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LGBTQ

Debatte über Unisex-Toiletten: Ein Transmann erzählt, was ihm wirklich wichtig ist

"Die Ärztin fragte: 'Haben Sie einen Penis?' Ich fragte: 'Ist das wichtig für die Behandlung meiner Grippe?' Sie sagte: 'Nein, ich finde es nur interessant.' Dann lachte sie."

In Berlin brodelt gerade wieder die Unisex-Toiletten-Debatte. Der Berliner Justizminister und Leiter der Antidiskriminierungsstelle von den Grünen fordert Unisex-Klos in Berliner Behörden. Die Kosten für zehn Umrüstungen liegen bei 5.000 Euro. Die AfD echauffiert sich.

Oft wird dieses Thema allerdings ohne Menschen diskutiert, deretwegen die Unisex-Toiletten überhaupt angedacht waren. Um Intersexuelle, die biologisch weder Mann noch Frau sind, oder um Transgender-Personen. Das sind Menschen, die ihren Körper von Mann zu Frau oder von Frau zu Mann angleichen lassen und dann vor absurden Fragen stehen: Was mache ich, wenn es nur ein Pissoir gibt, ich wie ein Mann aussehe, aber noch keinen Penis habe? Was mache ich, wenn ich mich wie eine Frau fühle, aber noch wie ein Kerl aussehe? Wie erkläre ich den Frauen dann, dass ich kein Spanner bin?

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Vince, 28, ist ein Transmann und hat letztes Jahr die Ausstellung "Millionaires can be trans** // you are so brave**" co-kuratiert. Wir haben ihn gefragt, was er von der Debatte in Berlin hält.

VICE: Berlins Justizsenator will Unisextoiletten in öffentlichen Gebäuden. Die AfD regt sich auf, dass das mit Steuergeldern finanziert werden soll.
Vince: Zuerst einmal: 5.000 Euro fallen bei den Summen, um die es in der Finanzierung von Gebäuden geht, überhaupt nicht ins Gewicht. Ich verstehe die Aufregung nicht. Die AfD prangert das an, damit sich ihr Publikum über Unisex-Toiletten aufregen kann.

Wie wichtig sind denn Unisex-Toiletten und sollte die Politik deiner Meinung nach dafür Geld ausgeben?
Klar machen sie das Leben vieler Transpersonen leichter und ich finde es super, wenn es sie gibt. Aber Unisex-Toiletten sind mein kleinstes Problem. Es gibt 10.000 Dinge, die für Transgender-Menschen wichtiger sind als Toiletten. Trotzdem reden alle nur darüber.

Unisex-Toiletten sind also überbewertet?
Ich finde Unisextoiletten super und ich sehe nichts, was dagegen spricht. Schließlich kann sie jeder benutzen. Aber ich habe manchmal wirklich das Gefühl, Menschen denken, es wäre das größte Thema für Transpersonen. Gestern habe ich zum Beispiel in einem Café ein Gespräch mitgehört. Da saß eine Familie mit drei Kindern. Die Mutter erklärte, für Transgender-Menschen sei es sehr wichtig, dass sie aufs Klo gehen können und deshalb brauchen sie Unisex-Toiletten. Das stimmt, dachte ich. Und auch super, dass sie ihre Kinder für das Thema sensibilisieren will, aber es ist nicht der wichtigste Punkt.

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Was ist denn das Wichtigste?
Es fängt bei der medizinischen Versorgung an. Stell dir vor, dein Bein ist gebrochen, und du musst befürchten, dass ein Arzt sagt: Oh, damit kenne ich mich leider nicht aus, ein gebrochenes Bein, damit hatte ich noch nicht zu tun. Ob eine Transperson einen Arzt findet, der sich mit Geschlechtsangleichung auskennt, hängt noch sehr davon ab, wo sie lebt. In Berlin lief bei mir alles ohne Probleme. In Foren lese ich aber oft von Betroffenen aus Bayern und Sachsen, dass die Schwierigkeiten haben.

Es gibt also zu wenig Spezialisten.
Es geht nicht nur um Spezialisten, sondern einfach um unangenehme Kommentare. Ich war zum Beispiel letztens in einer Kleinstadt beim Arzt, wegen einer Grippe. Die Ärztin fragte: "Haben sie einen Penis?" Ich fragte zurück: "Ist das wichtig für die Behandlung meiner Grippe?" Sie sagte: "Nein, ich finde es nur interessant." Dann lachte sie. Und einmal kam ein Freund von mir, ebenfalls ein Transmann, wegen einer Lungenentzündung ins Krankenhaus und der Arzt sagte: "Lungenentzündungen haben ja oft HIV-positive Menschen."

Welche Dinge laufen noch falsch?
Die Suizid- und Arbeitslosenquote unter Transgender-Personen ist noch immer sehr hoch.

Im letzten Bericht der "U.S. Transgender Survey" des National Center for Transgender Equality steht auch, dass die Arbeitslosenquote unter Transpersonen in Amerika mit 15 Prozent dreimal höher ist als beim Durchschnitt. Was denkst du, warum ist das so?  
Für viele ist es schwer, einen Job zu finden, wegen verständnisloser Arbeitgeber oder unbehandelten Depressionen. Einen Job zu haben ist aber wichtig, um am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Für Transgender-Personen ist es ausschlaggebend, an gute Therapeuten zu geraten. Auch das ist nicht gegeben. Mein erster Therapeut wusste zum Beispiel sehr wenig über Transgender, die meisten Informationen habe ich mir aus dem Netz geholt. Dass Ärzte und Therapeuten geschult werden, ist mir viel wichtiger als Unisex-Toiletten.

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