Während manche Politikerinnen noch Kiffern und Kifferinnen den Kampf ansagen, haben andere längst verstanden, dass eine repressive Drogenpolitik nichts bringt. Verbot hin oder her, illegale Drogen werden in den verschiedensten Gesellschaftsgruppen konsumiert, allen voran Kokain. Das weiß nicht nur Christoph Daum, sondern auch der Chef der Drogenfahndung im Landeskriminalamt Berlin, Olaf Schremm. "Es gibt Anzeichen für eine Kokainepidemie", sagt er am Freitag im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Laut Schremm müsse ein neuer Umgang mit Kleinstmengen von Kokain gefunden werden.
Bedeutet das jetzt: Koks für alle, auf Befehl der Polizei? Nein. Aber laut Paragraf 31a des Betäubungsmittelgesetzes kann beim Eigenverbrauch von einer Strafverfolgung abgesehen werden. In Berlin kann man zum Beispiel bis zu 15 Gramm Gras bei sich tragen, der Besitz von Koks wird aber immer strafrechtlich verfolgt, auch wenn es nur eine Line ist. In Hamburg, Bremen, Hessen und Niedersachsen ist das anders. Hier wird das Verfahren auch beim Besitz von bis zu einem Gramm härterer Drogen wie Kokain und Heroin eingestellt. In Schleswig-Holstein liegt diese Menge sogar bei drei Gramm. Dadurch werden Polizei und Justiz entlastet. Denn ein Großteil der Drogendelikte, die aufgenommen werden, sind Konsumentendelikte.Deshalb kann man doch eigentlich auch gleich darüber nachdenken, ob der Besitz von kleinen Mengen Kokain legalisiert werden sollte. Wenn das sogar schon das LKA fordert, ist das nicht die einzig vernünftige Lösung? Ich denke: ja. Ich bin für einen toleranteren Umgang mit Kokainkonsum für den Eigenbedarf. Meiner Meinung nach müsste man über Kokainkonsum so reden können wie über den Konsum von Alkohol und Gras. Kokain wird verteufelt, weil es illegal ist. Oft wird nicht zwischen Gelegenheitskonsumierenden und Abhängigen unterschieden. In der öffentlichen Debatte geht es nur um die Substanz an sich, die problematisch ist – bei Ärzten, bei der Polizei, in der Gesellschaft. Mengenmäßig wird nicht differenziert. Menschen sehen weißes Zeug und denken an Junkies, die ihr Leben nicht im Griff haben, die nicht mehr gesellschaftsfähig sind, oder an Neureiche und B-Promis, die sich das Zeug auf Jachten durch die Nase ziehen. Nicht zuletzt sind dafür auch Serien wie Narcos und Spielfilme wie Blow verantwortlich.
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Die Menge macht's
Was macht Koks mit dir und deinem Leben?
Für die Produktion eines TV-Formats für RTL II zum Thema Kokain wollen wir deine Stimme hören. Ruf einfach unseren Anrufbeantworter an und erzähl, welche Erfahrungen du mit Kokain hast und was es mit dir macht. Bitte lies dir vorher unsere Hinweise dazu durch, wie und in welchem Umfang deine Nachricht von VICE und RTL II im Rahmen der Produktion genutzt werden kann. Wenn du uns eine Nachricht hinterlässt, erklärst du dich damit einverstanden, dass VICE und RTL II die Aufzeichnung deiner Nachricht in der dort beschriebenen Form nutzen dürfen. Diese Hinweise zur Nutzung deiner Nachricht und die Telefonnummer findest du hier! (PDF)
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Gut, man könnte nun auch sagen: Dann hätten sie es halt lassen sollen. Das stimmt. Allerdings kann man das auch zu Vätern sagen, die jeden Abend ein Bier öffnen, oder zu Schwestern, die Kette rauchen, oder zu Tanten, die gerne mal kiffen, um abends runterzukommen. Drogen zu nehmen, ist eben eine persönliche Entscheidung. Sich einem gesundheitlichen Risiko auszusetzen, ist nicht gut für den Körper, aber eben eine private Sache, die ein Erwachsener für sich selbst bestimmen muss.
Ich kenne Anwälte, Lehrerinnen, Ärzte, Psychologinnen, Zollbeamte und sogar Polizisten, die ziehen
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Drogen sind verboten, aber die Menschen nehmen sie trotzdem. Kokain ist überall zugänglich, für alle. Wer es konsumieren möchte, findet es.Mit viel Geld und Ressourcen werden repressive Maßnahmen ausgeführt, die oftmals mehr schaden als nutzen. Es existieren illegale und unkontrollierte Märkte, die weltweit viel Leid verursachen. Im Global Drug Survey 2019, der größten länderübergreifende Drogenkonsumenten-Erhebung, gaben mehr als 70 Prozent der Teilnehmenden an, sie würden einen Fairtrade-Kokainmarkt befürworten. 85 Prozent davon würden für Fairtrade-Ware auch einen höheren Preis zahlen.Den illegalen Markt zu kontrollieren, ist so gut wie unmöglich. Wird in Berlin ein Kokstaxi hochgenommen, fahren am anderen Ende der Stadt schon wieder fünf neue los. Und auch wenn der deutsche Zoll kiloweise Kokain an Seehäfen und Grenzübergängen beschlagnahmt, habe das keine negativen Folgen für den deutschen Kokainmarkt, wie der Leiter der Zollfahndung Hamburg, René Matschke, gegenüber dem NDR sagte. Auch nach Rekordsicherstellungen blieben die Preise von Kokain stabil. Zu klein sei der Anteil der beschlagnahmten Ware. Der Nachschub aus den Herstellerländern in Zentral- und Südamerika sei unerschöpflich.Den Kokainhandel zu bekämpfen, ist ebenso utopisch, wie den Konsum für alle zu verbieten. Deshalb die große Frage: Wie kann man den Konsum steuern, sodass es der Gesellschaft am wenigsten schadet? Eine Möglichkeit sind Drug-Checking-Programme, bei denen Konsumierende ihre Drogen auf ihre Zusammensetzung testen lassen können. So wären Konsumierende einem geringeren gesundheitlichen Risiko aufgrund von verunreinigtem Stoff ausgesetzt. Zusätzlich könnte im Rahmen dessen Aufklärung betrieben werden. Solche Präventivmaßnahmen würden letztlich zum Wohle der ganzen Gesellschaft beitragen. Auch im Europäischen Drogenreport 2019 fordern die Forscher und Forscherinnen mehr Investitionen in die Entwicklung von entsprechenden Maßnahmen.Zwar hinkt Deutschland im europäischen Vergleich in Sachen Prävention noch deutlich hinterher, doch ist durch Aussagen wie der von Schremm und anderen Politikern und Politikerinnen ein Umdenken im Umgang mit dem Thema Drogenkonsum zu spüren. Gerade bestätigte die Sprecherin der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit, dass auch für 2020/2021 Mittel für Drug-Checking Projekte gesichert worden sind. Neben Berlin könnte es auch in Bremen, Hessen und Nordrhein-Westfalen bald entsprechende Pilotprojekte geben.Folge Marleen auf Twitter und VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.