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Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung der Interviewten
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Wie es ist, als Veganer oder Vegetarier eine Kochausbildung zu machen

In Deutschland ist es Pflicht, dabei Fleisch und Fisch zuzubereiten.

Sich ohne Fisch und Fleisch zu ernähren oder sogar vollständig pflanzlich, ist in Deutschland gar nicht mehr so schwer. Klar, in Großstädten fällt es leichter als auf dem Dorf, aber das Angebot in Restaurants und Supermärkten ist größer als noch vor zehn Jahren. Trotzdem gibt es immer noch einen Ort, an dem man als Vegetarier oder Veganerin nicht um Fleisch herumkommt: die Ausbildungsküche in der Kochlehre.

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Das Bundesinstitut für Berufsausbildung schreibt angehenden Köchinnen und Köchen Fisch- und Fleischgerichte in den Lehrplan. Bei der praktischen Abschlussprüfung müssen sie beides auch als Hauptgang zubereiten – unabhängig davon, ob sie zu den neun Prozent der Deutschen gehören, die sich vegetarisch ernähren, oder zu den drei Prozent, die vegan leben.   

Trotzdem haben wir mutige Veganer und Vegetarier gefunden, die es gewagt haben, eine Kochausbildung zu beginnen. Auch wenn manche Negatives berichten, haben einige auch positive Erfahrungen gemacht.

Omer Mantin, 27, Chef de Partie, Ausbildung in Berlin

Der Koch Omer Mantin sitzt in einem Kochhemd an einem Tisch

VICE: Wie war die Kochausbildung für dich als Vegetarier? 
Omer Mantin:
Den Großteil meiner Ausbildung habe ich in einem rein veganen Restaurant in Berlin verbracht. Zu der Zeit konnte ich Fleisch und Fisch nicht mal angucken. Um meine Ausbildung abzuschließen, musste ich aber eine Zeit lang in eine klassische Küche. Da hat mir mein Ausbildungsleiter geholfen ein Restaurant zu finden, das es nicht so eng sieht. Dort musste ich glücklicherweise kein Fleisch anfassen. Generell interessieren mich die Techniken der Zubereitung aber schon. 

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Wieso das? 
Ich will selbst beim Kochen keine Fleischalternativen benutzen, sondern nur Gemüse. Um das Gemüse umami schmecken zu lassen und ihm die richtige Konsistenz zu geben, kann man sich einiges in der Fleischküche abschauen – zum Beispiel Dry Aging. Das ist schon interessant, aber essen will ich das Fleisch nicht. Und wenn ich in der Ausbildung doch mal mit Fleisch kochen musste, habe ich andere probieren lassen.

Wie war das dann bei deiner Prüfung? 
Das war eine Katastrophe für mich, da man in der Prüfung mit Fleisch kochen muss. Ich wusste aber schon drei Wochen vorher, was ich kochen werde: eine Fischfarce, eine geschmorte Lammkeule mit Jus und ein Honig-Rosmarin-Parfait mit pochierter Birne. Den Fisch habe ich irgendwie hinbekommen, auch wenn mich die Augen während des gesamten Prozesses angestarrt haben. Das Fleisch war das größere Problem. Ich musste rühren, dämpfen, anbraten – eigentlich dachte ich, ich kann einfach einen Schnellkochtopf nehmen, aber das haben mir die Prüfer nicht erlaubt. 

Neben mir hat so ein Kerl das Fleisch regelrecht zerhackt, sodass die ganze Zeit Fleischstückchen auf meinen Platz geflogen sind. Währenddessen musste ich ständig Fragen beantworten und so tun, als hätte ich ganz viel Ahnung. Dabei war ich planlos. Die Lammkeule hatte am Ende eine andere Konsistenz als gedacht, die Jus habe ich nicht mal probiert. 

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War das das Schlimmste an der Prüfung?
Was mich wirklich gestört hat war, dass ich zwei Fische für zwei Personen kochen sollte. Ich habe nur einen benutzt, da ich dachte, das reicht. Den anderen haben sie dann einfach weggeschmissen. In der Schule reden sie immer davon, auf Nachhaltigkeit zu achten und dann sowas. Das hat mich sauer gemacht. 

Würdest du etwas an der Kochausbildung ändern? 
Generell spielt Fleisch eine zu große Rolle. Wir haben fast ein Jahr Fleisch behandelt. Andere Inhalte kommen zu kurz. Ich hoffe natürlich, dass Leute in Zukunft eine fleischlose Ausbildung machen können. Aber trotzdem sollte Fleischkonsum immer behandelt werden. Denn wenn man eine Alternative schaffen will, sollte man auch wissen, wieso die Menschen Fleisch so lieben. Wir dürfen nicht ignorieren, dass immer noch viele Menschen Fleisch essen, es wollen nicht 90 Prozent der Menschen in Deutschland Veganer werden. 


Auch bei VICE: Die militanten Anti-Veganer, die nur rohes Fleisch essen


Nam Le*, 29, im zweiten Ausbildungsjahr in Düsseldorf

VICE: Wieso bist du Vegetarier geworden? 
Nam Le:
Ich komme aus Hanoi in Vietnam. Wenn ich dort morgens aufgewacht bin, konnte ich mit meinen eigenen Augen sehen, wie die Tiere geschlachtet wurden. Dadurch konnte ich irgendwann den Geruch von Fleisch nicht mehr ertragen und es auch nicht mehr essen. Daher bin ich seit vier Jahren Vegetarier. 

Wie kamst du zur Kochausbildung? 
Meine Mutter wohnte bereits in Deutschland. Also wollte ich mich hier als Koch ausbilden lassen. Leider wusste ich nicht, dass es nicht wirklich möglich ist, eine vegetarische Kochausbildung zu machen. In Berlin gab es ein Restaurant, aber die wollten wegen der Corona-Pandemie niemanden aufnehmen. Also habe ich Anfang 2022 bei einem Steakhouse in Düsseldorf angefangen. 

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Wie war es als Vegetarier in einem Steakhouse? 
Mein Chef war Jäger. Einmal kam ich in die Küche und dann hing da ein totes Wildschwein – noch mit Fell und allem. Ich sollte das dann filetieren. Mein Chef hat darauf bestanden, dass ich das bis zum Schluss mache, aber ich konnte einfach nicht und habe nach Hilfe gefragt. Später erst habe ich herausgefunden, dass er mich dazu nicht hätte zwingen dürfen. Und dass es illegal ist, ein totes Tier mit Fell in der Küche aufzuhängen. Das verstößt gegen Hygiene-Vorschriften. Ich dachte eigentlich, ich kann das trotz meiner Ernährung durchziehen, aber zwei Monate später habe ich deswegen und wegen der Arbeitszeiten gekündigt. Wir sind aber im Guten auseinandergegangen, ich bereue es nicht, dort gewesen zu sein.

Wie hat dein Chef darauf reagiert? 
Wir wussten beide, dass ich kündigen werde, da wir häufiger über Fleischessen diskutiert haben. Er meinte, ein Tier nicht zu essen, sei schwach. Das stimmt aber meiner Meinung nach nicht. Trotzdem habe ich in dem Steakhouse Fleisch gegessen, da ich wissen musste, wie es schmeckt, wenn ich es koche. Beides hat mir nicht gefallen. In meinem Land sagt man: Ein Tier zu kochen ist genauso schlimm, wie ein Tier zu töten. 

Josephin Schöneberg, 24, Zweites Lehrjahr in München

VICE: Du bist Veganerin? 
Josephin Schöneberg:
Nein, nicht mehr. Tatsächlich habe ich wegen meiner Ausbildung wieder begonnen Fleisch zu essen. Nach meinem Politikstudium wollte ich gerne etwas Handfestes machen und Kochen war schon immer ein Hobby von mir. Ich wollte später als alte Frau nicht bereuen, es nicht ausprobiert zu haben, weil mich meine Ernährung limitiert. Daher arbeite ich jetzt in einer Vollkost-Kantine in München. 

Wieso hast du dich nicht in einem veganen Betrieb beworben? 
Weil ich alles, was ich dort nicht gelernt hätte, sowieso woanders hätte nachholen müssen. Halb und halb hat sich nicht so sinnvoll angefühlt und ich wollte auch das Allround-Paket. Dabei war ich schon vier Jahre Vollblut-Veganerin und davor super lange Vegetarierin. Ich habe mich sogar immer mit meinem Vater angelegt, weil er immer nur so schlechtes Fleisch gekauft hat. 

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Wie war es dann, wieder Fleisch zu essen? 
Um mich vor Beginn der Ausbildung etwas vorzubereiten, habe ich erstmal vegetarisch gegessen. Fleisch zu essen, habe ich tatsächlich auf den Anfang meiner Ausbildung verschoben. Das war schon eine Überwindung. Ich habe aber früher immer gerne Fleisch gegessen und eher wegen des Tierwohls verzichtet. Komisch war es schon, aber dadurch, dass ich es nur auf der Arbeit esse, habe ich mich schnell dran gewöhnt. An den ersten Moment erinnere ich mich gar nicht mehr genau, da kamen ganz schnell weitere dazu. Ich bin zwar auch heute nicht total Fleisch-fokussiert, aber die Umgewöhnung ging dann doch schneller, als mir lieb ist. Hätte man mir vor zwei Jahren gesagt, dass ich wieder Fleisch essen werde, hätte ich laut gelacht. 

Wirst du nach der Ausbildung wieder zu deiner alten Ernährung zurückkehren? 
Das ist eine gute Frage. Es kommt drauf an. Eigentlich möchte ich schon gerne zumindest wieder vegetarisch werden. Ich versuche gerade an eine Hospitanz in einem vegetarischen Restaurant zu kommen. Ich kann mir vorstellen, in diese Richtung zu gehen, aber ich bin mit der abgeschlossenen Ausbildung noch keine fertige Köchin. Ich will mir nicht verbauen mehr zu lernen, weil ich auf Fleisch verzichte. 

Hättest du eine rein vegane Ausbildung absolviert, wenn es sie gegeben hätte? 
Das habe ich mich auch schon häufiger gefragt. Ich finde es schon cool, was ich alles lerne. Wenn es den moralischen Aspekt nicht gäbe, würde ich es zumindest immer wieder machen. 

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Maximilian Berchtold, 32, Life Coach, Kochausbildung in München und Berlin

Der Koch Maximilian Berchtold richtet ein Gericht an

VICE: Wie bist du Veganer geworden? 
Maximilian Berchtold:
Für mich hat sich Fleisch im Mund schon immer wie ein Stück Körper angefühlt, auf dem ich herumkaue. Als Vegetarier hatte ich dann eine Wette mit meiner Schwester, mich vegan zu ernähren. Damit habe ich mich gesund und fit gefühlt und bin bis heute dabei geblieben. 

Wie kamst du zum Kochen? 
Als ich mein Studium hinwarf, habe ich nebenbei in einem veganen Wirtshaus in München als Spüler gearbeitet. Dort habe ich Ende 2014 meine Ausbildung angefangen. Ich habe nämlich als Kind schon immer gerne Kochshows geschaut, als Zwölfjähriger wog ich 110 Kilo. Das hat auch etwas gedauert, bis sich das eingependelt hatte. 

Hat dir die Kochausbildung geholfen, dein Gewicht in den Griff zu kriegen? 
Na ja, als Koch kommt man ständig mit Essen in Berührung. Außerdem ist es so ein Klischee, dass vegan gleich gesund bedeutet. Das ist zumindest nicht der Fall für das vegane Wirtshaus, in dem ich angefangen habe. Dort war das Essen sehr fettig, es gab viele frittierte Fleischalternativen und es wurde viel Zucker benutzt. Das hat sich geändert, als ich zu einem veganen Betrieb in Berlin gewechselt bin. Dort ging es ums Fine Dining, saisonal und viel Gemüse. 

Wie war der Fisch- und Fleischteil in der Ausbildung für dich? 
Dafür bin ich im letzten Jahr meiner Ausbildung bis Anfang 2018 nach Starnberg in ein Hotel gegangen. Da habe ich von vorneherein gesagt, dass ich kein Fleisch esse. Klar gab es da mal einen dummen Spruch wie „der isst meinem Essen das Essen weg“. Das war witzig gemeint, auch wenn es nicht wirklich witzig war. Darüber ging es aber nicht hinaus. Allgemein hat das Team meine Ernährung akzeptiert und aufgefangen. Später habe ich auch mal abgeschmeckt, aber als ich ein rohes Fleischtartar probieren sollte, konnte ich einfach nicht. Bei den Lehrern in der Berufsschule gab es manchmal ein bisschen Argwohn oder so Aussagen, dass das alles ein komischer Trend und ungesund sei. Die sind mit dem Thema einfach noch nicht genug in Kontakt gekommen. 

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Würdest du dir wünschen, dass sich an der Kochausbildung etwas ändert?
Man fragt sich, wie viele Leute eine vegane Kochausbildung machen würden. Aber man muss auch die Angebotsseite betrachten – da gibt es einfach nichts. Man muss sich alles selbst zusammenschustern. Es gibt sicher Menschen, die sich auch für eine Kochausbildung interessieren, aber von der veganen Angebotsebbe abgeschreckt sind. Dabei brauchen wir Menschen, die Innovationen voranbringen, die gelernt haben, mit Gemüse, Hülsenfrüchten und Getreide kreativ zu arbeiten. Du kriegst in München mancherorts immer noch kein vollwertiges veganes Gericht. Gleichzeitig ist die Industrie natürlich schon vorangeprescht, aber deren Produkte sind ernährungsphysiologischer Unsinn. 

Philipp Illing, 33, Student, wissenschaftliche Hilfskraft, Erziehungswissenschaft, Kochausbildung in Berlin

Der Koch Philipp Illing hält Gemüse in der Hand

VICE: Wie kamst du zum Veganismus? 
Philipp Illing:
Ich bin so mit 16 oder 17 Jahren in der linken Hardcore-Szene unterwegs gewesen. Dadurch kam ich über damalige Freunde dazu, darüber nachzudenken. Außerdem fand ich die Situation der Tiere einfach extrem ungerecht. Der Umweltfaktor hat auch irgendwann eine Rolle gespielt. Ich bin allerdings dörflich aufgewachsen, daher hat das dann noch ein wenig gedauert. 2007 wurde ich Veganer. Damals gab es maximal Tofu im Supermarkt und wir haben noch Mehl mit Wasser ausgewaschen, um Seitan herzustellen. Räuchertofu war da schon eine echte Offenbarung. 

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Wie kamst du zur Ausbildung?
Meine damalige Partnerin hatte eine Freundin, die im ersten veganen Fine-Dining-Restaurant in Berlin gearbeitet hat. Ich habe schon immer gerne gekocht und viel experimentiert. Ich habe dort nach einem Praktikumsplatz gefragt. Das habe ich vier Wochen gemacht und dann kamen sie auf mich zu und boten mir eine Ausbildung an. Ich glaube, ich war 2013 der erste, der eine Ausbildung im veganen Fine Dining begonnen hat. 

Ganz ohne Fleisch? 
Nein, und das habe ich als höllische Ungerechtigkeit empfunden, dass man offiziell eineinhalb Jahre Fisch und Fleisch lernen muss. Ich hätte dafür in einem Vollkost-Restaurant arbeiten müssen.  

Wäre das OK für dich gewesen? 
Das dachte ich. Ich wollte damals auch eine Art Exempel statuieren, also zeigen, wie ungerecht es ist, dass ich Fleisch während der Ausbildung zubereiten musste. Obwohl es das augenscheinlich nicht braucht. Einer meiner damaligen Chefs war zum Beispiel sehr engagiert, das auch in öffentliche Diskussionen einzubringen und diesen Sachverhalt gegenüber der IHK zu thematisieren. Ich musste Fleisch auch schon in der Berufsschule probieren. Das hat unglaublich viel Überwindung gekostet. Ich habe es natürlich nicht gegessen, aber ich dachte, ich mache es für die gute Sache. Dann hätte ich das Wissen in der Küche selbst nutzen können, um bessere Alternativen herzustellen. Als ich dann aber wirklich in eine Fleischküche hätte wechseln müssen, konnte ich mir das nicht mehr vorstellen, Fleisch zu verarbeiten. Daher habe ich die Ausbildung abgebrochen. 

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Wie haben sich die anderen Köche in dem veganen Restaurant ernährt?      
Ich war dort nicht nur unter Gleichgesinnten. Viele wollten einfach auf den Trend aufspringen. Wir waren tatsächlich nur zwei bis drei Veganer, wenn überhaupt. Die anderen haben natürlich ihr ganzes Kochwissen eingebracht, aber ein paar Sprüche gab es dann schon mal. Als ich ein veganes Cordon bleu gegessen habe, kam dann mal ein: „Wie kannst du das nur essen?“ Aber die haben im Grunde an die gleiche Sache geglaubt. Viele kamen auch, weil sie mehr regional und weniger verschwenderisch kochen wollten. 

Jordi Ballesté, 29, drittes Lehrjahr auf Rügen

Ein Mann mit Dunklen halblangen Haaren und dunklem Bart schaut in die Kamera

VICE: Wieso machst du die Ausbildung zum Koch? 
Jordi Ballesté:
Ich bin Vegetarier und möchte gerne eine vegan-vegetarische Pizzeria eröffnen. Daher mache ich die Ausbildung, um die Techniken zu lernen. Ich stamme ursprünglich aus Spanien und dachte mir, ich will an einem Ort arbeiten, wo ich mehr Geld verdienen kann. Hier auf Rügen wurde ich direkt angenommen. 

Wie ist die Ausbildung für dich?  
Wir haben diese Woche Fisch in der Schule, das ist schon eine Challenge. Aber ich bin kein Vegetarier aus kulturellen oder religiösen Gründen und habe früher viel Fleisch gegessen. Daher ist es für mich nicht so schlimm, damit zu arbeiten. Es ist eher ein langweiliges Thema für mich, weil es mich einfach nicht so interessiert. Ich schneide zwar nicht gerne Fleisch und habe anfangs im Ausbildungsbetrieb immer andere abschmecken lassen, aber wenn es wichtig ist, mache ich das mittlerweile auch selbst. So einen Schinkensalat muss man eben immer abschmecken. Trotzdem war ich glücklicher, als wir in der Schule Teigwaren behandelt haben. 

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Wie reagieren die Menschen in der Schule und im Betrieb auf deine Ernährung? 
Ich bin in einer Klasse von 30 Schülern und Schülerinnen der einzige Vegetarier. Darüber machen die Leute schon mal einen Spaß, aber sie sagen immer: „Wenn du Veganer wärst, wäre es schlimmer.“ Bei uns ernährt sich keiner vegan. Die meisten regen sich auch eher über veganen Aktivismus auf, sie fühlen sich angeklagt. Wir haben einen Lehrer für Fleisch und Fisch, der sagt, dass Veganer immer ein bisschen krank seien, wenn sie keine Tabletten nähmen. Das meint er aber nicht respektlos. Einmal hat er sogar von einer Familie erzählt, die ihr Baby vegan ernährt hatte, das dann sogar gestorben sei. Das kann schon sein, ich nehme auch Mineralstoffe und Vitamine, zum Beispiel Vitamin B12. Lustig ist aber, dass die Tiere das gar nicht mehr natürlich aus der Erde über die Nahrung einnehmen, sondern mittlerweile auch in die Nahrung gemischt bekommen. Und auch Fleischesser haben häufig Mängel, da die Menschen allgemein so wenig über Ernährung wissen. 

Würdest du dir wünschen, dass sich etwas verändert?
Es gibt eine Weiterbildung, daran würde ich gerne teilnehmen. Aber eine spezielle Ausbildung braucht es nicht. Wie gesagt, ich bin der Einzige von 30. Außerdem hat man weniger Möglichkeiten und muss weniger lernen, wenn man Vegetarier oder sogar Veganer ist. Natürlich könnte man manche Techniken wie Schmoren oder Marinaden einfach auf Gemüse anwenden, aber wie man einen Knochen auslöst, lernt man nicht an einer Karotte. Allgemein muss ich aber zu dem Thema sagen, dass ich nicht verstehe, wieso sich Leute über das Vorurteil lustig machen, dass Asiaten Katzen essen, während hier Kälber im Alter von fünf bis neun Monaten geschlachtet werden. 

Jannik Wend, 24, Koch, Ausbildung in Leipzig

VICE: Wie bist du Vegetarier geworden? 
Jannik Wend:
Eigentlich habe ich bis zum Beginn meiner Ausbildung noch Fleisch gegessen. Dann hat man uns in der Berufsschule ein Video gezeigt, worin man den Weg eines Schweins von der Massentierhaltung bis zum Schlachtbetrieb mitverfolgt hat – ganz unzensiert. Da habe ich einige Zeit später reflektiert und gedacht, dass es schon nicht so geil ist, so etwas zu sich zu nehmen. Außerdem kam bei Netflix die Dokumentation Gamechanger über fleischlose Ernährung. Weil ich gerne Sport mache, hat das dann einfach Sinn gemacht. 

Was wollte man in der Berufsschule mit dem Video erreichen? 
Ich denke, sie wollten ein Bewusstsein schaffen. Damit man, wenn man mal so eine Schulter vor sich liegen hat, auch weiß, wo die herkommt. 

Hast du deinen Lehrern und Lehrerinnen davon erzählt? 
Ein Lehrer hat im Unterricht mitbekommen, dass ich meinen Freunden davon erzählt habe. Der hat mich dann ausgefragt und ich habe ihn überzeugt, die Doku Gamechanger im Unterricht zu zeigen. Ich bin der einzige in meiner Klasse, der kein Fleisch isst, daher waren die Reaktionen meiner Mitschüler eher so: Fleisch ist doch geil! Der Lehrer meinte zumindest, dass er weniger Fleisch isst. Als wir dann aber essen waren, hat er sich direkt ein schönes Stück Fleisch bestellt. Er verschiebt das Verzichten auf Morgen, hat er gesagt. 

*Name geändert

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