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Therapie

Wie du in Österreich an einen Psychotherapieplatz kommst, den du dir eigentlich nicht leisten kannst

Für alle, deren Krankenkasse nur 28 Euro pro Sitzung zahlt.
Ein Geldschein liegt am Boden und zwei Personen sitzen auf ihm
Collage bestehend aus: 

Illu: imago/Ikon Images (Nick Lowndes) || Geld: imago/Becker&Bredel

Du suchst einen Therapieplatz? Aber ein erster Blick auf die Honorare führt nur dazu, dass du in Embryonalstellung auf dem Fußboden verharrst? Zwischen 70 und 150 Euro bezahlt man normalerweise für eine Einzelsitzung. Wer wöchentliche Therapiesitzungen braucht, kommt dabei monatlich schnell auf die Kosten eines durchschnittlichen Wiener WG-Zimmers.

Dabei hat man, sofern eine entsprechende Diagnose vorliegt, theoretisch Anspruch auf einen Kassenplatz. Praktisch gibt es davon aber viel zu wenige. Die Wartezeiten liegen zwischen sechs Wochen und neun Monaten. Und obwohl der Zuschuss beispielsweise bei den Gebietskrankenkassen gerade angehoben wurde, erhält man dort trotzdem nur maximal 28 Euro pro Einzelsitzung. Die finanzielle Belastung bleibt enorm.

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Wir alle wissen: Das System ist Bullshit und absolut nicht auf die Bedürfnisse eines Landes zugeschnitten, in dem jeder Vierte bereits Depressionen hatte, Tendenz steigend. Es gibt aber Möglichkeiten, eine Therapie zu machen, ohne jeden Monat ein Minus auf dem Konto zu haben.

Wir haben uns mit Menschen unterhalten, die wissen, wie das geht.


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Nora*, 24, Studentin, geht zu einer Therapeutin in Supervision

"Ich litt unter depressiven Episoden. Bis vor zwei Jahren habe ich die oft als "schlechte Tage" abgetan. Es war mir wichtig, als gesund zu gelten, da psychische Krankheiten in meiner Familie keine Seltenheit sind. Also quälte ich mich durch Sitzungen, die mich über 120 Euro pro Stunde kosteten – eine immense finanzielle Belastung für mich.

Dann riet mir eine Freundin, ich solle nach einer Therapeutin suchen, die noch in Supervision ist, also nicht voll ausgebildet. Ich fand online eine junge Frau. Sie bietet zusätzlich einen Sozialtarif an, ein spezielles Angebot für Leute, die wenig oder kein Einkommen haben.

Ich zahle heute 40 Euro pro Einheit. Ich habe entschieden, selbst auf die Kosten zu achten, statt mich auf die Krankenkasse zu verlassen, weil ich keine Lust auf die Wartezeiten hatte. 40 Euro, das ist im Vergleich zu anderen echt okay – trotzdem schreckt es mich jedes Mal wieder, wenn ich die Kosten auf einen längeren Zeitraum ausrechne. Selbst wenn man spart, wo es geht, bleibt Therapie ein Luxusgut. Ich habe ja den direkten Vergleich zwischen einer günstigen Therapeutin in Ausbildung, und einer, die 120 Euro kosten. In meinem Fall gab es dabei keine Qualitätsunterschiede."

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Peter Stippl, Präsident des Österreichischen Bundesverbands für Psychotherapie, empfiehlt nach günstigen Terminen am Vormittag zu fragen

"Viele Therapeuten haben keine Kassenverträge, weil diese von den Kassen limitiert vergeben werden. Zusätzlich sind diese Verträge kontingentiert, das heißt durchschnittlich werden pro Psychotherapeut nur etwa 200 Stunden im Jahr vergeben. So entsteht ein künstlicher Engpass.

Aber der Bundesverband für Psychotherapie hat in jedem Bundesland Beratungsstellen, in denen man kostenlose Erstgespräche führen kann. Dort erhält man Informationen dazu, wie man einen Kassenplatz bekommt. Wenn eine psychische Erkrankung vorliegt, werden die Kosten von der Krankenversicherung übernommen.

Die Wartezeit auf einen Kassenplatz kann man überbrücken, zum Beispiel mit Selbsthilfegruppen. Ein Beispiel dafür sind die Anonymen Alkoholiker. Manche Therapeuten kommen Patienten auch entgegen, wenn sie sozial bedürftig sind. Außerdem werden manchmal, je nach Uhrzeit, unterschiedliche Tarife angeboten. Termine am Vormittag unter der Woche sind nicht beliebt – da haben auch Studierende gute Chancen auf einen günstigen Platz."

Marina*, 25, Studentin, fragt Therapeuten nach Vergünstigungen

"Mir ging es vor meiner Therapie wie vielen Studierenden: Ich war überfordert und fühlte mich alleingelassen. Irgendwann überrollte mich alles. Bei meiner Therapeutin zahlte ich nur 30 Euro pro Einheit. Darum habe ich bei meiner Kasse auch gar nicht erst nachgefragt, ob Kosten übernommen werden. Der Preis war für mich in Ordnung.

Aber eine Freundin erzählte mir, dass man sich das Honorar bei dieser Therapeutin selbst aussuchen kann. Das ist auf ihrer Website auf den ersten Blick gar nicht ersichtlich. Dort steht allerdings, dass der passende Preis "je nach finanziellen Möglichkeiten" zu vereinbaren ist. Das heißt zwar nicht pay as you wish, aber es bedeutet, dass einem Therapeutinnen und Therapeuten entgegenkommen.

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Also, in jedem Fall sollte man die Praxis anschreiben, wenn einem das Anfangshonorar zu hoch ist."

Fanny Varga, Psychotherapeutin, bietet günstige Sitzungen an, damit ihre Klienten entspannter sind

"Für mich ist eine Therapiesitzung ein normales Gespräch. Dafür muss man nicht zwangsläufig jedes Mal 80 bis 120 Euro verlangen. Mir ist es wichtig, dass sich die Klientinnen und Klienten entspannen können, und die entspannen sich besser, wenn sie keine finanziellen Sorgen haben. Darum haben sie ein Mitspracherecht bei den Preisen. Bei mir zahlt jeder soviel, wie er eben kann.

Für mich ist dieses Konzept die beste Möglichkeit, gut arbeiten zu können. Es nimmt den Druck aus einem Gespräch, denn nicht jede Sitzung läuft perfekt. Mein Vorteil ist, dass ich zusätzlich angestellt bin. So kann ich in meiner selbstständigen Arbeit niedrigere Preise ansetzen, da ich nicht komplett davon abhängig bin.

Einen Tipp habe ich noch: Wer sich eine reguläre Therapie nicht leisten kann, sollte sich eine der Kolping Lebensberatungsstellen wenden. Hier kann man selbst entscheiden, wie viel man pro Einheit zahlen kann."

*Die Namen wurden auf Wunsch der Protagonistinnen geändert.

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