Im BMW meines Freundes liegt noch immer eine Ausgabe des GAP mit dessen besten Cover aller Zeiten: Das fleischfarbene ORF-Logo auf einer Scheibe Extrawurst.
Ein paar Monate später ist der ORF nun durch Dieter Bornemann und seine Social Media Guidelines für ORF-Redakteure noch näher an das Image einer medialen Extrawurst gerückt. Publikumshelden wie Armin Wolf scheinen sich der Rolle der Mittelmässigkeit bewusst zu sein. Andere nicht.
Natürlich: Beim Essen und beim Sex darf man sich nicht schämen. Insofern sei jedem seine Extrawurstsemmel gegönnt. Aber gerade dann sollte man Extrawurst eben Extrawurst sein lassen. Wegen ihrer Volksnähe, Unaufgeregtheit und Ehrlichkeit. Sie aber als Roastbeef zuzubereiten, um neuen Besuch zu beeindrucken, wird in die Hose gehen; sogar wenn man die Extrawurst mit Ruccola garnieren sollte.
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Genau dies passiert aber gerade jetzt Im ORF: Redakteure versuchen durch Twitter die österreichische Extrawurst ORF, in seiner waschlappenartigen Konsistenz und Geschmacklosigkeit – durchaus in einer positiven Weise identitätstragend – ein neues, moderneres, bürgernäheres Image zu verleihen. Ein Image, das der ORF oder auch die ZiB, nicht gerecht werden können.
Dadurch dass der ORF bis dato nur eine qualitativ minderwertige “tvThek” auf die Beine gestellt hat, und auch sonst keinerlei eigene Internet-Präsenz – außer eine Art Nachrichtenagentur-Sammelbecken namens www.orf.at – zustande bringt, ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk hierzulande auf Facebook angewiesen. Durch das neue (z.T. fragwürdig strenge) ORF-Gesetz werden Facebook-Pages und Auftritte dem ORF jedoch untersagt. Natürlich ist es tragisch, dass es zu diesem Punkt kommen musste, während andere europäische TV-Sender schon längst eigene Wege der 2.0-Kommunikation gefunden haben.
Tragischer ist jedoch, dass nun die ORFler wie kleine, um ihr Spielzeug weinende Kinder, herumschmollen, statt sich wie Erwachsene ihr eigenes Spielzeug zu kaufen oder zu erschaffen. (Und mit ihnen weinen natürlich ganze Horden von FM4- und Armin Wolf Jünger von Bregenz bis Pressbaum, anstatt sich zu freuen einer Facebook-Einladung von Thomas Brezina gerade mal davongekommen zu sein) “Netzaffine Kollegen,” wie sie sich selber nennen, stehen nun rund um Dieter Bormann in grauen Anzügen bereit, um total radikal und subversiv, ja geradezu jugendlich modern, dieses Facebook-Verbot zu umgehen: Nämlich auf privatem Wege, auf Twitter.
Im Gegensatz zu Armin Wolf, der Twitter aus ehrlicher Neugierde entdeckte und wahrscheinlich auch unabhängig seines Beschäftigungsverhältnisses beim ORF nutzen würde und gerade deswegen authentisch wirkt, werden nun ORF-ler von Kollegen ermuntert, durch ihre Präsenz im Web 2.0 das Medienunternehmen Bürger- bzw. Beitragszahlernäher zu machen. Ähnlich wie Papst-SMS an Gläubige während der Fastenzeit.
Warum dieser Weg nicht nur unproduktiv, sondern auch gefährlich ist, beweist das an die Medien verschickte Papier “Social Media Guidelines für ORF-Mitarbeiter.” Für alle nachlesbar, wird dort im Namen der Unternehmenskorrektheit ermahnt, aufzupassen, welche Freunde man auf Facebook hat, was man Kritisches über den ORF sagt und an welchen Demonstrationen man teilnimmt. Schlichtweg: die Verwischung der Grenze zwischen Person und Profession, aus intellektuellem Starrsinn, im Namen des Unternehmens-Wohles. So als ob unser aller Staatsfunk nun von irgendwelchen Austro-Newt-Gingrichs heimgesucht wird, die meinen, Bill Clinton solle zum Wohle der Nation zurücktreten, wenn er einer Praktikantin verfällt. (Falls Bill Clinton in Italien wohnen würde, eine Bandana über seine Glatze gezogen hätte und die Praktikantin 15 Jahre alt gewesen wäre, wäre die Sache natürlich anders, weil das nach StGb strafbar ist.)
Es scheint also für diese schulisch denkenden Menschen, die “out-of-the-box-Denken” in teuren Kreativ-Kursen lernen, undenkbar, dass eine Privatperson, die sich für Tierrechte engagiert, wenn sie ins TV-Studio eintritt, genau diese Gruppierungen nicht mehr journalistisch, kritisch durchleuchten könnte. Sogar Pornostars können privat Anderes twittern als das, was sie vor der Kamera professionell vorleben. Und trotzdem und gerade deswegen für ihre Professionalität geschätzt werden.
Authentizität kommt eben von griechisch Autos=selbst, und ob nun zwei oder 200 ORF-Redakteure twittern, bleibt das ganze Unterfangen, wenn sie nicht selber denken können – geschweige denn wollen – ein wenig fruchtlos. Zum Teil fehlende journalistische Kompetenz in den Windschatten von twitternder Schnelligkeit zu setzen und durch virales Nachahmen zu kompensieren, wird nur kurzfristig helfen und im Endeffekt die Lage verschlimmern. So wie wenn die DDR die digitale Revolution noch miterlebt hätte: also ein Ossi-China.
Eine ehrliche Extrawurst hat eben seinen Reiz. Und kann im Rahmen seines Milieus durchaus den Bedürfnissen angepasst werden. Ihn jedoch mit Rucola zu pimpen, ist nur für Leute, die ob ihrer Herkunft Komplexe haben oder die nichts vom Essen verstehen, eben jene, die glauben, dass in der italienischen Küche Basilikum wichtiger wäre als Petersilie. Weil sie es irgendwo in einem Food-Blog gelesen haben.
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