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Shindy ist der am meisten unterschätzte Deutschrapper

Vergesst „Stress ohne Grund“, der selbsternannte griechische Vielficker Shindy hat viel mehr drauf, als ihr denkt.

Foto © Ersguterjunge

Stell dir vor, du hättest mit Mitte 20 alle deine Träume in Erfüllung gebracht. Du machst genau den Job, den du schon immer machen wolltest. In der Firma, in der du immer arbeiten wolltest. Du reißt dir den Arsch auf, gibst alles für deinen Arbeitnehmer, du willst dich persönlich entwickeln. Du hast nur ein Problem: Kaum jemand erkennt in der Außenwelt, dass du bereits jetzt einer der Besten bist. Andere, viel weniger talentierte Idioten bekommen die Anerkennung, die eigentlich dir zusteht. Was macht du?

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Du regst dich auf, ist doch klar. Aber, egal, du machst weiter. Weil du weißt, dass es sich irgendwann lohnen wird. Und mal ehrlich, warum solltest du dir Sorgen machen? Dir geht es blendend. Du hast mehr erreicht, als andere zu träumen wagten. Es ist der Neid, der aus ihnen spricht. Vielleicht weil ihnen ihre Mama morgens keine Zahnpasta mit Früchtegeschmack hinlegt…

Ja, diese schwülstigen Worte gelten Shindy, dem wohl am meisten unterschätzten Deutschrapper. Nicht, dass es nötig wäre, eine Lanze für ihn zu brechen. Dafür hat der 25-Jährige wahrscheinlich mehr zu grinsen, als wir alle zusammen. Doch es wird mal Zeit, diesem Künstler die Ehre zu zollen, die ihm zusteht.

Shindy ist derzeit der einzige Künstler auf Bushidos Label Ersguterjunge. In den letzten Jahren verabschiedete sich ein Rapper nach dem anderen vom ehemals größten Straßenrap-Label. Die Trennung von Kay One wurde hinlänglich dokumentiert. Shindy blieb und entwickelte sich zum größten musikalischen Vertrauten von Bushido. Er war es auch, der dem schwächelnden Altmeister zu einem beeindruckenden Comeback mit Sonny Black verhalf. Wertneutral gesagt.

Vor genau einem Jahr sendeten die Tagesthemen einen Bericht über den Song „Stress ohne Grund“. Wie in den meisten Leitmedien zuvor, wurde sich auch dieses Mal fast lüstern über die bewussten Provokationen Bushidos das Maul zerrissen. Eine willkommene Nachricht auf dem Sommerlochwühltisch. Doch in keinem Wort wird erwähnt, dass „Stress ohne Grund“ eigentlich Shindys Song war.

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Dass Shindys Album NWA, das einen Tag vor dem Bericht erschien, auf Platz eins ging, wurde in der öffentlichen Wahrnehmung als erfolgreicher PR(ovokations)-Stunt von Bushido angesehen. Dabei ignorieren viele, dass „Stress ohne Grund“ kaum der einzige Grund für die Chartspitze und nach eigenen Angaben 40.000 verkauften Einheiten sein kann. „Stress Ohne Grund“ ist bewusstes Stress machen, ja, aber es ist bestimmt nicht Shindys bester Song. Warum sollte sich jemand außerhalb der EGJ-Anhängerschaft das Album eines Künstlers kaufen, der angeblich nur als Steigbügel für den Kreuzzug von einem der größten deutschen Gangstarapper herhalten muss? Das macht keinen Sinn. Haben diese Ignoranten nicht einmal drüber nachgedacht, dass Nie Wieder Arbeiten vielleicht einfach ein großartiges Album ist. Ein „kleines Meisterwerk“ wie Jan Wehn in der Juice schreibt?

Mal eine Frage: Welcher junge Rapper schreibt so ein Intro zu seinem Albumdebüt? Während andere schon die Chöre hätten erzittern lassen, führt uns Shindy über einem extremst ungefährlichen Piano-Loop durch einen extremst absurden Tag in seinem Leben. Er erzählt nicht etwa von Segelbootsfahrten an der Cote d'Azur, sondern einfach davon, wie er unverschämt tiefenentspannt durch den Tag juckelt und sich von Mama bedienen lässt. Trotzdem hört natürlich das Handy nicht auf zu klingeln, weil die Bitches beim Mr. Nice Guy halt den Verstand verloren haben. Ich kann mich nicht erinnern, wann mir ein Intro mehr Spaß gemacht.

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Kaum ein Künstler vermag es so wie Shindy auf NWA den Hörer in eine Welt voller Ärsche und anrüchiger Whatsapp-Verläufe zu ziehen und ihn dort mit seinem ultra-hypnotischen Hashtag-Flow wie eine Ölsardine einzulegen. Auf „Ice-T“ klingt Shindy wie Tyga, nur eben auf deutsch und in gut—das muss man sich mal vor Augen führen. Sicherlich hat auch dieses Album ein paar schwache Momente, aber wahrscheinlich sind die bei einem so überheblichen Flow einfach vorprogrammiert.

Einige seiner stärksten Momente hatte Shindy noch nicht einmal auf dem Album. „Alkoholisierte Pädophile“ war—bis Bushidos „Leben und Sterben des Kenneth Glöckler“ rauskam—der beste Disstrack des Jahres 2013. Beide Male ging es gegen Kay One, beide Male bekam er richtig auf die Mütze. Doch da liegt auch schon das Problem: „DLUSDKG“ war für viele das Raphighlight des letzten Jahres, für Shindy hat es zur ganz großen Anerkennung dagegen noch nicht gereicht. Dabei hat er alle Voraussetzungen, einer von den ganz Großen zu werden: Shindy rappt, seit er 14 ist. Er kennt die Rapwelt, hat die komplette Rapkonjunktur mitbekommen. Doch wie nur wenige andere Deutschrapper weiß er auch, was gerade in Amerika abgeht. Im Gegensatz zu den meisten anderen wird er einen Namen wie Rich Homie Quan zuordnen können. Shindy bringt immer wieder Referenzen von amerikanischen Künstlern und fühlt sich auf trippigen Cloudrap-Beats am wohlsten. Dabei ist er als Typ so sicher, dass er es nicht nötig hat, den Style der Amis zu kopieren. Bum chakalaka, Shindy cool Motherfucker… Biiiitch!

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Am 10. Oktober bringt Shindy sein zweites Album FBGM raus. Es steht für „Fuck Bitches Get Money“. Ich freue mich sehr auf die ersten Singleauskopplungen, auf die ersten Videos. Denn ich habe keinen Zweifel daran, dass dieses Album eines der besten dieses Jahr wird. Was Shindy vielleicht nicht zugeben will, aber fleißig war er immer schon. Ich würde sogar behaupten, dass er ein echtes Arbeitstier ist, das sich unfassbar reinhängt. Das hat sich am Ende immer noch ausgezahlt. Shindy hat definitiv das Zeug einen Klassiker abzuliefern, dafür hat er genug Persönlichkeit und musikalisches Verständnis. Die Frage bleibt, wie groß Bushidos Schatten wirklich ist.

So, oder so: Es wird Zeit, dass Mister Nice Guy die Anerkennung bekommt, die ihm zusteht.

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