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Wir waren auf dem Kongress der homosexuellen Polizisten

Und niemand hat YMCA gesungen!

Tom of Finland hat ihn unsterblich gemacht. Den schwulen Cop, der mit seinem eingeölten Schlagstock und seiner fetten Knarre nur darauf wartet, dich erst lang und ausgiebig zu verhören um dich dann, nachdem du ihm die Stiefel saubergeleckt hast, erstmal in eine Einzelzelle zu sperren, wo du überlegen kannst, warum du so ein böser, verdorbener Junge bist. Aber Tom of Finland war auch offensichtlich nie auf der Konferenz der European Gay Police Association. Die Association wurde 2004 gegründet und hat seit dem sechs Konferenzen in verschiedenen europäischen Städten abgehalten. Letzte Woche fand die siebte in Berlin, mit über 200 Teilnehmern aus 13 Ländern statt. Über drei Tage wurden Vorträge über Themen wie Hate Crimes in Deutschland oder Osteuropa gehalten, und man sprach über die Integration von Homosexuellen im Öffentlichen Dienst.

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Und kennt man Polizisten sonst eher, wie sie mit steinerner Mine am Rand einer Demo stehen, Leute zusammenschlagen oder Anzeigen bzw. Platzverweise verteilen und immer als Repräsentanten von „Recht und Ordnung" fungieren, konnte man sich hier davon überzeugen, dass hinter der kalten Fassade tatsächlich doch ein Mensch steckt. Das sonst Private war öffentlich, und die Staatsdiener wurden plötzlich zu Menschen.

Carly Humphreys, England

VICE: Wie ist es, eine lesbische Polizeibeamtin in Großbritannien zu sein?
Ich bin seit circa sechs Jahren bei der Polizei, aber ich denke, die wirklich wichtige Arbeit wurde schon vor meiner Zeit von den Großen der Schwulen und Lesben-Gruppen geleistet. Angefangen in der Zeit, als es verboten war, öffentlich homosexuell zu sein oder seine sexuelle Orientierung in der Polizei preiszugeben, haben sie in den letzten 30 bis 40 Jahren wirklich hart dafür gekämpft und viel erreicht.

Haben deine Kollegen dich akzeptiert?
Vor sechs Jahren begann ich für das Polizeidepartment in Surrey, in der Nähe von London, zu arbeiten und ich bin wirklich mit offenen Armen empfangen worden. Mir ist sogar ans Herz gelegt worden, zu Veranstaltungen wie dieser zu kommen, um die Möglichkeit zu haben, mich weiterzubilden, damit ich anderen Schwulen und Lesben innerhalb der Polizei zur Seite stehen kann.

Du hattest dich also schon geoutet, bevor du bei der Polizei angefangen hast?
Bevor ich bei der Polizei angefangen habe, habe ich bei einer Behörde gearbeitet, und ich kann mich daran erinnern, dass jemand an meinem ersten Tag einen homophoben Witz gemacht hat. Von diesem Tag an war für mich klar, dass niemand wissen konnte, dass ich eine Freundin hatte. Ich habe mich ziemlich mies gefühlt, da ich nichts gesagt habe.

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Als ich dann bei der Polizei angefangen habe, habe ich mir geschworen, dieses Mal besser mit der Situation umzugehen, keine Geheimnisse zu haben und über meine Partnerin als meine Freundin zu sprechen.

Wie reagierst du, wenn du Zeuge von Gewalt gegen Schwule oder Lesben wirst, ist das etwas, das dich mehr belastet als heterosexuelle Kollegen?
All die Dinge, in die man sich selber hineinversetzen kann, können einen schon mitnehmen. Zum Beispiel kann ich mir gut vorstellen, wie es ist, als lesbische Frau auf der Straße verbal attackiert zu werden. Ich erlebe das auch ab und zu und zeige das nicht gleich an, was ich vielleicht sollte. Man beginnt, sich an diese negativen Kommentare zu gewöhnen.

T. & B., Belgien

VICE: Wie ist es, ein schwuler Polizist in Belgien zu sein?
T.: Ich habe keine Probleme damit. Alle meine Kollegen fanden es gut, als ich mein Coming-out hatte. Sie waren sehr interessiert, wie das Leben als schwuler Mann so ist. Sie wollten sogar echt viele Details wissen, vor allem die Frauen. Aber ja, sie waren sehr neugierig und unterstützen es.
B.: Ich habe auch keine Probleme. Es wird akzeptiert, aber es soll halt nicht so öffentlich gezeigt werden.

Seid ihr ein Paar?
T.: Nein. Wir sind beide in unterschiedlichen Einheiten, haben deswegen auch unterschiedliche Chefs.

Verdammt. Wart ihr beide schon offen schwul, bevor ihr bei der Polizei angefangen habt?
B.: Ich war erst bei der Polizei und mein offizielles Coming-out war später. Unter den Kollegen wurde schon gemunkelt. Ist der schwul? Ist er es nicht? Aber als ich dann den Mut gefasst hatte, gab es dann aber auch keine Probleme.
T.: Ich war schon geoutet, als ich zur Polizeischule ging. Ich bin niemand, der den Raum betritt und rausposaunt: „Hallo, hier bin ich und ich bin schwul!" Ich hab einfach nur mein Ding gemacht und nach ein paar Wochen kamen ein paar Kollegen dann zu mir und fragten mich, ob ich vielleicht schwul sei. Ich dachte mir, wenn sie schon die Eier haben, mich danach zu fragen, werde ich auch antworten.
B.: Ich hatte bei der Aufnahmeprüfung für die Polizeischule schon ein bisschen Angst davor. Ich hab mich gefragt, ob Homosexualität und Polizei überhaupt auch zusammenpassen. Im Nachhinein waren meine Ängste aber unbegründet.

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Ich hätte nicht unbedingt gedacht, dass es viele schwule Polizisten gibt. War das ein Hinderungsgrund für dich? Etwas, wovor man vielleicht sogar Angst hatte?
T.: Ich hatte eigentlich keine Angst. Bevor ich zur Polizei kam, hatte sich der damalige Polizeidirektor gerade geoutet. Mittlerweile ist er der Polizeidirektor der Polizei von Antwerpen. Es gab sehr viele Artikel in der Zeitung über dieses Thema. Es gab viele Reaktionen, aber meistens waren sie positiv. Für mich war es gar keine Frage, ob entweder schwul oder Polizei. Schwulsein ist mein Ding und Polizeiarbeit ist eben auch mein Ding.

Ann Grießbach-Baerns, Deutschland

VICE: Wie ist es für Sie als Lesbe in der Berliner Polizei?
Ich hatte hier überhaupt keine Probleme, als ich mich geoutet habe, bei den Kollegen war das kein Thema.

Wie haben SIe sich bei den Kollegen geoutet?
Ich habe meine Ausbildung schon begonnen, als ich 16 war. Das ist so das Alter, wo man das selber noch nicht so genau weiß—doch, man wusste es schon, aber man geht damit nicht hausieren.

Man kann mit 16 schon eine Ausbildung zur Polizistin machen?
Ja, eben nach der zehnten Klasse. Ich bin also in Beides zusammen reingewachsen. Man wird älter und im Laufe der Jahre spricht man auch ganz normal darüber.

Und das funktioniert gut?
Genau. Ich bin auch keine Minderheit, wir sind viele schwule sowie lesbische Kollegen auf der Dienststelle, und falls jemand von einer Minderheit spricht, kann ich nur sagen, dass wir schon fast die Hälfte sind [lacht].

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Wo ist Ihre Dienststelle?
Ich bin an der Landespolizeischule und bin dort Ausbilderin.

Wie reagieren Sie auf homophobe Gewalt? Ist es für Sie etwas anderes als für einen heterosexuellen Kollegen/in?
Das würde ich nicht sagen. Ich denke aber, dass ich manche Straftaten durch meinen Hintergrund besser erkenne und hinterfrage. Dadurch kann ich die Kollegen ein bisschen sensibilisieren, sowohl in der Dienststelle als auch an der Landespolizeischule, und sie erkennen lassen, ob das begangene Verbrechen vielleicht einen homophoben Hintergrund hat.

Wie schätzen Sie die homophobe Gewalt in Berlin generell ein?
[Lacht] Ich kenne die Statistiken, aber ich soll die Frage ja privat beantworten. Ich denke natürlich, dass noch viel Aufklärungsbedarf besteht. Die Dunkelziffer ist natürlich sehr hoch. Die Opfer sollten mehr dazu ermutigt werden, auch eine Anzeige zu erstatten. Ich denke also schon, dass homophobe Gewalt in Berlin noch weiter ein großes Thema ist.

Josef Hosp, Österreich

VICE: Wie ist es, ein schwuler Polizist in Österreich zu sein?
Josef Hosp: Ich war am Anfang 24 Jahre beim Zoll und bin dann zur Polizei gewechselt. Seit 1991 bin ich offiziell geoutet und habe massives Mobbing erlebt. Man hat versucht, mir mein freies Ausleben meiner Sexualität madig zu machen und zu unterdrücken. Ich habe meinen Weg aber immer beibehalten und bin jetzt in einer führenden Position. Im Vergleich zu früher ist es schon deutlich besser geworden. Vor allem für die jungen Kollegen.

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Wann haben Sie angefangen?
Ich habe 1981 beim Zoll angefangen und mich 1984 im kleinen Rahmen geoutet. 1991 hatte ich dann eine Personalratsfunktion und war somit auch politisch tätig und wollte mit meinem Outing eine Art Zeichen setzten. Ich würde das heute auch wieder machen.

Wie war das Coming-out?
Recht schlimm. Ich hatte mich im Rahmen eines Lehrgangs geoutet, und am nächsten Tag wurde ich in die Kanzlei der Schule zitiert. Mir wurde dann ausdrücklich gesagt, dass man über solche Themen in der Schule nicht spricht, und wenn ich weiter über dieses Thema sprechen würde, könne man mir nicht versprechen, dass ich den Kurs positiv absolvieren würde. Als nächstes ist dann mein Zimmerkollege ausgezogen, weil er Angst davor hatte, dass man ihm Homosexualität unterstellen würde. Nach dem Lehrgang kam ich dann auf die Dienststelle zurück, um zu erfahren, dass ein Großteil meiner Kollegen sich weigerte, mit mir den Außendienst zu machen, weil sie sich ständig für einen schwulen Kollegen rechtfertigen müssten. Ich wurde dann befördert, aber ich durfte nur den Innendienst machen. Das war nicht wirklich was für mich. Ich bin ein Mensch, der gerne draußen ist und den Kontakt zu anderen Menschen pflegt.

Wie reagieren Sie auf Hate-Crimes oder homophobe Übergriffe?
Die Wahrnehmung ist sicherlich eine andere. Ich habe es selber erlebt. Ich bin mit Schusswaffen bedroht worden.

Als Sie privat unterwegs waren?
Ja, als Privatmann, als schwuler Mann. Deswegen hat man einen besonderen Zugang zu solchen Sachen. Jeder, auch wenn es nur ein verbaler Übergriff ist, schmerzt, auch wenn man das nicht immer offen zeigt.

Fotos: Grey Hutton

UPDATE, 15.08.2016: Auf Wunsch eines/einer Protagonisten/-in haben wir ein Interview entfernt, um seine/ihre Identität zu schützen.