Freiheit ist ein Tittenposter. Eine Totenkopf-Zeichnung, eine Deutschlandfahne, eine Gardine vor den Gittern. Fotos von Familie und Freunden. 10,5 Quadratmeter klein sind deutsche Gefängniszellen im Schnitt. Die darf sich ein Häftling selbst einrichten – unter Auflagen. Das ist die Freiheit, die bleibt.
Die Fotografin Sina Niemeyer wollte wissen, wie Gefangene leben. Also hat sie drei Jahre lang immer wieder Insassen in ihren Hafträumen besucht. Für ihren Bildband "10,5 m² Freiheit" hat sie Straftäter getroffen, die wegen Drogenhandels, Betrugs oder Totschlags in niedersächsischen Gefängnissen sitzen. "Den meisten ist es wichtig, ihr Zimmer einzurichten", sagt die 25-Jährige.
So unterschiedlich ihre Geschichten, so ähnlich ihre Bedürfnisse: Die meisten Häftlinge sagen, sie seien einsam – und die Männer lieben Poster mit nackten Frauen. Auch Gardinen hat die Fotografin immer wieder gesehen, genau wie Fernseher und Familienfotos. "Nur ein Raum war so gut wie leer", erinnert sie sich. "Der Insasse hat ihn bewusst nicht eingerichtet, um sich selbst zu bestrafen."
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Zwölf Stunden pro Tag verbringt ein Häftling in seiner Zelle. Die Möbel dürfen sie nicht verrücken, Poster nur an bestimmten Holzbrettern anbringen, Gegenstände, die man als Waffe nutzen könnte, sind verboten. In der genormten Umgebung wirkt jeder persönliche Gegenstand wie ein Ausstellungsstück, liebevoll arrangiert. Die meisten Gefangenen sind stolz auf ihr bisschen Privatsphäre. Doch all diese Dinge können nicht das ersetzen, was die Insassen am meisten vermissen. "Wer oder was fehlt dir?", wollte Niemeyer auf einem Fragebogen wissen. "Die, die ich liebe", schrieb ein Gefangener. "Die, die mich lieben. Mein Sohn?"
Ein Unterbringungstrakt der JVA Hannover, 2012
JVA Sehnde, 2014. Mathias Müller, 39, ist wegen bewaffnetem Raubüberfalls verurteilt. Er sagt, er wolle sich selbst bestrafen, indem er sein Zimmer kaum einrichtet
Waldemar Keller, bereits zum zweiten Mal wegen Einbruchs verurteilt. "Die Zustände hier…das schreckt ja nicht ab." Während seiner ersten Haftzeit brachte sein Vater ihm diese Gitarre
JVA Hannover, 2012. Die meisten der Gefangenen lassen ihre Gardinen stets geschlossen um die Gitterstäbe nicht zu sehen – selbst an sonnigen Tagen
JVA Hannover, 2013. Dieser Gefangene wurden wegen versuchten Mordes verurteilt. Er geriet mit einer Person bei einer Feier in einen Streit und zückte sein Messer
Eine Waschnische in einem älteren Haftraum in der JVA Lingen, 2015.
Ein Gefangener, verurteilt wegen Drogenhandels, im offenen Strafvollzug in Lingen-Damaschke, 2015
Herbert Müller wurde anfangs freigesprochen, dann ging der Staatsanwalt in Revision. 1993 das Urteil: Mord, lebenslänglich. Motiv: Habgier. Er streitet die Tat ab und hat inzwischen mehrere Schlaganfälle erlitten
JVA Lingen, 2015. Durch die Nähe zum Bahnhof und einige angrenzende Häuser werden hier oft verbotene Dinge wie Alkohol, Drogen oder Handys über die Mauern geworfen
Diese Gefangene war bereits elf Mal inhaftiert, meist wegen Diebstahls, Körperverletzung und Raub. Mit 15 Jahren kam sie in ein Jugendgefängnis und versuchte immer wieder mit Therapien ihre Heroinsucht unter Kontrolle zu bekommen. Sie hat drei Söhne, zwei davon leben in einer Pflegefamilie
JVA Lingen, 2015. Skype-Gespräche mit Angehörigen sind hier im Rahmen eines Pilotprojekts möglich
JVA Hannover, 2014. Fuhrmann Beksod, 32, ist wegen bewaffnetem schweren Raubs und organisierter Kriminalität im Drogen- und Menschenhandel verurteilt. Aufgrund seiner Alkoholsucht machte er eine Therapie – auch, um seine Haftzeit so zu verkürzen
Dieser Gefangene möchte nicht über das sprechen, was er getan hat.
Kaloyan Stoyorov wurde im März 2015 wegen Raubes inhaftiert und fand keine Arbeitsstelle im Gefängnis. So verbringt er die meiste Zeit des Tages in seiner Zelle und döst vor sich hin oder schaut fern. Er stammt aus Bulgarien. Auf die Frage, ob er seine Tat bereut, sagt er: "Hab' ich keine Zeit für schlau!"
Antworten einer Insassin auf den Fragebogen der Fotografin