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Rassismus

Eine sächsische Schule lehrte bis vor Kurzem "Rassenlehre"

Und zwar nicht im Kapitel "Nationalsozialismus" in Geschichte, sondern in Biologie.
Bildmaterial aus dem Bio-Unterricht in Sachsen Rassismus
Ein Scan aus dem Lehrheft | Foto: Petra Zais | Pressemitteilung

Im Bio-Unterricht einer Oberstufe sollten Schüler und Schülerinnen eigentlich lernen, wie groß die Klitoris ist, wie sie einen Bandwurm loswerden und was mit ihrem Gehirn passiert, wenn sie sich ins Koma saufen. An einer Oberstufe in einer Gemeinde nahe Dresdens brachte das Lehrpersonal den Zehntklässlerinnen aber bis vor Kurzem rassistische Inhalte bei, die sonst eher Neonazis in ihre Hefte schreiben. Und wurde damit nun zum Thema im Sächsischen Landtag.

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Die sächsische Grünen-Abgeordnete Petra Zais stellte im Dezember eine keine Anfrage an die Landesregierung. Darin erklärte die Politikerin, ihr läge eingescanntes Unterrichtsmaterial eines Biokurses für Zehntklässler vor, das die "Rassenlehre des Menschen" behandelt. "Es wurden verschiedene 'Rassenkreise' ausgewiesen", so Zais, "denen typische Hautfarben, Haar-, Nasen- und Gesichtsformen zugeordnet werden mussten." Den Namen und den Ort der Schule, in der die Jugendlichen diese Übung durchkreuzen mussten, nannte sie nicht.

Die eingescannten Seiten stammen wohl tatsächlich aus einem Themenheft mit dem Namen "Naturwissenschaft Biologie, Chemie, Physik – Farben". Das erklärt der sächsische Kultusminister Christian Piwarz in einer Antwort vom 7. Januar. Das Heft stamme aus dem Jahr 1998, schreibt Piwarz, das Kultusministerium unterstütze den Inhalt nicht. Dennoch brauche die Schule keine Genehmigung dafür, das Material auch heute noch zu verwenden.

Beim rassistischen Bio-Material an der Oberschule handele es sich allerdings um einen Einzelfall, schreibt Piwarz. Wenn die Begriffe der "Rassenlehre" in anderen Schulen und Fächern angesprochen werden, passiere das im Rahmen einer kritischen Auseinandersetzung mit der Ideologie des Nationalsozialismus.

Zumindest seit 2004: Davor waren "Menschenrassen" – und damit die Rassenlehre – laut Piwarz nämlich fester Bestandteil des alten Lehrplans und sollten Zehntklässlern "die Stammesentwicklung des Menschen" veranschaulichen. Mittlerweile habe man den Begriff "Menschenrassen" aber aus dem Lehrplan verbannt.

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Die Inhalte aus dem Lehrheft wurden längst wissenschaftlich widerlegt

Wie konnte es dennoch dazu kommen, dass sächsische Schüler und Schülerinnen im Bio-Unterricht Menschen unterschiedlicher Herkünfte nach Nasenform und Haarstruktur kategorisierten? Piwarz zufolge liegt das daran, dass die Inhalte nicht in einem Buch, sondern in einem Heft stehen. Ob das Material es in den Klassenraum schafft, entscheide nicht das Kultusministerium, sondern die Schulleitung. Die hat sich zu der Sache bisher nicht geäußert.

Forschende bezeichnen die "Rassenlehre" längst als "Pseudowissenschaft" oder "rassistische Wissenschaft". Sie sei im Grunde Framing, das rassistische Vorurteile seriös erscheinen lassen soll. Die Genetik hat bewiesen, dass die vermeintlichen Unterschiede zwischen Menschen unterschiedlicher Herkünfte sich nicht eindeutig abgrenzen und in Kategorien einteilen lassen.

In Sachsen sind diese Erkenntnisse anscheinend noch nicht überall angekommen. Und das, obwohl Fachberaterinnen und Experten das Lehrpersonal laut Kultusminister Piwarz regelmäßig über Neuerungen im Lehrplan informieren. Vielleicht wäre es aber auch einfach mal an der Zeit für eine Fortbildung in rassismuskritischer Pädagogik.

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