Besonders Frauen durchleiden ihre größten Alpträume, wenn sich jemand mit einer Schere ihren Haaren nähert. Anders lässt sich nicht erklären, warum bei der Umstyling-Folge von Germany's Next Topmodel reihenweise Kandidatinnen mit Heulkrämpfen zusammenbrechen. Aber auch beim Friseur um die Ecke ist dieses Szenario möglich. Einige reagieren mit tiefer Trauer über den Verlust ihrer bisherigen Frisur, andere werden wütend. So auch eine Frau aus München, die ihrer Friseurin sagte sie wolle aussehen wie die Bloggerin Xenia Overdose, aber am Ende mit "dottergelben" Haaren den Laden verließ. Sie verklagte die Friseurin auf Schmerzensgeld und Schadensersatz aber verlor vor Gericht.
Wir haben das zum Anlass genommen, Leute zu fragen, wie sie beim Friseur traumatisiert wurden.Eigentlich bin ich eine Frau mit stolzer Kurzhaarfrisur. Ich hatte mir vorgenommen, bevor ich 30 Jahre alt werde, noch einmal lange Haare zu haben und irgendwie nochmal Mädchen zu sein. Ich ließ sie wachsen, was ein gesundes Selbstbewusstsein erfordert. Die kleinen Haare kriechen dir im Nacken den Hals hinab, Fransen hängen platt auf der Stirn. Dann stand der 60. Geburtstag meiner Mutter in der niedersächsischen Provinz an. Dort würden sehr, sehr viele Fotos gemacht werden. Mein Haar wuchs, aber mein Selbstbewusstsein schrumpfte, mit dieser Frisur dort aufzutauchen.Einen Tag vor dem Geburtstag kapitulierte ich und ging zum einzigen Friseur im Ort, der Samstag noch geöffnet hatte. Die Frau auf dem Poster am Eingang hatte blonde Blocksträhnen, die Friseurtische waren mit Birkenfurnier beklebt und ich hätte skeptisch werden sollen. Aber hey, ich sah mittlerweile aus als säße mir ein kackbraunes Wollknäuel auf dem Kopf und das musste weg. Für meinen Spontanbesuch wurde mir eine storchenbeinige Mittfünfzigerin zugewiesen, die mein Haar nicht wusch, sondern nur mit Wasser besprühte. Sie ging forsch ans Werk, zwirbelte meine Strähnen und schnitt sie einfach ab. Ich wollte schreien, aber entschloss mich dazu, ihr ein altes Foto von mir zu zeigen und freundlich zu sagen: "So hätte ich es gern." So ähnlich würde es werden, fertigte sie mich ab.
Magdalena, 28: "Es blieben nur zentimetergroße Haarpalmen"
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Auf meinem Kopf befanden sich aber zum Ende nur unzählige zentimetergroße Haarpalmen … Ich konnte keinen Zopf machen oder es anders kaschieren. Also heulte ich drei Minuten, trug Lippenstift auf und ging zu der Feier.Meine Haare sind straßenköterblond, das mochte ich nie. Aber meine Eltern haben mir gesagt, vom Färben könnte ich Krebs bekommen. Das habe ich lange geglaubt, aber mich vor drei Jahren dazu entschieden, sie zu färben. Ich wollte brünett werden und das lieber beim Friseur machen lassen als mit einer Billigfärbung aus der Drogerie. In meinem Ort gab es nur zwei Friseurläden, bei einem war ich schon zehn Jahre Stammkundin. Dort hatte nur die neue Azubine Zeit, wir suchten eine Farbe aus und sie legte los. Als ich unter der Haube saß, war ich noch sehr aufgeregt. Nach dem Auswaschen legte sich die Euphorie und gipfelte darin, dass ich nach dem Trockenföhnen losheulen musste. Ich hatte knallorangene Haare und durch meine kurzen Locken sah ich aus wie Pumuckl. Die Azubine ließ mich heulen und verschwand einfach hinten im Laden. Es dauerte drei Taschentücher voller Tränen, bis sie wiederkam und emotionslos sagte: "Oh da habe ich wohl die Farben vertauscht… aber sieht doch trotzdem toll aus. Mal was Neues, so frech!" Die Trauer schlug in Wut um, ich wollte, dass sie sofort neu färbt aber sie hatte Feierabend und meinte ich solle mich nicht so anstellen. Ich gab auf und dachte ich übertreibe.Ein paar Tage später traf ich die Ladenbesitzerin beim Einkaufen, die aufschrie, als sie mich sah: "Oh Gott, wer war das denn?" Ich klärte sie über ihre Auszubildende auf. Sie zwang mich, noch abends in ihren Laden zu kommen, zum Überfärben. Es sei geschäftsschädigend für sie wenn ich so herumlaufen würde. "Rote Haare haben nur Inzest-Kinder", sagte sie und ich fühlte mich als frisch gebackene Rothaarige so minderwertig wie noch nie. Sie färbte meine Haare brünett. Am nächsten Morgen hatten meine Haare zwar keinen Rotstich mehr, aber dafür mein Gesicht. Ich hatte eine allergische Reaktion auf das Färben. Heute bekomme ich beim Anblick von Färbemitteln direkt einen Juckreiz und werde das nie wieder machen.
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