US-Armee-Rekrut Smith vor und nach der Ausbildung, fotografiert von Jason Koxvold
Smith aus 'Engage and Destroy' | Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von Jason Koxvold
Menschen

Vor- und nachher Fotos von US-Soldaten

Der Fotograf Jason Koxvold porträtiert Rekruten vor und nach ihrer Grundausbildung.

Seitdem der American-Airlines-Flug 11 in den Nordturm des World Trade Centers krachte, befinden sich die USA und ein Großteil des Westens im sogenannten Krieg gegen den Terror. Die beiden großen Schlachtfelder, Afghanistan und später Irak, haben den Westen nicht nur Ressourcen gekostet, sondern auf internationaler Ebene auch Prestige und Glaubwürdigkeit. Die Bilanz beider Kriege ist verheerend.

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Die meisten Menschen, die das hier lesen, sind mit beiden Kriegen groß geworden – oder zumindest mit ihren Folgen. 2021 zogen die USA schmachvoll aus Afghanistan ab. Seitdem ist das Land wieder in der Hand der Taliban. Die chaotischen Szenen vom Flughafen in Kabul stehen sinnbildlich für das Scheitern des US-amerikanischen Nation-Buildings. Der Abzug markiert das Ende des klassischen Kriegs gegen den Terror. Aber welchen Einfluss haben 20 Jahre Kriegszustand auf die US-Gesellschaft? Das Buch Engage & Destroy des Fotografen und Künstlers Jason Koxvold sucht nach Antworten auf diese Frage.

Der Bildband entstand über einen Zeitraum von 16 Monaten im Fort Moore, Georgia. Er zeigt Porträts von männlichen US-Rekruten am Anfang und Ende ihrer Grundausbildung. Daneben zeigt Koxvold die angehenden Soldaten beim Nahkampf und Fragmente des Soldier's Creed, dem Gelöbnis der US-Soldaten. Engage & Destroy wirft einen Blick darauf, welchen Einfluss der ständige Kriegszustand auf das Denken und die Körper von US-Rekruten hat. Wir haben mit dem 46 Jahre alten Fotografen über sein Werk gesprochen.

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Nahaufnahme von Soldaten beim Nahkampftraining

Rekruten müssen Nahkampftraining absolvieren. Hier kämpfen zwei Einheiten um zwei zusätzliche Freistunden | Foto mit freundlicher Genehmigung von Jason Koxvold

VICE: Schön, mit dir zu sprechen. Deine Arbeit ist wirklich interessant.
Jason Koxvold:
Danke, dass du das sagst. Engage & Destroy ist ein kleiner Teil eines großen Langzeitprojekts. Seit 2015 beschäftige ich mich in meiner Arbeit mit dem Krieg. Am Anfang ging es um Kuwait, dann bin ich nach Afghanistan gegangen und in die Vereinigten Arabischen Emirate – und dann habe ich Militärbasen überall in den USA besucht. Damit wollte ich meine Hypothese überprüfen, dass man als Land keine zwei Jahrzehnte Kriegszustand überdauert, ohne dass sich das massiv auf das Wahlverhalten, die Lebensqualität, persönliche Freiheiten und so weiter auswirkt. Viele Menschen in den USA nehmen das einfach hin.

Ich bin selbst halb Amerikaner, aber die ganzen Amokläufe schrecken mich davon ab, dort zu leben. Wie passen die in deine These?
Das hat viel mit der Fetischisierung von Krieg und Waffen zu tun. Wenn man sich anschaut, wie sich Schulamokläufer anziehen, dann ist das immer eine Art Gefechtsausrüstung. Und sie benutzen taktische Waffen, also solche, die für einen Militäreinsatz ausgelegt sind. Ideologisch ist das stark mit Religion und unseren vermeintlichen Rechten verwoben – vor allem mit denen, die man als weißer Mann zu haben glaubt. Es geht um diese Fantasie des gerechten Tötens, des legalen Tötens … Schau dir diesen Typen an. [Er zeigt ein Bild des Rekruten Smith.]

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Ein aufgeschlagenes Buch mit zwei Fotos eines Mannes in Uniform, er hat auf beiden Fotos einen stechenden Blick

Smith | Foto mit freundlicher Genehmigung von Jason Koxvold

Ich wusste, dass du mir das hier zeigen wirst. Man sieht eine Veränderung in den Fotos, aber auch sein Aussehen vor der Ausbildung sagt etwas …
Links sieht er aus wie ein Buchhalter, der von einer Soldatenkarriere träumt. Rechts ist die Verwandlung abgeschlossen. Ich habe die Rekruten durch meine monatelange Arbeit wirklich kennengelernt. Einer, bei dem es mir das Herz gebrochen hat, war ein gewisser Simpson [nächstes Foto]. Am Anfang ist er noch dieser verletzliche, ja, sogar schön aussehender Junge. Am Ende des Trainings ist er gebrochen.

Wenn man die Veränderung der meisten Menschen zusammenfassen will, die ich fotografiert habe, dann vielleicht so: Sie sind schlanker geworden, sind von Jungen zu Männern geworden und die meisten sehen selbstbewusster aus. Aber dann gibt es ein paar Ausreißer, bei denen das nicht funktioniert hat. Und es gibt natürlich auch die, die aus welchen Gründen auch immer keinen Abschluss machen. Man kann jederzeit aussteigen. Man kann rausgeworfen werden. Es ist aber auch möglich, dass die Rekruten Suizid begehen oder beim Training sterben.

Ich weiß, dass es in der Anfangsphase der Ausbildung ein Suizidproblem gibt. Als ich den Schlafsaal fotografierte, standen an den Wänden Stockbetten, aber in der Mitte des Raums stand eins ganz allein. Ich fragte, wofür das sei, und sie meinten: "Oh, das ist das für die Suizidgefährdeten. Wenn du suizidal bist, stecken wir dich da rein." Ich habe mich sofort gefragt, ob das wirklich eine gute Idee ist.

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Ein aufgeschlagenes Buch mit zwei Fotos eines Mannes in Uniform, links schaut er entschlossen, rechts leer

Simpson | Foto mit freundlicher Genehmigung von Jason Koxvold

Das ist schon ziemlich erschreckend. Ist das wirklich eine gute Art, damit umzugehen?
Vielleicht ist das eine Art zu sagen: "Du bist uns wichtig und wir behalten dich im Auge, weil wir nicht wollen, dass dir etwas passiert." Aber auf der anderen Seite ist es fast so, als würde man einen Scheinwerfer auf diese Person richten und sagen: "Schaut euch den suizidalen Typen an." 

In einer klassischen Militärausbildung gibt es keinen Raum für Gefühle und psychische Gesundheit, oder? Der Sinn und Zweck ist doch, das alles beiseite zu legen und eine Maschine des Staats zu werden.
Das kann man auch in den Augen einiger Porträts sehen. Manchmal sieht man am Anfang eine gewisse Neugier in ihrem Blick. Davon ist am Ende nichts mehr übrig. Man sollte dabei auch nicht vergessen, dass das hier Menschen aus allen Bereichen des amerikanischen Experiments sind. Mir hat gefallen, wie einige Menschen, die nicht in den USA geboren wurden, sich voll in diesen Prozess stürzen – vielleicht um ihre Einberufung als Weg zur Einbürgerung zu benutzen. 

Wir sind es so gewohnt, Soldaten wie Helden zu behandeln, aber auf sehr plumpe Art, als wären sie die Verkörperung des Guten. Gleichzeitig wollen wir nicht wirklich wissen, was genau das mit sich bringt.

Nahaufnahme von Soldaten beim Nahkampf, ein Soldat wird von dem anderen am Kragen gegriffen

Foto mit freundlicher Genehmigung von Jason Koxvold

Was meinst du mit den "kulturell entstandenen Vorstellungen einer hegemonialen Hypermaskulinität", von denen du in deinem Buch schreibst?
Der Typ, Smith, der uns beiden vorhin aufgefallen war, ist ein sehr interessantes Beispiel dafür. Was heißt es, 2023 ein Mann zu sein – in einer Kultur, die eine "der Gewinner kriegt alles"-Mentalität begünstigt, die dem Mächtigen Recht gibt? Der andere Rekrut, Simpson, ist auch ein gutes Beispiel dafür, weil er nicht so richtig reinpasst – das manifestiert sich beim Abschluss in seinem Gesicht.

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Ich denke, dass diese Vorstellung viele Bereiche des US-Alltags durchdringt, in denen es keinen großen Raum für Nuancen oder echte Diskussionen gibt. Schau dir nur an, wie die Präsidentschaftsdebatten ablaufen. Das ist fast nur: "Ich habe recht, du nicht!" Das ist reines Macho-Getue. Das ist es auch, was viele Menschen bei der Armee erwarten. Als Vater macht mich das immer ein bisschen traurig. Manchmal sehe ich andere Kinder im Alter meines Sohns, die bereits zu kleinen Killermaschinen erzogen werden.

Ich versuche mein Bestes, damit meine Kinder zu mitfühlenden und rücksichtsvollen Menschen werden. Ja, sie sollen auch stark sein, aber gleichzeitig verstehen, dass Menschsein extrem vielseitig ist. Es gibt so viel mehr als diese Glorifizierung des Todes.

Ein aufgeschlagenes Buch mit zwei Fotos eines Mannes in Uniform, auf dem rechten Bild sieht er schlanker und entschlossener aus

Stubblefield | Foto mit freundlicher Genehmigung von Jason Koxvold

Funktioniert das Buch auch als Protestform? Bringen Proteste heute überhaupt noch was?
Ich weiß nicht, wie das gerade bei den Palästina-Demonstrationen aussieht, aber ich habe über die Demonstrationen gegen den Irakkrieg gelesen, dass das die größten Antikriegsproteste der Geschichte waren – wenn man die ganzen Wochen und Länder zusammenzählt. Ich glaube, heutzutage herrscht ein Gefühl von Nutzlosigkeit. Abermillionen Menschen protestierten damals gegen den Einmarsch in den Irak, der eindeutig unmoralisch und illegal war, und es änderte nichts. Da denkt man sich nur: "Wenn man das nicht aufhalten kann, was dann?" Ich habe mich dann zehn Jahre lang von allem, was mit Krieg zu tun hat, ferngehalten, bevor ich mich mit diesem Projekt wieder dem Thema zugewandt habe. Kennst du das Buch Vietnam Inc. des Fotojournalisten Philip Jones-Griffiths?

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Sagt mir was.
Dem Buch wird zugerechnet, die Proteste gegen den Vietnamkrieg maßgeblich verstärkt zu haben. Es brachte die Realität des Krieges für viele Amerikaner nach Hause und kippte die Stimmung. Heute ist Social Media ein viel größerer kultureller Motor, aber ein kleiner Teil von mir will daran glauben, dass dieses Projekt Menschen dabei helfen kann, ihre Meinung zum Krieg zu ändern.

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Nahaufnahme vom angestrengten Gesicht eines Soldaten beim Nakampftraining

Foto mit freundlicher Genehmigung von Jason Koxvold

Ein aufgeschlagenes Buch mit zwei Fotos eines Mannes in Uniform, auf dem rechten Bild ist er schlanker, aber hat sich sonst kaum verändert

Sturkie | Foto mit freundlicher Genehmigung von Jason Koxvold