Tanz auf dem (explodierenden) Vulkan

Ich hatte das Privileg, der erste Tourist zu sein, der nach den jüngsten Wahlen von Uganda in die Republik Kongo reiste. Das ist das Land, das liebevoll als das Zentrum der Vergewaltigungen bezeichnet wird und das im Grunde genommen seit nunmehr Jahrzehnten durch entsetzlich brutale Gewalt auseinander gerissen wird. Aber ich war nicht dort, um über das „tragische Afrika” zu berichten.

Im Virunga Nationalpark im Nordosten des Landes gibt es einen Vulkan namens Nyamuragira. Er ist einer der aktivsten Vulkane auf der Welt und im Moment ist er am Explodieren. Anfang November fing der Nyamuragira an, Lava 200 Meter in die Luft zu spucken. Seitdem hat er nicht wieder damit aufgehört. Der daraus resultierende Tourismusboom ist die Rettung für das Gebiet um die Virunga-Vulkane, das 2006 von Kriegsherren eingenommen wurde und aus diesem Grunde fast bankrott gegangen wäre. Tourismusdollar werden unter der Regierung, dem Park, den lokalen Schulen und den medizinischen Versorgungszentren aufgeteilt. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes das Lebenselixier von Virunga und seit die Lava keine Bedrohung mehr für irgendwelche Leute oder Berggorillas darstellt, ist der Ausbruch eine wirklich gute Sache für die Tourismusindustrie geworden.

Aber wie ich bald feststellen sollte, war es das nervigste Unterfangen überhaupt, nach Kongo einzureisen.

Ich bin Kanadier und meinen ersten Versuch, in die Demokratische Republik Kongo zu gelangen, startete ich mit einem Flug von Nairobi nach Kigali in Ruanda, um dann die Grenze in Goma zu überqueren. Zu meiner Überraschung wurde ich bei meiner Ankunft in Ruanda informiert, das Kanadier auf keinen Fall ein Visum an den Grenzen bekommen können (Amerikaner und Briten brauchen nicht mal ein Visum, was abscheulich unfair ist.) Ich hätte schwören können, dass ich andere Touristen sah, die genau die gleiche Visum-Lektion bekamen und es trotzdem über die Grenze schafften, aber Flughafenbeamte durchsuchten meine Tasche, fanden meinen Presseausweis und schoben meinen Arsch unverzüglich dahin zurück, wo ich herkam. Bitte merken: Präsident Paul Kagame führt einen gottverdammten Polizeistaat da drüben und er mag ganz offensichtlich keine Kanadier und definitiv auch keine Reporter. Ich bin auch nicht gerade ein Fan von Ruanda, also beruht dieses Gefühl auf Gegenseitigkeit.

Versuch Nummer zwei bedeutete eine 20-stündige Bustour quer durch Uganda. Als ich für eine Nacht in Jinja anhielt, wurden mir meine Kamera und meine Zigaretten von irgendeinem Arschloch geklaut. Ich hoffe, er wird von einem Bus überfahren. So musste ich eine beschissene kleine Kompaktkamera von einem zwielichtigen, schäbigen Dieb in der Hauptstadt Kampala kaufen. Danach verbrachte ich 16 Stunden in einem Bus, der sich überhaupt nicht vorwärts bewegte, weil die Straßen zu matschig waren. Was für ein Spaß!

Ich machte mich also auf den Weg nach Kisoro, in der Nähe des Bunagana-Grenzübergangs, wo ich ängstlich auf meinen exzentrischen Reiseführer Daniel wartete, der mich einweisen sollte. Er tauchte nicht auf und schickte mir stattdessen eine SMS, in der mir mitteilte, dass wir uns am nächsten Morgen an der Grenze treffen würden, weil er nicht am Wahltag rüberkommen kann. An diesem Punkt gab ich alle Hoffnung auf.

Aber dann passierte ein Wunder. Daniel wartete tatsächlich am nächsten Morgen an der Grenze auf mich. Obwohl ich meinen Gelbfieber-Impfausweis vergessen hatte, warf ich bei der Einwanderungsbehörde einfach mit ein bisschen Französisch um mich und sie ließen mich rein. Der Kongo: nach den Wahlen.

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Ich hatte erwartet, überall auf Unruhe und Angst, Kleintransporter voller psychotischer Guerillasoldaten und flüchtende, schreiende Frauen zu treffen, aber ehrlich gesagt, schien dort eine ziemlich entspannte Lage zu herrschen. Nach außen hin sah alles gut aus. Die Leute sind sehr arm in der Demokratischen Republik Kongo und die Straßen sind besonders brutal, wenn man mit einem Transporter fährt (Schlaglöcher sind so tief, dass das Fahren als eine „kostenlose, afrikanische Massage” bezeichnet wird), aber alle waren freundlich und ruhig und halfen uns, wann immer wir im Matsch stecken blieben.

Alle paar Kilometer waren Soldaten postiert, um ein Auge auf alles zu haben und ich hatte ein Team aus sechs bewaffneten Wachen, die mich zum Vulkan begleiteten, was übertrieben wirkte, alles in allem schien es nicht besonders gefährlich zu sein. Trotzdem wird die Gewalt wieder nach Kongo kommen, nachdem die Wahlergebnisse öffentlich verkündet worden sind.

Und dann folgte die Wanderung. Durch diesen Vulkan zu spazieren, war wie eine Reise nach Mordor. Nur schlimmer. Wir waren umgeben von dichtem Wald, der Weg war komplett aus gezackten, losen Lavagesteinen gemacht und ich war erschöpft, verschwitzt und wollte alle fünf Minuten aufgeben. Irgendwann hörte der Weg einfach auf und wir hüpften durch Felder, die aus moosbewachsenem, unebenem Lavageröll bestanden. Kennt ihr das, wenn ihr total betrunken seid, euch alle Mühe gebt, einfach nur geradeaus zu laufen, eure Knöchel wackelig sind, ihr andauernd umknickt und es so dermaßen lästig wird? So war diese Wanderung.

Ein Beispiel: der Marsch da draußen dauert drei Stunden. Die Gesamtstrecke beträgt drei Kilometer. Als ich gerade meinen vollständigen Mangel an körperlicher Fitness und mein extremes Kettenrauchen verfluchte, hörte ich das erste Rumpeln. Ich dachte es würde gewittern. Das tat es nicht.

„Das ist der Vulkan. Große Explosion!”, erzählte mir Daniel.

Er hatte Recht. Das war mehr als ein bisschen Husten und Rauchen. Es hörte sich an, als würde alles explodieren, gigantische Lavafontänen flogen durch die Luft und machten die ganze Seite des Bergs rot. Näher an den Vulkan ranzugehen, war wie auf einen fremden Planeten zu spazieren—eine irgendwie verrückte, schwarze, rauchende Höllenlandschaft, übersät mit toten Insekten und Tieren, zerschnitten von Lavaflüssen.

Eine gute Sache hatte es, direkt nach den Wahlen nach Kongo gekommen zu sein: Keine anderen Touristen waren dort, also waren es nur ich und ein Haufen bewaffneter Wachen, die herumrannten und Fotos machten. Niemand sonst war dort. Nur wir und der Vulkan. Also tollten wir um die Lavaflüsse herum und schlitterten die Berghänge herunter, während die Asche uns den Atem nahm. Und dann, als ich dämlich grinsend vor dem Vulkan stand, hörte ich einen dumpfen Schlag. Ein gigantischer Lavafels fiel aus dem Himmel und landete einen Meter neben mir.

„Wir gehen jetzt!”, sagte Daniel. Oh ja. Wir machten uns also vom Acker, retteten einen Falken, dessen Flügel durch die Vulkantrümmer gebrochen worden war und aßen das „Abendbrot”, das es bei meiner Tour inklusive gab: eine Dose Sardinen und eine Packung Kekse.

Die Lage in Kongo wird sich wahrscheinlich bald wieder verschlechtern. Nach so vielen Jahren Krieg und Gewalt beschreiben viele große Pressekanäle das Land als gescheiterten Staat. Das wird den Tourismusaufschwung wieder zerstören. Der Virunga Nationalpark wird zu 80 Prozent von der Europäischen Union finanziert und dieser Vertrag läuft 2012 aus. Die ganze Krise in der Eurozone bedeutet, dass diese Finanzierung wahrscheinlich auch nicht verlängert wird. Die Parkaufseher, Reiseführer und die Leiter des Parks versuchen verzweifelt, die Touristen weiterhin anzulocken, aber ihre Zukunft ist ungewiss.

Ich habe mit LuAnne Cadd gesprochen, der Leiterin für Kommunikation vom Virunga Park. Der Vulkanausbruch war großartig für das Geschäft und die Demokratische Republik Kongo versucht, den guten Ruf wiederherzustellen und aufzubauen—Cadd hofft einfach, dass sich die Leute von den Reisewarnungen keine Angst machen lassen.

„Reisende, die hier her kommen, suchen nicht nach einer gereinigten Version Afrikas. Sie wollen Abenteuer und sie wollen etwas Authentisches. Und wir wollen, dass sie wissen, dass es nicht so gefährlich ist, wie der Rest der Welt vielleicht denkt”, sagte sie.

Einverstanden. Jetzt bleibt nur zu hoffen, dass nicht auch noch die Menschen explodieren, wenn die Wahlergebnisse erscheinen.

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