einzigen Test nicht vertrauten. 

Warum lassen sich die Leute unnötig testen?
Einen Grund haben sie immer, nur manchmal ist er nicht gut genug. Wenn bei uns gerade nicht viel los ist, nehmen wir auch Menschen ohne Überweisung vom Arzt – in Frankreich haben Menschen mit Überweisung Vorrang. Wir fragen sie immer, warum sie sich testen lassen wollen: Die meisten antworten dann "nur zur Sicherheit". Das verlängert aber nur die Wartezeit für Menschen, die ihr Ergebnis wirklich brauchen. Ich weiß, dass es hart ist, wenn du Angst hast, jemand Nahestehendes anzustecken, aber wenn du keine Symptome hast, sei vernünftig und komm nicht zu uns. Isoliere dich im Zweifelsfall halt ein paar Tage. 

Hast du Angst dich anzustecken?
Nein, nicht wirklich. Ich hatte schon Corona, wahrscheinlich durch die Arbeit. Auch wenn ich mich wieder anstecken kann – es gibt immer mehr solche Fälle –, sind die Chancen dafür gering. In erster Linie bin ich genervt. Fast täglich habe ich es mit Leuten zu tun, die sich beim Testen nicht an die Regeln halten. Manche Leute ziehen ihre Masken komplett aus, obwohl sie nur die Nase frei machen sollen, oder husten direkt neben mir. Man könnte meinen, die machen das absichtlich. Wir gehen ein Risiko ein, um ihnen zu helfen und die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Da könnten die sich wenigstens an die Regeln einhalten. 

Wer war bis jetzt dein schlimmster Patient oder Patientin?
Wahrscheinlich der Typ, der mich direkt nach seinem Abstrich nach meiner Nummer gefragt und mich zum Dinner eingeladen hat. Der fand das wohl süß. Er war beim Test, weil er Kontakt mit einem Infizierten gehabt hatte – das war wahrscheinlich die dümmste Anmache aller Zeiten. Selbst 2020 kann man etwas Besseres erwarten. 

Was macht deine Arbeit besonders anstrengend?
Wahrscheinlich die Wiederholung. Normalerweise hast du genug Zeit, um mit den Patienten zu reden und sie zu fragen, warum sie da sind – insbesondere bei Blutuntersuchungen. Inzwischen haben wir uns daran gewöhnt, besonders schnell zu arbeiten. Bei den PCR-Tests müssen wir immer wieder das gleiche Protokoll wiederholen und die Patienten jedes Mal nach ihren Symptomen fragen. Am Ende des Tages fühle ich mich wie ein Roboter.

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