Deinen Madagaskar Surfurlaub solltest du lieber streichen



Die kleine französische Insel Réunion lieg etwa 190 Kilometer entfernt von Madagaskar im Indischen Ozean. Man kennt sie vielleicht wegen ihrer schwarzen Sandstrände, den atemberaubenden Wasserfällen oder—falls man auf witzige Ortsnamen stehen sollte—als die Insel, die eine Region mit dem Namen Le Tampon beherbergt. Man kennt sie aber auch wegen ihrer vergleichsweise hohen Anzahl an Toten, die durch Haiangriffen innerhalb kurzer Zeit gestorben sind.

Letzte Woche ging eine französische Teenagerin vor der Küste der Insel schnorcheln und wurde von einem Hai entzweit. Sie war gerade einmal fünf Meter vom Strand entfernt. Zwei Monate zuvor hatte es einen Surfer aus Frankreich in seinen Flitterwochen erwischt, während er auf eine gute Welle wartete. Im August 2012 hat sich Fabien Bujon, ebenfalls Surfer, einen Kampf mit einem Bullenhai geliefert. Er musste anschließend mehr als 100 Meter zurück zum Strand paddeln—ohne Fuß. 

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Tatsächlich sind in den letzten zwei Jahren in der Gegend um Réunion fünf Menschen durch Haiangriffe ums Leben gekommen. Diese Zahl veranlasste Surfer wie auch Fischer dazu, gemeinsam für eine Wildstandsregelung der Tiere zu protestieren. Bislang verweigern das allerdings sowohl die französischen wie auch die örtlichen Obrigkeiten.  

Um die Situation besser einschätzen zu können, habe ich mit Frederic Buyle gesprochen, einem legendären Freitaucher und Fotografen. Die örtliche Regierung hat ihn mit der Begutachtung der haiverseuchten Gewässer beauftragt. 


Frederic Buyle

VICE: Hi Frederic. Wie gefährlich sind die Gewässer vor Réunion?
Frederic Buyle: Was ich dir von meinen Erlebnissen in Réunion sagen kann—und das gilt auch für viele ortsansässige Taucher—ist, dass du hier nicht auf viele Haie triffst. Ich würde sogar sagen, dass es eine der tropischen Regionen ist, in der ich bisher die wenigsten Haie beim Tauchen gesehen habe, obwohl ich nach ihnen gesucht habe. Und wenn ich mal welche sehe, sind sie sehr scheu.

Das klingt komisch, wenn man bedenkt, dass die letzte Attacke in flachem Wasser passierte.
Haie, wie beispielsweise Bullenhaie, haben ihr eigenes Territorium und sie durchkreuzen und patrouillieren dieses den ganzen Tag lang. Das flache Wasser vor den Stränden ist Teil dieses Territoriums, also ist da eigentlich nichts Komisches dran, wenn man mal Haie in flachem Wasser entdeckt. 

Was treibt die Haie so nah heran und wieso in dieser Anzahl? Stimmt die alte Theorie, dass sie Menschen mit Schildkröten verwechseln?
Die Schildkrötentheorie ist Schwachsinn. Haie sind einfach neugierig und wenn sie etwas sehen, das eine mögliche Mahlzeit in ihren Augen darstellt, untersuchen sie es. Um es sich genauer anzuschauen, schwimmt ein Hai immer näher heran und sieht die Reaktion seiner potenziellen Beute. Dann wägt er aus, ob es sich lohnt anzugreifen. Wie bei jedem anderen Spitzenraubtier—sei es ein Löwe oder ein Tiger—müssen sich auch Haie versichern, dass sie sich bei der Jagd nicht verletzen. Als Schwimmer oder Surfer siehst du diese Phase der Abwägung nicht, also kannst du auch nicht angemessen darauf reagieren. Die beste Reaktion ist es, sich dem Tier entgegenzustellen und sich nicht wie Beute zu verhalten. Deshalb tauchen jedes Jahr hunderttausende von Leuten sicher mit Haien—Bullen-, Tiger- und Weiße Haie sind da eingeschlossen. 

Okay.
Ich glaube nicht, dass Haie besonders auf Surfer losgehen. Meiner Meinung nach ist es möglich ohne Gefahr mit Haien zu tauchen; ich habe einige sehr gute Bilder, die das zeigen. 

Die Surfer wollen die Haie töten und die Regierung schließt die Strände. Wie sinnvoll sind diese Lösungen?
Die Strände zu schließen ist die einfachste Lösung, aber das wird nicht gut gehen. Die geforderte Abschussliste wird auch nicht funktionieren. Wenn du die Haie tötest, wirst du niemals das Problem lösen, denn Mutter Natur mag keine Lücken im System. Wenn du die Haie los wirst, werden andere ihren Platz einnehmen und du gibst den Leuten ein falschen Gefühl von Sicherheit.

Wenn also beides nicht funktioniert, sollen die Leute dann einfach weiter surfen und schwimmen gehen und das Risiko akzeptieren?
Meiner Meinung nach sollten die Leute mehr über die Gefahren im Meer aufgeklärt werden. Immer mehr Leute wollen draußen etwas erleben, aber sie vergessen dabei, dass das Meer oder die Berge Orte sind, an denen man sich an gewissen Regeln halten sollte. Dort hat man einfach nicht alles unter Kontrolle wie Zuhause im Wohnzimmer. In Südafrika, den Staaten oder Australien — also Orten, an denen Haie leben—da gibt es Warnhinweise, dass du dort „auf eigene Gefahr“ schwimmst gehst und die Leute kapieren das normalerweise. Sie gehen los, wenn sie glauben, mit der Situation zurecht zu kommen oder sie bleiben halt zuhause. Punkt.  

Ich hab mal irgendwo gelesen, dass Bullenhaie von Abwasser angezogen werden—gibt es hier eine Lösung hinsichtlich der Umwelt?
Réunion ist ziemlich stark besiedelt und die meisten Menschen wohnen landschaftsbedingt nahe der Küste. Selbstverständlich ist das Abwassersystem hier nicht auf dem neuesten Stand und die Leute schmeißen ihren Müll in die Flüsse, die dann letztendlich im Meer münden. Das ist ein Problem, das es zu lösen gilt. Aber es ist natürlich einfacher auf’s Meer zu fahren und Haie abzuknallen, anstatt sich um wirkliche Probleme zu kümmern und die Leute aufzuklären.  

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