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Psychische Gesundheit

Warum nehmen sich so viele französische Bauern das Leben?

Jährlich begehen in Frankreich circa 200 Bauern Suizid. Doch die Dunkelziffer ist weitaus höher. Sie sterben, nur damit wir etwas zu essen haben.
Zwei Traktoren auf einem Feld

Das französische Landleben ist nicht so idyllisch, wie sich einige das vielleicht gern vorstellen.

Offiziellen Schätzungen aus dem Jahr 2013 zufolge bringen sich jährlich circa 200 französische Bauern um, meist durch Erhängen. Eine schockierende Zahl, die zeigt, wie sehr französische Landwirte unter dem stets steigenden wirtschaftlichen Druck leiden.

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Der Ex-Bauer und Wissenschaftler Jacques Jeffredo und französische Landwirtschaftsverbände meinen allerdings, dass die Dunkelziffer gut drei Mal so hoch ist. In Gedenken an die "gefallenen Bauern" hat er letzten Oktober 600 weiße Kreuze, die an Soldatenfriedhöfe erinnern, aufstellen lassen und sich nun im Interview mit BFM TV dazu geäußert.

"Viele dieser Namenlosen haben ihr Leben dafür geben, dass wir, dass die Bevölkerung etwas zu essen hat. Dafür sind sie gestorben", so Jeffredo zur Bedeutung der 600 Kreuze. "Solange das für uns eine Krankheit bleibt, gibt es weiter diese Scham und niemand wird darüber reden. Das sind alles grundlose Tode."

BFM TV hat auch einen 35-jährigen Landwirt namens Louis Ganay interviewt, der selbst immer mal wieder mit Selbstmordgedanken kämpft, weil sein Job ihm körperlich und psychisch unglaublich viel abverlangt, insbesondere als er in einem Jahr 15 Kühe verloren hat.

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"Wenn man jeden Tag unglaublich früh aufsteht und weiß, dass einem in einem Monat maximal 200 oder 300 Euro bleiben, und das obwohl man 80 Stunden die Woche arbeitet, dann ist das alles eine ziemliche Qual", so Ganay gegenüber BFM TV. "Die körperliche Ermüdung, der psychologische Druck, die Bank, die einem nicht mehr vertraut, die Kühe, die einem wegsterben … Für mich gab es keinen Grund mehr zu leben."

Die Selbstmordrate in Frankreich ist weit über dem europäischen Durchschnitt: Pro 100.000 Einwohner gibt es 16,7 Suizide, in den 28 EU-Staaten durchschnittlich 11,7. Aber die Selbstmorde sind nur die Spitze des Eisberges und stehen symptomatisch für ein viel größeres Problem: Lohndumping im Allgemeinen und Preisdumping bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen.

Wie es sich für Franzosen gehört, haben die Landwirte in ziemlich kunstvoller Manier gegen die aktuelle Situation protestiert, indem sie zum Beispiel eine Puppe der französischen Umweltministerin verbrannten, wichtige Verkehrsknotenpunkte blockierten, über 70 Tonnen Obst und Gemüse auf den Pariser Place de la République abluden oder mit ihren Traktoren Dünger auf Regierungsgebäude in verschiedenen Städten spritzten.