Aaron Bruno wirkt ein bisschen wie die umgekehrte Version von Kafkas Gregor Samsa: So als wäre der kleiner deprimierte Käfer eines Tages als Mensch aufgewacht und müsste sich jetzt in einer Welt durchschlagen, die weder für seine düstere Insektenseele noch seine lange Menschenmähne einen Platz reserviert hat.
Deshalb (und vermutlich aus einigen weniger poetischen, aber viel besseren Gründen) ging es Aaron Bruno lange Zeit nicht sonderlich gut und er widmete sich wehmütig und weltverdrossen dem großen König Alkohol. Als dessen Hofnarr sinnierte Aaron Bruno lange über seine animalische Natur, die instinktive Entfremdung von allem Menschlichen und die beste Pflege für seinen heublonden Haarschopf. Dann gründete er AWOLNATION und wurde nicht nur berühmt, sondern sogar ein bisschen glücklich. Wehmütig ist er natürlich immer noch. Wir haben mit ihm über Musik, L.A., das Meer und 100 Nonnen gesprochen.
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VICE: Du hast erzählt, dass du vor dem Durchbruch mit AWOLNATION ziemlich stark getrunken hast. Wie geht es dir heute? Trinkst du inzwischen leichtere Cocktails als damals?
Aaron: Mir geht es im Moment ziemlich gut, danke der Nachfrage. Ich trinke wahrscheinlich auch dieselben Cocktails wie früher, nur mit weniger Zucker.
Du hast in anderen Interviews schon öfter erklärt, was der Bandname für dich bedeutet. Würdest du sagen, AWOLNATION steht für Weltflucht oder für Rebellion gegen die Kräfte, die einem sagen, wie man funktionieren soll?
Hoffentlich ist es ein bisschen von beidem.
Was man auf dem Album Megalithic Symphony hört, warst laut eigener Auskunft ausschließlich du. Ist deine Musik auch für dich selbst ein Ort, an den du dich flüchtest?
Naja, Musik ist im Allgemeinen eine ziemlich wichtige Fluchtmöglichkeit für mich. Wenn ich Songs schreibe, fühle ich mich frei und bin voller Hoffnung. Mit ein bisschen Glück springt dieser Funke beim Hören auch auf andere Menschen über.
Wie persönlich ist Megalithic Symphony eigentlich.
Extrem persönlich. Trotzdem hatte ich irgendwie das Gefühl, es gehört jedem, der dasselbe in Bezug auf das Leben, Musik, Liebe, Schmerz, Glück und einfach Entdeckung generell fühlt. Das Ding ist mittlerweile definitiv größer als ich.
Songs wie “Sail” funktionieren scheinbar gerade wegen ihrer untypischen, düsteren und seltsamen Qualitäten, mit denen sie sich von fröhlichem Pop abheben. Trotzdem ist Sail längst in auch der Pop-Mitte und wurde mit Dreifachplatin ausgezeichnet. Hast du das Gefühl, dass der Mainstream hungrig nach frischen Einflüssen ist, die schon auch mal ein bisschen gequält klingen dürfen?
Man kann nicht wirklich dagegen ankämpfen. Ich mache einfach weiter und denke gar nicht viel darüber nach, was gerade vom Strom erfasst wird und warum. Ich kann nur direkt beeinflussen, was ich vor mir sehe, wenn mein musikalisches Selbst in den Spiegel schaut.
Magst du eigentlich auch fröhliche Dinge? So, Sachen die Spaß machen? Wie zum Beispiel bunte Kleidung und Comedy?
Ja, tue ich. Ich mag manchmal tatsächlich gern bunte Kleidung, aber auch Comedy, Surfen, die Natur und noch einiges mehr. Allerdings bin ich kein großer Fan von Clubs.
David Lynch, der wie du in L.A. lebt, ist für seine ambivalente Einstellung gegenüber der Stadt bekannt – er macht gerne Videos über das Wetter, kritisiert natürlich das Starsystem und geht absolut nie an den Strand. Wie ist das bei dir?
Anders als Lynch liebe ich das Meer. Ich fühle mich eigentlich nur dort wirklich zuhause. Irgendwie finde ich künstliches Stadtleben inzwischen sehr seltsam. Ich kann mich irgendwie nicht mehr wirklich mit der Stadt identifizieren.
Als ich vor zwei Jahren das letzte Mal am Mulholland Drive war, hatten wir mitten in der Nacht fast einen Unfall, weil eine riesige Eule mitten auf der Straße stand und uns anstarrte. Was war dein seltsamstes Erlebnis in L.A.?
Ich glaube, das Seltsamste ist die Entfremdung von der Stadt. Oder das eine Mal, als ich 100 Nonnen in einem Keller voll mit Waschbären weinen sah. Sie trugen alle Kopfhörer, um sich gegenseitig den Herzschlag der anderen Nonnen anzuhören. Scheinbar klang es gut.
AWOLNATION gibt es in wenigen Tagen schon bei der Frequency-Warm-up-Tour zu sehen. Hier findet ihr Bewegtbild-Infos dazu. Und hier verlosen wir sogar Goodie-Bags mit CDs und Shirts und allem.
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