Politik

VICE-Recherche: Wie die Deutsche Welle Israel-Hass in Jordanien fördert

Der Auslandssender steckt in einem Antisemitismus-Skandal. VICE-Recherchen zeigen: Er ist größer als gedacht. SPD-Vize Kühnert fordert Konsequenzen.
Unter dem Logo der Deutschen Welle steht der Schriftzug Made for minds, DW fördert die Anti-Israel-Propaganda in Jordanien
Foto: IMAGO/Krystof Kriz

Vor wenige Tagen enthüllte die Süddeutsche Zeitung einen Antisemitismus-Skandal bei der Deutschen Welle. Der steuerfinanzierte Auslandsrundfunk sendet weltweit in 30 Sprachen und ist Teil der ARD, er erhielt vom Bundestag für dieses Jahr 390 Millionen Euro.

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Hochrangige Mitarbeiter und Redakteure der arabischen DW-Redaktion sollen sich öffentlich antisemitisch geäußert haben. Ein Redakteur soll laut Süddeutsche-Recherchen auf Facebook den Holocaust als "künstliches Produkt" bezeichnet haben. Ein Büroleiter der Deutschen Welle sei laut SZ-Recherche mit der Aussage aufgefallen, dass "jeder, der mit den Israelis zu tun" habe, ein "Kollaborateur" sei und "jeder Rekrut in den Reihen ihrer Armee" ein Verräter sei und hingerichtet werden müsse. Ein Akademie-Trainer der Deutschen Welle in Beirut habe laut SZ-Recherche auf Twitter geschrieben: "Der Holocaust ist eine Lüge." Hinweise darauf habe die Deutsche Welle ignoriert.

Nach den Veröffentlichungen kündigte die Deutsche Welle eine externe Untersuchung an, die beschuldigten Mitarbeiter seien für den Zeitraum der Untersuchung freigestellt. Verwaltungs- und Rundfunkrat des Senders stellten in einem Statement klar, dass sich die Deutsche Welle "eindeutig zum Existenzrecht Israels" bekenne und die Geschäftsleitung der DW alle ihre Mitarbeitenden dazu verpflichtet habe, sich gegen Antisemitismus zu stellen, "der auch in der Form von Israel-Hass zum Ausdruck kommt". Doch wie glaubwürdig ist dieses Bekenntnis? Hat der Sender nur ein Problem mit ein paar Mitarbeitern, oder ist das Problem größer?

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VICE-Recherchen ergeben, dass die Deutsche Welle in Jordanien eng mit einem Sender kooperiert, der seit Jahren Propaganda gegen Israel verbreitet. Der Israelhass von Roya TV, mit dem die DW beispielsweise das beliebte Format Jaafar Talk produziert, geht sogar so weit, dass man dort Schwierigkeiten hat, Israel beim Namen zu nennen. Das Land wird konsequent "Israelische Besatzung" genannt. Roya TV berichtet einseitig von antiisraelischen Demonstrationen, auf denen gegen eine Aussöhnung mit Israel protestiert wird.

Israelische Staatsbürger, die bei Raketenangriffen der Terrororganisation Hamas sterben, nennt Roya auf Instagram "Siedler der israelischen Besatzung", ihr Tod wird dadurch indirekt legitimiert. Opfer auf palästinensischer Seite hingegen werden als "Märtyrer" bezeichnet. Die israelische Armee, die Israel Defense Force, nennt man bei Roya TV nur "Israel Occupation Force". Auf Instagram teilt Roya TV mehrmals antisemitische Karikaturen von Landkarten, auf denen Israel ausgelöscht ist (Screenshots liegen VICE vor).

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All das sind keine vereinzelten Ausrutscher vereinzelter Mitarbeiter sondern es hat System. In den sozialen Medien, auf denen Roya TV sehr aktiv ist, lässt sich das auf Jahre zurückverfolgen. Warum ignoriert die Deutsche Welle das?

Vergangenes Jahr reiste der Intendant der Deutschen Welle, Peter Limbourg, sogar nach Jordanien, um Roya-Chef Fares Sayegh zu treffen. Feierlich vereinbarte man eine Ausweitung der Kooperation. Die Deutsche Welle veröffentlichte Fotos der Vertragsunterzeichnung. Im Mai 2020 prämierte Limbourg den Royas-Chef mit einem Freedom of Speech Award. Entspricht die antiisraelische Senderlinie Limbourgs Verständnis von Meinungsfreiheit?

Wir haben der Deutschen Welle Fragen zur Kooperation mit Roya TV geschickt, adressiert an Intendant und Chefredakteurin. Wie viel Geld zahlt die Deutsche Welle an Roya TV? Wie passt das Bekenntnis zu Israel mit einem Sender zusammen, der Israel noch nicht mal beim Namen nennen will? Wie geht es mit der Kooperation weiter? Welche Konsequenzen plant man?

Eine Pressesprecherin der Deutschen Welle antwortet uns, dass die "Vertriebs- und Programmverantwortlichen" Roya TV "definitiv nicht für israelfeindlich" halten würden. Selbstverständlich prüfe man vor Beginn einer Kooperation mit Medienanbietern ihre Ausrichtung und Kultur. Partnerschaften mit Sendern, die "deutlich antisemitische Positionen vertreten oder antisemitische Tendenzen zeigen", schließe man grundsätzlich aus. Bei den Verhandlungen gebe es keine Kompromissbereitschaft zugunsten einer höheren Reichwerte. Sie spiegelten lediglich "die Realität wider, mit der sich alle Medien, die Partnersender in der MENA-Region haben, konfrontiert sehen".

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Roya TV sei ein christlich-liberal geführtes Medienunternehmen. Der Sender setze sich für die Rechte religiöser Minderheiten ein und positioniert sich klar gegen Radikalisierung. Roya TV habe bei Koproduktionen und Programmübernahmen zu jeder Zeit die redaktionelle Linie der DW respektiert. Roya-Chef Sayegh habe man für seine kritische Corona-Berichterstattung ausgezeichnet. Wieviel Steuergelder Roya TV über die Deutsche Welle bekommt, will man uns nicht beantworten.

Kevin Kühnert, stellvertretender SPD-Chef, sieht die Kooperation auf VICE-Anfrage hingegen kritisch, er fordert ein Ende der Partnerschaft. "Die Existenz und Sicherheit Israels sind Teil der deutschen Staatsräson. Und auch wenn ein Medium wie die Deutsche Welle in ihrer Berichterstattung frei sein muss, kann man erwarten, dass dieser zentrale Grundsatz unseres Landes auch von einer Institution, die mit Steuergeldern finanziert wird, geachtet wird. Ich halte es für angezeigt, dass die Deutsche Welle hier Konsequenzen zieht und die Kooperation beendet. Auch eine interne Überprüfung vergleichbarer Partnerschaft erscheint angebracht."

Auch Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, kritisiert die Deutsche Welle. Auf VICE-Anfrage sagt sie: "Wenn die jüngsten Berichte über die Deutsche Welle zutreffen, dann ist das ein Skandal, der nicht folgenlos bleiben darf. Die DW ist das Gesicht unseres Landes im Ausland; dass ihre Mitarbeiter und Partner offenbar ungestört Hass gegen Juden und Israel verbreiten konnten und trotzdem noch mit Preisen geehrt wurden, muss alle Verantwortlichen beschämen. Sollte der Sender nicht zügig selbst aktiv werden, muss die Politik geeignete Maßnahmen ergreifen, um diesen Zustand zu beenden."

Die Deutsche Welle scheint in der ungewöhnlichen Kooperation weiter kein Problem zu sehen. Wie sie einen Sender, der nicht mal Israel beim Namen nennen will und indirekt den Tod israelischer Staatsbürger legitimiert, als "definitiv nicht israelfeindlich" bezeichnen kann, bleibt wohl vorerst ihr Geheimnis.

Update vom 05.12.2021, 11:45 Uhr: Wir haben einen Twitter-Thread zum Thema eingebettet.

Update vom 06.12.2021, 08:15 Uhr: Die Deutsche Welle setzt die Zusammenarbeit mit Roya TV aus und entschuldigt sich per Pressemitteilung. Nach den fraglichen Veröffentlichungen von Roya TV müsse man die Kooperation neu bewerten.

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