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Pizza

Die Geschichte um die Pizza ist eine einzige Lüge

Pizza-Puristen haben lange geglaubt, ihr Lieblingsgericht habe ihre Ursprünge in Neapel. Neue Forschungsergebnisse zeigen aber, dass die Wurzeln woanders liegen.
Hilary Pollack
Los Angeles, US

Du hältst dich vielleicht für einen Pizzapuristen. Du meidest die Zustelldienste und bestehst auf eine authentische neapolitanische Kreation mit einem simplen Teig, Büffelmozzarella, San Marzano-Tomaten und ein paar Basilikumblättern darauf. Du schätzt jede einzelne Zutat und verfolgst ihre Wurzeln mit der Sorgfalt eines Meister-Couturiers.

Der Fanatismus um die Heiligkeit der neapolitanischen Pizza hat derartige Dimensionen erreicht, dass Köche zehntausende Euro für Spezialpizzaöfen und die Zertifizierung als Vera Pizza Napoletana ausgeben. 2008 forderten zwei neapolitanische Essensorganisationen—darunter die Associazione Verace Pizza Napoletana—dass die EU formelle Standards für die Bezeichnung „neapolitanische Pizza" einführt, wie sie beispielweise auch für Champagner oder Scotch gelten. Die Spezifikationen beinhalteten den Kaloriengehalt, das Verhältnis von Tomaten, Käse und Salz und die Temperatur des Ofens (485°C, falls es dich interessiert).

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Genau wie beim Cupcake-Fieber oder der großen Speck-Hysterie 2008 liefen die Dinge ein bisschen aus dem Ruder. Letztes Jahr prahlte der Koch Justin Piazza aus Phoenix im Wall Street Journal damit, um die 22.000 Euro für einen Holzpizzaofen mit Ziegeln aus der Asche des Vesuvs ausgegeben zu haben. In Los Angeles bezahlten Pizza-Enthusiasten umgerechnet ca. 1450 Euro für einen dreitägigen Kurs, in dem sie lernten, wie man einen Teig knetet und Flaschentomaten zerkleinert.

Wie jedes Mal, wenn Leute zu übermütig und sich ihrer Sache zu sicher werden, war es nur eine Frage der Zeit, bis eine Hiobsbotschaft die rosarote Welt der Neapel-Anbeter zerstört. Der italienische Essenshistoriker Giuseppe Nocca plant gerade die Veröffentlichung seiner Forschungsergebnisse, die zeigen, dass die ersten Aufzeichnungen unserer geliebten, kaloriengeladenen Pizza nicht aus Neapel, sondern aus dem kleinen Dorf Gaeta ca. 100 km nordwestlich von Neapel stammen.

Nocca entdeckte die älteste Bezugnahme auf Pizza auf einem lateinischen Kirchendokument (ein Art „Mietvertrag aus dem Mittelalter", laut Independent) aus dem Jahr 997 n.Chr. Aber es kommt noch besser: Pizza war eine Art Währung. Das Dokument verordnete, dass 12 Pizzas—neben einer Schweineschulter und zwei Hühnern—als Mietzahlung an den Bischof zu Weihnachten und zu Ostern übergeben werden mussten, im Gegenzug durfte der „Mieter" ein Stück Land für eine Mühle verwenden.

2012 wurden übrigens die Wurzeln des Namens der Pizza Margherita angezweifelt. Scheinbar soll sie nach der Königin von Italien, Margarethe von Italien, benannt worden sein, als sie 1889 Neapel einen Besuch abstattete. Der italienische Gelehrte Zachary Nowak forschte jedoch genauer nach und stieß auf ein paar verdächtige Namensänderungen und ein paar belastende Dokumente, die die Wahrheit dieser Geschichte nicht unbedingt bestätigen.

Klingt das irgendwie nach dunkler Satire? Auf jeden Fall. Aber Pizza, trotz der merkwürdigen Geschichte, ist eben so lecker, dass uns die verlogene Geschichte ohnehin nicht interessiert.