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Interviews

Interview mit einem Pädophilen

Wenn es um Pädophilie geht, würden viele am liebsten wieder die Todesstrafe einführen. Aber es braucht mehr Offenheit gegenüber diesem Thema, mehr Toleranz und mehr Unterstützung für die, die Unterstützung brauchen.

Foto: CC0 Public Domain

Weil das Internet ein riesiger Stammtisch ist, werden Probleme am liebsten mit Methoden aus dem Mittelalter gelöst. Wie fühlt es sich an, so etwas zu lesen, obwohl man nichts für seine Sexualität kann?

Stell dir vor, du findest jemanden anziehend, den du nicht anziehend finden darfst. Weil du dafür verurteilt wirst, weil du diese Zuneigung nie ausleben darfst, weil beinahe alles, was du tun könntest, das außerhalb deines Kopfes stattfindet, illegal wäre und vor allem, weil du mit der Verwirklichung deiner Phantasien einem Menschen unvorstellbaren Schaden zufügen würdest. Weil es ein Kind ist, das du anziehend findest.

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Ich kann mir nicht vorstellen, wie es ist, pädophil zu sein. Ich habe meine Sexualität nie verstecken, mich dafür nie schämen müssen, oder bin dafür verurteilt worden. Ich erzähle meinen Freunden, wenn mir jemand gefällt, oder wenn ich mich verliebe. Ich kann meine Phantasien ausleben, so wie es der Großteil von uns tun kann. Aber was macht es mit einem Menschen, wenn er das nicht kann?

Ein Pädophiler ist in den Köpfen vieler schnell ein Kinderschänder und was die Gesellschaft zu Kinderschändern zu sagen hat, kann man oft genug lesen: Eier ab, Vogelfrei, Todesstrafe. Für Pädophilie entscheidet sich ein Mensch aber genau so wenig, wie er sich dazu entscheidet, auf Männer mit Bart zu stehen, auf Asiatinnen oder das gleiche Geschlecht. Nur wie ein Mensch mit Pädophilie umgeht, wie oder ob er sie überhaupt auslebt, liegt an ihm und das ist der entscheidende Unterschied. Denn für Pädophilie darf ein Mensch nicht verurteilt werden. Es braucht mehr Offenheit gegenüber diesem Thema, mehr Toleranz, mehr Unterstützung für die, die Unterstützung brauchen. Nur in einer Gesellschaft, die Pädophile nicht zu Kinderschändern erklärt, kann genug getan werden, um zu verhindern, dass sie es jemals werden.

Ich habe mich mit einem jungen Pädophilen getroffen, der mir über seine Neigungen und sein Leben erzählt hat. Elias ist nicht sein wirklicher Name und es ist wichtig zu wissen, dass Elias seine Neigungen nie ausgelebt hat. Er hat mir ein bisschen zu verstehen geholfen, wie es sich anfühlt, ständig Angst haben zu müssen, es könnte jemand erfahren, in welche Menschen man sich verliebt.

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VICE: Wie hast du gemerkt, dass du Kinder anziehend findest?
Elias: Ich war eigentlich schon ziemlich alt, als mir das klar geworden ist, 22 oder 23. Ich bin zu dem Zeitpunkt zu einer Therapeutin gegangen, die damit aber vollkommen überfordert war, das Thema wechseln und mich dann zu einem Spezialisten schicken wollte. Aber es war mir noch nicht vollkommen bewusst.

Es war ein Thema, das ich nicht ansprechen wollte, weil es mir nicht gut ging, ich keine Freundin hatte, auf der anderen Seite aber Männer auch nicht attraktiv fand. Es gab ein Kind, einen Jugendlichen—da war ich eigentlich auch nicht alt—der mich interessiert hat, aber das war schon Jahre davor. Also dachte ich, dass ich vielleicht schwul bin oder vielleicht doch nicht. Mir war alles einfach vollkommen unklar.

Das Thema war dann lange Zeit im Hintergrund. Es war so zurückgedrängt, dass ich mit dem Gedanken gespielt habe, eine Freundin zu haben oder einen Freund. Vor 2 oder 3 Jahren ist es mir dann klar geworden. Es gibt ja Seiten im Internet, die interessant sind—gar nicht unbedingt illegale Seiten—aber Seiten, die interessant sind, weil Jugendliche, gezeichnete oder animierte Sachen, einfach eindeutig keine Erwachsenen drauf sind.

Und dann bist du in Therapie gegangen?
In Therapie bin ich erst vor einem Jahr gegangen.

Und wieso?
Das war eigentlich ohne konkreten Grund, es hat sich sozusagen ergeben, dass ich da wieder mal nachgeforscht habe. Und das war eigentlich eh schon das zweite Mal. Das erste Mal, war ich bei einer gratis Beratung, zu meiner Studienzeit, die wollte mich dann eben weiterleiten, aber das hätte gekostet und ich wollte sowieso nicht irgendwo hin gehen und meinen Namen sagen. Mein jetziger Therapeut hat mir auch gesagt, dass ich der Einzige bin, der ihm nicht seinen Namen gesagt hat. Das möchte ich einfach nicht machen, ich habe einfach Angst davor, dass die Computersysteme von der Polizei gehackt werden, oder von irgendjemand anderem.

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Über so etwas würde ich gar nicht nachdenken …
Ich schalte auch mein Handy ab, bevor ich in Therapie gehe. Das ist sicher ein bisschen übertrieben, aber ich weiß, was möglich ist, auch wenn es unwahrscheinlich ist.

Wie hast du damals gemerkt, dass du pädophil bist?
Es sind zwei Dinge. Zu realisieren, dass man pädophil ist einerseits und wie stark die Pädophilie ausgeprägt ist andererseits. Es war weniger zu akzeptieren, dass ich pädophil bin, sondern eher die Frage, wie weit und wie viel.

Wie pädophil bist du?
Bei mir ist es ganz klar, dass ich nicht kernpädophil bin [Kernpädophile werden ausschließlich von Kindern sexuell erregt], sondern auch bei Frauen sexuelle Regungen habe. Das versuche ich auch in den Vordergrund zu rücken, damit die Pädophilie so wie die Jahre davor in den Hintergrund rutscht. Ich möchte möglichst wenig damit zu tun haben.

Klappt es?
Es funktioniert erstaunlich gut. Meine Sexualität hat sich während der Therapie auch verändert. Das war nicht vorgesehen, es war einfach so. Das Zurückdrängen ist an sich nicht schwer, wenn man gewisse Grundregeln befolgt. Zum Bespiel keine Seiten anschaut, egal, ob legal oder nicht, sonst ist man in dieser Welt und beschäftigt sich damit. Es ist viel leichter nichts damit zu tun zu haben, als sich immer ein bisschen und sich damit zu beschäftigen.

Aber bringt das Verdrängen etwas?
Ich verdränge ja nicht, dass ich pädophil bin, sondern gebe mir einfach keine Gelegenheiten die Pädophilie in den Vordergrund kommen zu lassen. Es hilft mir extrem viel. Für Kernpädophile ist es sehr schwer, weil sie keinen Ersatz haben, aber bei mir ist das ja anders, weil mich Frauen ja auch anziehen. Ich habe ein Freundin und es gibt mir viel sie zu streicheln und mit ihr zu schmusen. Es gibt aber viele Pädophile, denen das gar nichts gibt. Für sie ist es viel, viel schwerer.

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Weiß deine Freundin, dass du pädophil bist?
Ich habe es ihr vor einem halben Monat gesagt. Es war nicht so, wie ich es erwartet habe, aber es hat dann schlussendlich ganz gut funktioniert.

Wie lange seid ihr schon zusammen?
Erst seit Kurzem, seit einem halben Jahr. Ich wollte ihr einfach nichts mehr verheimlichen. Außerdem war das für mich ja nicht so ein Thema. Ich finde es ja nicht prinzipiell schlimm, pädophil zu sein, ich finde es schlimm, Dinge zu machen, die nicht in Ordnung sind. Ihre Reaktion war für mich ein bisschen unerwartet.

Wie hat sie reagiert?
Sie war extrem traurig und hat zu weinen begonnen.

Was hättest du erwartet?
Wut und viel mehr Fragen, aber nicht Trauer. Für mich ist das nichts Trauriges. Ich habe mich auch nie gefragt: „Warum ich?". Es ist halt einfach da. Und so lange ich nicht irgendetwas Falsches mache, dann habe ich nicht das Gefühl, dass es etwas schlimmes ist. Ich habe mich viel öfter gefragt „Wieso habe ich keine Freundin?". Ich habe mir Fragen in diese Richtung gestellt und nicht „Warum bin ich pädophil?".

Also ich komme mit dem Gedanken, dass ich pädophil bin sehr gut zurecht. Was mich stört, sind die Konsequenzen davon. Deshalb war die Reaktion für mich unerwartet. Es hat ein paar Tage gedauert und jetzt habe ich das Gefühl, dass es eigentlich wieder in den Hintergrund getreten ist. Es ist da und ich komme ganz gut damit zurecht.

Seitdem ich sie als Freundin habe, ist es auch viel, viel weniger im Vordergrund, noch viel weniger. Manchmal ist es sogar so, dass ich denke, dass es vielleicht ein Irrtum meinerseits war, was völlig absurd ist. Dann sehe ich wieder ein Kind oder einen Jugendlichen, der mir gefällt, und weiß, dass es doch kein Irrtum war.

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Einfach auf der Straße?
Ja, genau. Auch sehr viel in Filmen.

Aber das sind Burschen?
Ja, Burschen. Ich finde sie einfach sehr interessant und möchte sie noch einmal ansehen, das sind gar keine sexuellen Gedanken.

Wie alt sind die dann?
Das ist nicht so einfach. Aber zirka im Bereich von 10 bis 15. Also Burschen, die deutlich noch nicht in der Pubertät sind, aber auch keine Kinder mehr.

Interessieren dich erwachsenen Männer auch?
Nein. Es gibt Männer, die jung wirken und deswegen interessant sind, die wirken zum Teil auch kindlich. Es ist aber auch bei Frauen nicht der erste Blick. Ich mag meine Freundin wirklich, sie ist wirklich schön, aber ich hätte mich nicht auf der Straße nach ihr umgedreht.

Nach wem drehst du dich auf der Straße um?
Wenn, dann geht der Blick auf die 10-15-jährigen.

Aber bist du mit deiner Freundin zusammen, weil du sie als Menschen gerne hast, oder findest du sie auch anziehend?
Inzwischen finde ich sie sehr anziehend, aber es war sicher nicht auf den ersten Blick.

Das klingt, als würdest du dich irgendwie dazu zwingen, sie anziehend zu finden. Oder es versuchen zu lernen.
Es sind Aspekte an ihr, die ich zu lieben lerne. Ich hab zu Beginn zum Beispiel eher ihren Hintern interessant gefunden, aber man lernt mehr zu lieben. Das weitet sich auf andere Körperteile aus und man fängt an, mehr zu entdecken und mehr interessant zu finden.

Hat sie einen burschikosen Körper?
Nein, das gar nicht.

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Wie schwer ist es, in Therapie zu gehen und darüber zu reden?
In der Therapie fällt es mir leicht. Ich habe eher Angst davor, dort jemanden zu treffen, den ich kenne. Deshalb ist auch mein Handy augeschaltet, damit man nicht weiß, wo ich bin. Damit es gar nicht aufscheint, dass ich bei dem Therapeuten bin. Es sind diese Sachen, die mich stören. Ich habe Angst, dass jemand, der vielleicht schon angezeigt wurde vor oder nach mir einen Termin bekommt oder dass wir uns vielleicht dort treffen.

Ich will nicht von ihm wissen, weil ich nicht weiß, was er schon angestellt hat und ich will nicht, dass irgendjemand, dem ich nicht vertraue, davon weiß. Das sind die Sorgen, die ich dabei habe. Mir war klar, dass ich bei meinem Therapeuten komplett offen sein kann. Dann, wenn ich mir zum Beispiel Seiten (legale) ansehen wollte, tat ich es nicht, weil ich wusste, dass ich es ihm erzählen muss. Mir ist einfach klar, dass ich in der Therapie darüber reden müsste und es nicht verheimlichen kann.

In Österreich gibt es sehr wenige Therapeuten, die sich auf Pädophilie spezialisiert haben, merkt man das?
Ja, das merkt man vor allem an den Kosten. Es ist wirklich teuer. Die Leute, die mit Kinderpornografie erwischt werden, bekommen eine Therapie gratis, während ich 80 Euro bezahlen muss. Und die müssen hingehen. Ich würde gerne hingehen, weil ich es für wichtig empfinde, muss aber viel zahlen. Es muss jeder, der Therapie braucht, auch in Therapie gehen können.

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Ist die Gesellschaft ausreichend über Pädophilie aufgeklärt?
Es wird viel zu wenig gemacht. Oft ist ein Pädophiler gleich ein Kinderschänder und das ist mir sehr wichtig. Ich bin pädophil, das weiß ich, aber ich bin kein Kinderschänder. Es ist als Pädophiler sehr schwer, gegen dieses Vorurteil zu kämpfen. Ich will nicht, dass Menschen wissen, dass ich pädophil bin.

Deswegen gebe ich auch dieses Interview. Ich will, dass Menschen wissen, dass nicht jeder, der pädophil ist, Kinderschänder ist. Man muss sich Gedanken machen, was getan werden kann und nicht einfach alles verbieten. Ich find auch die Diskussion interessant und wichtig, ob man computergenerierte Kinderpornos erlauben sollte. Wobei ich die Antwort nicht weiß. Aber die Diskussion sollte da sein.

Es gibt ja viele Erklärungsversuche für Pädophilie. Hast du da versucht, für dich was zu finden?
Die Frage habe ich mir sehr oft gestellt. Vor allem vor der Therapie. Und ich habe mich auch immer gefragt, was ich in der Therapie sage, wenn ich gefragt werde. Aber es ist nie aufgekommen und irgendwann hab ich es angesprochen und mein Therapeut hat gesagt, dass man nicht weiß, woher es kommt, es aber, und das ist für mich extrem wichtig, ganz egal ist. Es ändert nichts an der Tatsache. Fakt ist: Bei mir gab es bestimmt nie einen offensichtlichen Grund. Wichtig ist, dass man schaut, was man daraus machen kann, aber in der Vergangenheit zu suchen, bringt mich nicht weiter.

Wer weiß, dass du pädophil bist?
Meine Freundin, mein Bruder und mein Cousin. Ich könnte es bestimmt auch meinen Eltern ohne weiteres erzählen, aber es würde sie nur belasten.

Wie haben die anderen reagiert, als du es ihnen erzählt hast?
Mein Cousin hat sehr emotionslos reagiert. Das nächste Mal, als wir uns gesehen haben, war es erledigt, wir haben nie wieder drüber geredet. Es hat ihn bestimmt ein bisschen beschäftigt, aber es war nichts Großes. Mein Bruder ist extrem offen, da war es auch kein Problem. Er hatte viele Fragen, die hab ich ihm beantwortet und dann war es auch irgendwie abgehakt.

Willst du einmal Kinder haben?
Nein. Und ich habe viel darüber nachgedacht, weil meine Freundin welche will. Aber ich kann nicht wirklich sagen, warum ich keine möchte, es hat auf jeden Fall keinen offensichtlichen Zusammenhang.

Hanna auf Twitter: @hhumorlos.