Ein Pavian mit einem leuchtend rotem Po klammert sich an einen Felsen und schreit.
Symbolbild: Dieser Pavianpo ist immer rot, er ist nicht infiziert. Ureaplasma Urealyticum siedelt sich nur im Menschen an | Foto: Imago / blickwinkel
Sex

Der sexuell übertragbare Erreger, den die meisten haben, ohne es zu wissen

Ureaplasma Urealyticum kann unangenehme Entzündungen und bei Schwangeren sogar Fehlgeburten auslösen. So schützt man sich vor dem weit verbreiteten Bakterium.

Auf einem gesunden Menschen tummeln sich etwa 100 Billionen Bakterien. Manche finden das vielleicht ekelhaft, aber es ist normal. Viele Bakterien sind überlebenswichtig, andere machen uns krank. Ureaplasma Urealyticum gehört zur zweiten Gruppe und wenn du schon einmal sexuell aktiv warst, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass du es auch in dir hast. Zahlreiche Forschende schätzen, dass etwa 70 Prozent aller Menschen mit dem Bakterium infiziert sind. Andere Quellen gehen von etwa 50 Prozent aus. Genaue Zahlen sind schwierig zu ermitteln, da das Bakterium nicht immer Beschwerden auslöst. Wohl auch deshalb haben die wenigsten jemals davon gehört. Das wollen wir ändern. Deshalb haben wir Giuseppe Magistro angerufen. Er ist Chefarzt der Urologie am Asklepios Westklinikum in Hamburg und behandelt im Durchschnitt jeden Tag zwei Menschen, die an einer Infektion mit Ureaplasma Urealyticum leiden.

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Was ist Ureaplasma Urealyticum und wo kommt es vor?
Es handelt sich um eines der kleinsten Bakterien, die wir kennen. Trotzdem kann es einen riesigen Schaden anrichten. Das Bakterium siedelt sich bei Männern und Frauen in den Harnwegen und im Genitalbereich an. Die meisten Menschen bemerken aber gar nicht, dass sie den Erreger in sich tragen. 

Wie steckt man sich damit an?
Meist über Geschlechtsverkehr. Je aktiver das Liebesleben und je häufiger der Partnertausch, desto häufiger kommt es zu Infektionen. Das Bakterium kann aber auch bei der Geburt von der Mutter auf das Kind übertragen werden. Wenn kleine Kinder infiziertes Sekret schlucken, kann das bei ihnen eine Lungenentzündung auslösen. 

Stimmt es, dass 70 Prozent aller Menschen das Bakterium in sich tragen?
Bei Frauen gehen wir tatsächlich von 60 bis 80 Prozent aus. Bei Männern sind es offiziell nur 20 bis 30 Prozent [Anm. d. Red.: Das entspräche im Durchschnitt etwa 48 Prozent der Weltbevölkerung]. Das Problem ist aber, dass Infektionen meistens bei schwangeren Frauen auffallen und behandelt werden. Die Gruppe wird viel häufiger als alle anderen auf das Bakterium untersucht, weil es bei ihnen im schlimmsten Fall eine Fehlgeburt auslösen kann. Diese 20 bis 30 und 60 bis 80 Prozent sind also nur Hochrechnungen, die so genau nicht stimmen können. Männer werden auf das Bakterium generell seltener untersucht als Frauen. Und das ist ein ganz großes Problem bei sexuell übertragbaren Krankheiten: Ganz viele Menschen sind mit Erregern besiedelt, aber wissen nichts davon, weil sie keine Symptome haben. 

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Welche Auswirkungen hat das Bakterium?
Auf den Großteil der Menschen wirkt sich das Bakterium gar nicht aus. Da hält das Immunsystem das Bakterium in Schach. Wenn das Immunsystem jedoch versagt und es zu einer Infektion kommt, sind die Symptome bei Männern ein Brennen in der Harnröhre, übelriechender Ausfluss aus dem Penis, der auch mit Blut versetzt sein kann. Die Prostata kann befallen werden und die Hoden können sich entzünden. Bei Frauen können ähnliche Ausflüsse und Harnröhrenentzündungen auftreten. Außerdem sind Scheidenentzündungen, Eileiterentzündungen und schwere Entzündungen im kleinen Becken möglich. Bei schwangeren Frauen besteht bei einer Infektion das Risiko einer Früh- oder Fehlgeburt. 

Was kann passieren, wenn man das Bakterium nicht entdeckt?
Der Keim wird nur zum Problem, wenn unser Immunsystem schwächelt und es zu einer Infektion kommt. Wer ein starkes Immunsystem hat, sich gut ernährt, ausreichend schläft und Sport treibt, hat auch mit dem Erreger nichts zu befürchten, weil er keine Chance hat, auszubrechen. Schwangere haben automatisch ein schwächeres Immunsystem, deshalb sind sie so oft betroffen. 

Sollten sich alle auf Verdacht testen lassen?
Es gibt einige offizielle Stellen, wie zum Beispiel das Robert-Koch-Institut, die einen Test auf Verdacht empfehlen, wenn sie zu einer Risikogruppe gehören. Also kurz gesagt, wenn sie Sexarbeit betreiben oder privat sexuell sehr aktiv sind und häufig wechselnde Partner haben.

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Wie schützt man sich am besten vor einer Infektion?
Sexuell aktive Menschen schützen sich am besten durch die Verwendung von Kondomen. Geschützter Geschlechtsverkehr senkt das Risiko für eine Infektion.

Gibt es weitere Geschlechtskrankheiten, die wir alle haben, ohne davon zu wissen?
Ja, Herpes Simplex und HPV sind zum Beispiel solche Erreger, die unglaublich viele Menschen in sich tragen, ohne es zu wissen. Eine halbe Milliarde Menschen ist mit Herpes Simplex infiziert und 200 Millionen Frauen haben HPV. Und die meisten merken es nicht. 

Man geht davon aus, dass sich täglich weltweit mehr als eine Million Menschen mit einer sexuell übertragbaren Krankheit anstecken. Einer von fünf Menschen in den USA trägt eine sexuell übertragbaren Erreger in sich. Aber das sind alles nur Schätzungen, weil sie eben so oft unentdeckt bleiben.

Wie behandelt man eine Infektion mit Ureaplasma Urealyticum?
Ich verschreibe im Falle einer Infektion ein Antibiotikum gegen das Bakterium. Wichtig ist, dass man seinen Sexualpartnern der letzten Monate Bescheid gibt. Paare sollten sich zeitgleich behandeln lassen, sonst wird das Bakterium immer wieder zwischen beiden hin und her übertragen. Das nennt man den Ping-Pong-Effekt. 

Sollte man das Antibiotikum auch dann einnehmen, wenn man keine Symptome hat? Vielleicht lassen sich aufgrund dieses Interviews jetzt alle auf Verdacht testen. 
Das ist eine sehr kontrovers diskutierte Frage. Auf der einen Seite haben wir eine weltweite Besiedlung mit diesem Bakterium und könnten die Kette der Weiterverbreitung effektiver stoppen, wenn weniger Menschen das Bakterium in sich hätten. Aber Antibiotika können Nebenwirkungen auslösen. Da muss man abwägen, was schlimmer ist: Den Erreger haben und nichts davon bemerken oder ein Antibiotikum einnehmen und sich vielleicht deswegen schlechter fühlen. Zum jetzigen Zeitpunkt wäre unser Gesundheitssystem gar nicht dazu in der Lage, alle Menschen zu behandeln. 

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