Die 5 (scheinbar) beschissensten Jobs in der Musikwelt

Musiker ist für die meisten ein Traumjob. Ein bisschen Fame, ein paar auf die Bühne geworfene H&M-BHs, ein bisschen Glitzer Glitzer. Sofern man nicht gerade Bassist ist, hat das Leben als Musiker doch einen recht geilen Ruf. Das Hobby zum Beruf machen, viel reisen, sich im Backstage-Bereich besaufen, neue Leute kennenlernen—ihr könnt es euch ja vorstellen. Daneben gibt es im Business aber noch jene Kollegen, deren Job kein Stück des Glamourkuchens abbekommen hat: Bassisten. Alleinunterhalter. Bassisten. Imitatoren. Bassisten. Busfahrer. Bassisten. Hochzeits-DJs. Ah, und Bassisten.

Ich habe mich mit fünf Menschen aus der Branche unterhalten, deren Berufe zwar wenig glamourös anmuten, die überraschenderweise aber doch irgendwie gar nicht mal so übel sind. Wie sie zumindest selbst behaupten.

Videos by VICE

1. Hochzeits-DJ

Wer denkt, dass DJs nur jene schwarz gekleideten Gestalten mit den riesigen Headphones sind, die ihr durch das Zwielicht des Clubs erspähen könnt, der irrt. Es gibt auch solche, die bereits am Nachmittag Stimmung machen—und wir sprechen nicht von der Afterhour. Hochzeits-DJs zum Beispiel. DJ Markus Schuh ist DER Hochzeits-DJ Deutschlands. Das sagt uns nämlich schon seine Homepage: www.der-hochzeits-dj.de. Er hat uns erklärt, warum Hochzeits-DJs eigentlich die einzig richtigen DJs sind und was passiert, wenn er seinen Tusch spielt.


Foto: Symbolbild // Flickr // Craig Pokorny // CC 2.0

Noisey: Viele Leute unterstellen Hochzeits-DJs, dass sie keine richtigen DJs sind. Wie siehst du das?
DJ Markus Schuh: Gegenfrage: Was sind denn richtige DJs? Wenn ein Handwerker einmal für seine Firma und einmal für sich privat ein Haus baut, dann ist er immer noch derselbe Handwerker, oder? Was ich damit sagen will, ist, dass der Club-DJ nahezu jedes Mal das gleiche Set spielt, wie ein Roboter, der macht jedes Mal dasselbe. Wenn man einmal herausgefunden hat, worauf die Leute tanzen, ist das ja nicht sonderlich schwer. Ein Hochzeits-DJ muss sich individuell anpassen und muss wesentlich mehr Musik dabeihaben, da wir auf Musikwünsche eingehen. Ich sehe es daher so, dass die Hochzeits-DJs, also die vermeintlichen „Nicht richtigen“-DJs, mehr leisten, als die in der Diskothek. Und ich habe das Glück, dass ich nicht die Charts rauf und runter spielen muss wie so ein Diskotheken-DJ, ich kann mir selbst aussuchen, ob ich das jetzt spielen möchte oder nicht. Dort hätte ich sonst Zwergenaufstand und die ganzen Kiddies stehen da: Du musst Sido nochmal spielen, unbedingt! (lacht)

Hattest du eine professionelle Ausbildung?
Nein, so etwas kann man leider nicht lernen. Es gibt keine professionelle Ausbildung—weder für den Diskotheken-DJ, noch für den Hochzeits-DJ. Das ist alles learning by doing. Man wird dann halt gebucht und wächst da hinein.

Ist es dein Hauptberuf? Traumberuf?
Ja, das ist wirklich so. Ich hab zwar einen normalen Beruf gelernt, aber mein Onkel hat mir damals geraten: „Wenn du dich selbstständig machst, dann mach etwas, das dir Spaß macht.“ Und es macht mir tatsächlich Spaß, es ist mein Traumberuf. Ich mache es seit 20 Jahren, am Anfang noch in Diskotheken, aber davon kann man kaum noch leben weil die Besitzer genau wissen, dass man ohnehin jeden Abend dasselbe macht. Seit 12 Jahren bin ich Hochzeits-DJ und da verdient man wesentlich mehr.

Darfst du deine eigene Musik auflegen oder gibt es da Anweisungen vom Brautpaar?
Es ist so, dass die Brautpaare mir eine gewisse Vorstellung ihrer Party in Form eines Fragebogens abgeben. Ich frage sie also, wie viel Rock, wie viel House, wie viel Freestyle sie haben wollen und richte daran mein Programm aus. Zusätzlich lege ich kleine Musikwunschkarten aus und die Gäste dürfen sich darauf Musik wünschen. Grob kann man sagen, dass 25% das Brautpaar bestimmt, 25% von den Gästen gewünscht wird und zu 50% ich die Musik bestimme.

Was sind die meistgespielten Songs?
Die meistgespielten und die meistgewünschten gehen ein bisschen auseinander. Die meistgewünschten sind meistens aus den Charts. Die absolute Nummer ist ist seit letztem Jahr „Atemlos“ von Helene Fischer. (lacht) Da kann man Wetten drauf abschließen, dass auf den ersten zwei Musikwunschkarten mindestens einmal Helene Fischer draufsteht. Ich finde sie ja auch toll, aber ich höre das mittlerweile zweimal pro Wochenende, wenn’s schlecht hergeht dann überhaupt gleich zehnmal.

Moderierst du Spiele?
Selbstverständlich. Ich mache aber nur Tanzspiele, ich als Profi möchte den Gästen nicht die Spiele wegnehmen. Ich habe sogenannte Animationsspiele, die sind auch sehr sehr lustig und die Leute kommen alle auf die Tanzfläche.

Machst du auch Ansagen?
Ja, Moderation in dem Sinn ist, dass ich der rote Faden durch die Veranstaltung bin. Immer, wenn ich einen Tusch spiele, dann wissen die Leute, dass gleich etwas gesprochen wird. Dann sage ich zum Beispiel, dass jetzt die Hochzeitstorte angeschnitten wird. Es hängt aber vom Brautpaar ab, wieviel ich moderiere.

Welchen Song spielst du, wenn keiner tanzt?
„Atemlos“! (lacht) Wenn ich ein älteres Publikum habe, also, sagen wir ab 40 aufwärts, ist mein Geheimtipp „Du hast mich tausendmal belogen“ von Andrea Berg. Bei den Jüngeren ist es so etwas wie „Blurred Lines“, da kommen sie alle herausgehüpft. Dann gibt es natürlich noch die Standard-Tänzer, die rauskommen, sobald ich einen Walzer auflege oder eine ChaChaCha-Runde ankündige.

Darfst du am Buffet mitessen?
Ja! Zumindest manchmal. (lacht) Witzigerweise ist es so, dass wenn die Menschen nicht so viel Geld haben und aufs Budget schauen müssen, ich immer mitessen darf. Sobald jemand viel Geld hat, dann setzen sie einen raus, ich werde von der Gesellschaft quasi ausgelagert und darf mir was von der Karte bestellen. Ich bestelle dann immer das Teuerste (lacht) Nein Spaß, ich esse dann meistens einen Salat.

Kann man dich auch für Scheidungspartys buchen?
Also, ich mache dafür keine Werbung, das ist ja schon ziemlich makaber, so als ob man zu einer Geburtstagsparty einen Bestatter einladen würde. (lacht) Aber ja, das habe ich einmal gemacht, da haben die Eltern zu ihrer Scheidung eine Party gegeben, um ihren drei Kindern zu zeigen, dass immer noch alles gut ist. Was mich wundert ist, dass du mich jetzt gar nicht nach lustigen Ereignissen gefragt hast. Ich habe da ein paar lustige Geschichten!

Oh! Die würde ich natürlich sehr gerne hören!
Einmal stand auf einem Musikwunschbogen fast ausschließlich Techno, sonst nichts.. Ich dachte, dass ich da erst ganz vorsichtig anfangen werde, aber als ich die Gesellschaft sah, da war mir alles klar. Da hatten selbst die Omis und Opis pinke Haarsträhnen, alle im Lederlook und Raveroutfit mit Schlaghosen, und die sind dann alle auf der Tanzfläche gestanden und haben geraved, das war sehr lustig. Und einmal, da war die brasilianische Braut so temperamentvoll und wurde eifersüchtig, als bei einer Slideshow vom Junggesellenabschied ein Foto vom Bräutigam aufgetaucht ist, auf dem ihm zwei Damen links und rechts auf die Backe küssen. Die Dame ist dann aus dem Saal gestürmt und hat sich auf dem Zimmer eingesperrt, ich bin dann mit dem Bräutigam zusammen hochgelaufen und habe die beiden versöhnt und sie zwei Minuten lang küssen lassen, bevor ich sie wieder aus dem Zimmer gelassen habe!

2. Bassist bei Jennifer Rostock

Christoph Deckert! Maaan, den kennt man doch! Der ist Bassist! BASSIST BEI JENNIFER ROSTOCK! Christoph Deckert ist aber nicht nur Bassist bei dieser wahnsinnigen Band diesseits und jenseits sämtlicher uns bekannter Galaxien, sondern er ist auch der vermutlich einzige Bassist, der tatsächlich unfassbar viel zu tun hat. Zwar wissen wir nicht, ob sein Zeitmangel daraus resultiert, dass er zu sehr auf seine zwei dum-dum-di-dum-Handgriffe konzentriert ist, oder ob er einfach das Mysterium um den geheimnisvollsten aller Musikerberufe ein wenig länger unter Verschluss halten wollte, jedenfalls war ein Interviewtermin mit ihm schwieriger zu bewerkstelligen, als eine Audienz bei Mick Jagger.


Foto © Florian Appelgren | Warner Music

Wolltest du immer schon Bassist bei Jennifer Rostock werden?
Ich wollte ursprünglich noch nicht mal Bassist werden. Freunde von mir haben eine Band gegründet und meinten, ich soll doch einfach Bass spielen denn das ist einfach, das kann jeder. Seitdem bin ich halt dabei geblieben. Und mittlerweile auch zu faul, um mich noch zwei Saiten nach oben zu entwickeln.

Hast du andere Bassisten als Vorbilder?
Ja schon, aber nicht so wie sie spielen, sondern eher wie sie sich auf der Bühne benehmen. Viele Bassisten sind so Red-Hot-Chili-Peppers-Idioten und die finde ich unfassbar zum Kotzen. Ich kenne die meisten auch gar nicht beim Namen. Ich mag den von den Editors, der spielt nicht viel, sondern macht nur ab und an einen geilen Lauf rein. Und den von The Chariots, weil der so geil an der Decke hängen kann.

Wenn es eine Petition gäbe, die Bassisten als echte Musiker anerkennt, würdest du sie unterschreiben?
(lacht) Nein, eher sowas wie „Bassisten raus aus Deutschland!“ (lacht) Man muss sich eben damit abfinden. Es gibt zwei Arten von Bassisten: Diejenigen, die sich eben damit abfinden, dass man wenig Anerkennung findet, und die deswegen Anerkennung bei Kollegen suchen, quasi die Bassisten, die für Bassisten spielen. Und die anderen, zu denen ich mich zähle, die dann einen auf Gogo-Girl machen und statt nach der musikalischen Spitze zu streben einfach versuchen, auf der Bühne gut auszusehen.

Wirst du manchmal auf der Straße erkannt?
Selten. Früher öfter, da hatte ich aber noch eine sehr dumme Frisur. Seitdem ich die abgelegt habe, muss ich mich damit abfinden, dass mich niemand mehr erkennt.

Macht dich das traurig?
Das macht mich nicht traurig.

Hast du Groupies?
Ich glaube, dass Lemmy von Motörhead tatsächlich der allerletzte Bassist auf dieser Welt war, der irgendwie noch Mädels aufreißen konnte. Ich glaube, dass diese Zeiten einfach vorbei sind. Heutzutage muss man wohl DJ sein.

Macht dich das traurig?
Nein, das macht mich auch nicht traurig. Ich hab ‘ne Frau und zwei Katzen zuhause, mehr brauch ich nicht.

Wie vertreibst du dir die Zeit während der Shows?
(lacht) Das Gute ist, dass es auf unseren Shows immer gute Verpflegung gibt. Da ist man alle zwei Songs gut beschäftigt und irgendwann so betrunken, dass man nicht mehr darüber nachdenken muss, wie man sich beschäftigen kann.

3. Imitator

Leo Bischof ist der neue King. Oder zumindest die beste deutsche Version davon. Den Friseurberuf durfte er aus sexuellen Orientierungsgründen nicht ergreifen, aber immerhin hat es dank Rudi Carrell dann doch noch mit dem Traum vom Elvis-Imitator geklappt. Wenn auch ihr euer Ghetto sanft besungen haben möchtet, so könnt ihr ihn hier buchen. Elvis lebt schließlich für uns alle!

Wie lange machst du das schon?
Ich mache das genau seit 26 Jahren. Begonnen hat es damit, als ich damals bei der Rudi Carrell-Show aufgetreten bin, da kam der Aufruf „Wenn wer was imitieren kann, dann bitte melden!“ Von der Badewanne auf die Bühne, quasi! (lacht) Danach kamen dann viele Angebote und ich musste schnell professionell arbeiten. Aber der Traum war schon seit der Jugend da.

Welchen Beruf hast du ursprünglich gelernt?
Gelernt habe ich damals auf Wunsch meines Vaters Feinmechaniker. Eigentlich wollte ich ja Friseur werden, aber das durfte ich nicht, denn wie halt die damaligen Elternleute halt gedacht haben: „Friseur ist was für Schwule!“

Du wirst als bester deutscher Elvis-Imitator gehandelt. Was hättest du dem echten Elvis zu sagen?
Erst einmal würde ich mich dafür bedanken, dass er die ganze Rock’n’Roll-Zeit eingeführt und die Musikwelt nachträglich so verändert hat. Und auch dafür, dass man auf seine Kosten ganz gut leben kann! (lacht) Erst neulich ist mir beim Waldlauf, das mache ich, um mich fit zu halten, eingefallen, dass man zwar immer „Elvis lebt!“ hört, es aber eigentlich „Elvis lebt für Alle!“ heißen müsste—weil ich ja für Jeden da bin.

Glaubst du, dass Elvis noch lebt?
Naja, jetzt wahrscheinlich nicht mehr, irgendwann stirbt jeder mit 100 Jahren! (lacht) Aber damals gab es ja schon sehr viele Gerüchte. Wissen konnte man es ja nie so ganz genau, da wurde ja auch rund um die Mafia spekuliert. Ich habe mich damit aber nie im Detail befasst. Aber mei… für mich war er auch nur irgendein Mensch, der riesiges Glück hatte. Er wurde halt von Tom Parker gemanagt, der hat ihn international bekannt gemacht. Ich denke schon, wenn ich auch so einen Manager hätte, dann würde auch ganz schön was passieren. Ich merke ja die Dankbarkeit meiner Fans, wie glücklich ich sie mit meinen Auftritten mache.

Bekommst du Fanpost?
Ja. Ich werde ja oft für Geburtstage gebucht, und da überrasche ich dann den Jubilar mit meiner Vorstellung. Und manche von ihnen waren dann tatsächlich sprachlos. Und wenn ein Elvis-Fan begeistert ist von einem, dann ist das ja das höchste Lob. Ich bin ja nicht irgendein Kasperl, der da mit Hüftschwung auf der Bühne herumspringt—obwohl ich auch viel Lob für meine Bewegungen bekomme, weil ich die so authentisch rüberbringe. Aber in erster Linie muss ich natürlich meine Stimme in den Vordergrund stellen. Das Oberhaupt vom bayrischen Elvis-Fanclub hat mich einmal heimlich bei einem Auftritt beobachtet und mir nachher gesagt, dass Elvis die Vorlage gegeben hat und ich das Tor geschossen habe. Das sind dann so Gänsehautmomente. Und bei einem Auftritt im Allgäu, bei dem die Menschen nur für mich gezahlt haben, da war richtig Stimmung! Da haben die Leute mit den Füßen getrampelt, ich hab’s auf Video!

Wie sieht es mit unmoralischen Angeboten aus?
Die wende ich immer ab! (lacht). Nein, ich kann mich an keines erinnern.

Hast du jetzt mehr oder weniger Auftritte als vor 25 Jahren?
Jetzt sind es mehr, auch durch das Internet. Da ist eine gute Internetseite sehr wichtig und die Menschen finden mich durch Google, da gibt es ein paar gute Kniffe, die mir ein Computermann beigebracht hat. Die erzähl’ ich aber keinem weiter! (lacht) Nein, Spaß! Ich mache auch auf meinen Konzerten viele Späße, die Leute wollen ja unterhalten werden. Da schaut man sich ja auch sehr viele kabarettistische Sendungen an. Wenn ich „Love Me Tender“ singe, dann erzähle ich, dass bei Elvis damals ja hunderte von BHs geflogen sind—und ich ja schon über Socken froh wäre. Und das macht dann Stimmung! (lacht)

Hast du je daran gedacht, eigene Musik zu machen?
Sehr oft sogar. Mir ist auch einmal im Traum die Idee zu einem Schlager erschienen, den ich dann in einem Studio selbst produziert habe. Aber das dann unter die Leute zu bringen, das ist ja ein wahnsinniger Aufwand.

Gibt es negative Kritiken? Wie gehst du mit ihnen um?
Negative Kritiken kommen von Neidern oder von Konkurrenten, die meinen, sie müssen einen runtermachen weil man einfach zu toll ist. Ich habe die Kommentar-Funktion bei Facebook sperren lassen, weil ich da nur von Konkurrenten dumm angemacht worden bin. Ich brauche keine Kritiken, mir reichen meine sehr sehr positiven Rückmeldungen! Nur weil irgendein Spinner glaubt, dass er mich kritisieren soll, so einen Schmarrn braucht mir keiner erzählen, damit will ich mich gar nicht auseinandersetzen. Aber die richtigen Elvis-Fans, die sind froh, dass es so jemanden wie mich gibt. Der Produktionsleiter von „Verstehen Sie Spaß?“ hat mich angeschrieben und gemeint, dass ich ihn am Meisten angesprochen habe und er hat mich für einen Sketch gebucht. Weißt, das sind Profis, die machen Sendungen am Samstagabend, und die nehmen sich doch keine Nasenbohrer sondern nur das Beste vom Besten!

Wie willst du einmal sterben?
Möglichst schmerzlos. Ich kenne bei uns im Ort einen Steinmetz sehr gut und ihm habe ich bereits gesagt, dass auf meinen Grabstein mindestens ein Mikrofon drauf sein muss. Und ich möchte in einer schwarzen Limousine durch den Ort gefahren werden und es sollen Elvis-Lieder laufen und die Leute müssen feiern, denn den Spaß, den ich verbreite, der soll weiterleben.

4. Tourbusfahrerin

Denkt man an all jene Helferlein, die so emsig hinter der Bühne wuseln, so denkt man erst an den burnoutgefährdeten Manager, den verschwitzten Roadie und den Typ, der die Bierkisten in den Backstage-Bereich schleppen muss. Wesentlich wichtiger ist allerdings tatsächlich der Tourbusfahrer. In unserem Fall: Die Tourbusfahrerin. Steffi von Berlin Rock Coaches hat mit dem Vorurteil von kotzenden Bands im Tourbus endlich aufgeräumt.


Foto: Symbolbild // Flickr // Steve Moskowitz // CC 2.0

Wie wird man Tourbusfahrer?
Meistens ist es wirklich Mundpropaganda. Ich wusste erst gar nicht, dass es dafür richtige Agenturen gibt, früher dachte ich, dass Bands ihren eigenen Tourbus haben. Jetzt weiß ich, dass das in den seltensten Fällen so ist, meistens werden die Busse eben gemietet. Ich habe das gelernt, ich habe meinen Bus-Führerschein gemacht und ja… es war dann wirklich ein Zufall über das Internet.

Gibt es viele weibliche Tourbusfahrerinnen?
Nein, gar nicht. Ich kenne glaube ich… vier! (lacht)

Wie vertreibst du dir die Zeit während der Shows?
Meistens mit Schlafen! (lacht) Wir fahren ja immer nachts, wenn wir dann in den Morgenstunden ankommen, mache ich kurz den Bus sauber und gehe dann schlafen. Ich stehe gegen Mittag wieder auf und wenn abends die Show beginnt, lege ich mich noch einmal schlafen.

Musst du viele Pinkelpausen einlegen?
Ne, das geht. Wir haben ja auch eine Toilette im Bus und ansonsten muss ich ja sowieso meine gesetzlichen Pausen einlegen.

Hat dir schon mal jemand in den Bus gekotzt?
Ja, leider. Meistens passiert das aber nicht den Band, sondern den Crewmitgliedern! (lacht)

Kommt es vor, dass Groupies den Bus belagern?
Ja, das gibt es. Erlebt habe ich es selbst bei Justin Bieber, Rihanna und Ricky Martin. Wir versuchen dann halt, sie irgendwie loszuwerden! (lacht)

Was war die längste Tour, die du je gefahren bist?
Die längste Tour hat dreieinhalb Monate gedauert. Normalerweise sind es aber meist nur so ein bis eineinhalb Monate.

Welche Band mochtest du am Liebsten?
Ich bin super gerne mit Mono Ink unterwegs, die sind fast schon wie Familie!

Und welche am Wenigsten?
(lacht) Ja, da gab es einige. Alles, was so in die Dark Metal-Schiene geht, das mag ich gar nicht. Ich finde das spooky und die besudeln sich auf der Bühne mit echtem Blut und das braucht man ja nicht unbedingt! (lacht) Ich habe dann auch strikt verboten, dass sie ihre Bühnenklamotten mit in den Bus bringen, die mussten sie im Anhänger oder im Kofferraum lassen.

Gab es ein Erlebnis, das dir besonders im Gedächtnis geblieben ist?
Ich bin einmal auf dem Wacken Festival dem Publikum vorgestellt worden, da haben mich Boss Hoss auf die Bühne geholt, das war sehr witzig! (lacht)

5. Alleinunterhalter

Christian Nägele ist Alleinunterhalter. Als Tastenquäler singt er sich tapfer durch Firmenfeiern, Geburtstage und Sommerfeste im Unterallgäu und den angrenzenden Orten. Im Repertoire hat er dabei Schlager und die größten Hits der 60er, 70er und 80er, im Gepäck sein Keyboard und seine hervorragende Lautsprecheranlage. Es ist ihm dabei egal, ob er 30 oder 300 Leute bespaßt.

Wieso nennst du dich Tastenquäler?
Weil ich nach einem ausgefallenen Namen gesucht habe. Tastenquäler gibt es außer mir keinen.

Auf deiner Homepage steht, dass du „Musik für Jung und Alt“ machst. Gibt es denn viele junge Zuschauer?
Also das kommt natürlich auf den Anlass an. Ich sage mal so, ich habe schon auch ein begrenztes Repertoire, so circa eine Stunde lang, in der ich auch rockigere Sachen machen kann.

Bist du hauptberuflicher Entertainer?
Nein, das mache ich als Hobby. Hauptberuflich bin ich in einer Elektronikfirma Supply Chain Planer.

Wann hast du gemerkt, dass du Alleinunterhalter werden möchtest?
Ufff… (lacht) Sagen wir mal so, ich mache schon seit meinem 15. Lebensjahr Musik. Ich habe dann circa 16 Jahre lang Tanz- und Unterhaltungsmusik mit einer Band gemacht und in der Zeit auch in einer Blasmusikkapelle und in einer Big Band Trompete gespielt. Dann habe ich ungefähr zehn Jahre lang pausiert, bis ich mir wieder ein Keyboard gekauft habe.

In Occupanthers Video zu „Down“ knistert es ganz schön zwischen dir und einer Frau auf der Tanzfläche. Ist dir das im Job schonmal passiert?
Nein.

Schade. Wie sieht es mit unmoralischen Angeboten aus?
Passiert auch nichts, nö.

Trägst du immer so goldene Glitzerjackets wie in diesem Video? Maßgeschneidert?
Nein, da wurde ich komplett eingekleidet, von der Brille bis zu den Schuhen. Diese Aufnahme war auch so, dass wir immer einzeln gefilmt wurden, wir waren die meiste Zeit über gar nicht zusammen im Raum. Normalerweise trage ich immer meine eigene Kleidung, natürlich dem Anlass entsprechend.

Für welche Anlässe wirst du denn gebucht?
Ach, das ist ganz unterschiedlich! Für Geburtstage, Hochzeiten, Weinfeste, Gartenfeste, Sommerfeste,…

Was war dein schönster Auftritt bisher?
Das war auf einem Sommerfest an einem Nachmittag. Da waren einfach sehr viele Leute da und es hat allen gut gefallen. Ja mei, am Schönsten ist es ja ohnehin, wenn es den Leuten gefällt. Man muss sich aber natürlich auf das Publikum einstellen, denn manchmal wollen die Leute auch nur leise Hintergrundmusik.

Nimmst du Musikwünsche an?
Wenn ich es in meinem Repertoire habe, dann schon. Oft werden Oldies gewünscht, ab und zu aber auch aktuelle Titel, „Atemlos“ von Helene Fischer ist zum Beispiel ein Renner gerade. Manchmal bin ich aber auch wirklich erstaunt, wenn sich junge Leute einen Oldie aus den 60ern wünschen.

Wie lange machst du das schon? Hat sich das Verhalten der Gäste in den letzten Jahrzehnten geändert?
Ich mache das seit ungefähr acht Jahren. Das Verhalten der Gäste hat sich insofern geändert, als dass ich das Gefühl habe, dass die Leute mehr sitzen und weniger tanzen. Besonders beim jüngeren Publikum habe ich das Gefühl, dass sie sich nicht so richtig trauen. Wenn dann aber mal jemand auf die Tanzfläche kommt, dann ziehen die anderen nach.

Wann hast du das Gefühl, dass ein Auftritt erfolgreich war?
Wenn ich sehe, dass es dem Publikum gefallen hat! Wenn keine direkte Rückmeldung vom Publikum kommt, dann kommen in 99 Prozent der Fälle die Leute nach dem Auftritt zu mir uns sagen mir, dass es ihnen sehr gut gefallen hat und dass es eine schöne Hintergrundmusik war.

Alleinunterhalter haben den Ruf, dass sie keine „richtigen“ Musiker sind, weil sie Sachen nur nachsingen. Wie siehst du das?
Ja mei, das kann man sehen wie man mag. Wer liegt schon richtig und wer falsch? Bei manchen Musikrichtungen frag ich mich auch, mei, ist das noch Musik oder ist das schon Krach? Was ist denn heutzutage schon Musik? Das ist ein breites Feld und da sollte jeder seine eigene Meinung finden, ob das jetzt Musik ist oder nicht. Ich hab’ da kein Problem damit.

Hast du je darüber nachgedacht, eigene Songs zu schreiben?
Naja, es gab sogar eine kurze Phase, in der ich das probiert habe. Ich habe da aber eigentlich kein Interesse dran.

**

Folgt Noisey bei Facebook und Twitter.