Wir waren beim Public Viewing von ‚RuPaul’s Drag Race‘ – und haben 3D-GIFs mitgebracht

Fotos: Paul Garbulski & Juliane Reichert

Wenn sich erwachsene Männer freudetrunken in die Arme fallen, Fremden plötzlich Küsse auf die Wangen geben oder die Person neben dir vor Wut fast ins Bierglas beißt, weil der BVB gegen Bayern gerade das 1:0 geschossen hat, dann muss man schon ein echter Fußball-Feind sein, um von der Stimmung nicht angesteckt zu werden. Denn Public Viewing kann herrlich sein! Freude wird durch die Menge an Leuten potenziert und das Leid geteilt.

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Stelle dir nun vor, wie sehr die Luft mit liebevollem Wahn geschwängert ist, wenn Hunderte Menschen nicht einem Fußballspiel, sondern RuPaul’s Drag Race frönen. Berlin-Kreuzberg, dienstags, Südblock: Allwöchentlich heißt in dieser Bar Pansy mit ihren Schwestern die ganze Welt willkommen. Menschen aller Couleur folgen ihrem Ruf und füllen ab 22:00 Uhr den Raum. Drags, Schwule, Lesben, Heteros, Singles und auch Paare decken sich noch schnell mit Feuerwasser ein, bevor sie sich über Boden und Bar, auf Sitzbank und Stehplatz verteilen. Schließlich wird die Leinwand runtergelassen und der Beamer angeworfen—doch eben nicht für Fußball, sondern RuPaulʻs Drag Race. Der soziale Siedefaktor der Sendung ähnelt dem aller anderen Castingshows des unerschöpflichen Reality-TV-Formats; aber anstatt mittelmäßiger Gesangstalente und minderjähriger Magermodels kämpfen Drag Queens um RuPauls Gunst und den Einzug ins Finale.

Jeder im Südblock-Publikum hat seine Favoritin, die lautstark angefeuert wird, während die Queens vor Ort die ohnehin schon bunte Zuschauermasse wie kandierte Früchte zieren. Gegen halb zwölf und dem Ende der Ausstrahlung, findet der Abend zu seiner eigentlichen Show. Leinwand und Bänke verschwinden, schließlich tritt Pansy ins Rampenlicht. Als Host in High Heels moderiert sie mit frivoler Zunge durch den Abend und bereitet so die Bühne für die Performance ihrer Queens.

Spätestens ab diesem Moment hätte selbst die Dortmunder Südkurve Schwierigkeiten, stimmungsmäßig mit der Südblocker Publikumsmelange tanzender Travestie- und angeheiterter Heterofans mitzuhalten. Es öffnet sich der Vorhang für eine Reihe zauberhafter Jungs, deren Mädels-Montur die eigene „Jeans mit Lederjacke”-Kombination zum faden Gimmick einer kostenlosen „How to Fade”-Broschüre verkommen lässt. Wir bestaunen Melli Magic, Bambi Mercury oder Shiaz Legz, verstehen allmählich, dass Bonds Walter PPK im Grunde ein billiger Dildo-Abklatsch ist, und erfahren, wofür ein Laserschwert wirklich gut ist. Wir beneiden Pansys Brustlocken unterm Leoschleier, Absinthias Moustache samt mintgrünem Kussmund und überhaupt Partys, auf denen Pizza in die Menge geworfen wird, statt Pfeffi geext.

Kurzum, das Konglomerat aus Haaren, Farben und Namen, wie sie ansonsten nur ein New Yorker Ikea für Kosmetiktische kreieren könnte, packt schließlich jeden in seinen Bann. Während also die Füllung alter Sesselgarnituren in Büstenhaltern Wunder wirkte und Apfelkorn in unser aller Kehlen floss, haben wir uns verliebt. Hier nun die bewegten Bilder als Kaleidoskop der Nacht: