In den letzten Tagen wurde ich sehr oft gefragt, warum ich denn jetzt für Russland spiele, obwohl ich schon zwei Länderspiele für Deutschland gemacht habe. Das war auch die Lieblingsfrage der russischen Journalisten, mit denen ich in den ersten Tagen gesprochen habe. Für jeden Fußballer, der im Profibereich spielt, ist es das Größte, bei einer Welt- oder Europameisterschaft dabei zu sein. Mit Russland bin ich seit meiner Kindheit tief verbunden. Meine Mutter ist Russin, meine Oma wohnt noch dort und viele Freunde wie Verwandte auch. Ich kann fließend Russisch sprechen, lesen und schreiben. Die Auftritte des russischen Teams habe ich bei großen Turnieren immer verfolgt. Mit der Berufung in das EM-Aufgebot der Sbornaja geht für mich ein Traum in Erfüllung.
Die letzten Tage vergingen wie im Flug. Ich habe meinen russischen Pass bekommen, wurde für das Nationalteam berufen und bereite mich jetzt in Bad Ragaz auf die Europameisterschaft vor. Am Mittwoch wurde ich dann in der 64. Minute im Spiel gegen Tschechien als Innenverteidiger eingewechselt. Zwar haben wir unglücklich mit 1:2 verloren, trotzdem war ich sehr glücklich, zum ersten Mal für Russland zu spielen. Aber zum Durchschnaufen komme ich gar nicht: Ich muss mich natürlich noch akklimatisieren, lerne meine neuen Mitspieler und das neue Spielsystem kennen. Außerdem muss ich jeden Tag Gas geben, ich muss mich beim Trainer mit guten Leistungen als neuer Spieler empfehlen.
Videos by VICE

Foto: Imago
In der Mannschaft wurde ich herzlich empfangen und die Jungs machen mir die Eingewöhnung sehr einfach. Aber natürlich wird auch viel Spaß gemacht. Da wird mir auch mal gerne der Ball aus zwei Metern halbhoch ans Knie gespielt, mit der Begründung: „Das ist Russland, hier werden die Pässe nicht so sauber gespielt wie in Deutschland.” Das sind aber normale Scherze und große Unterschiede zum deutschen Fußball gibt es kaum. Hier wird auch nur Fußball gespielt und der verbindet ja bekanntlich. Was mir aber bisher auffällt: Die Jungs sind alle hart im Nehmen und hauen auch im Training mal dazwischen. Da ist dann aber keiner dem anderen böse, da wird ohne viel Gemeckere weitergespielt. Die größte Umstellung ist vielleicht die Musik in der Kabine: Anders als in der Bundesliga hören wir nicht die neusten Hits aus Amerika oder deutschen Hip-Hop, sondern russischen Rap, House oder Pop.
Bis auf die Frisur und die Ausprache von Roman zu роман—sprich „Raman”—hat sich nicht viel verändert. Anders als einige Facebook-Kommentatoren übrigens vermutet haben, musste ich die Haare für meinen russischen Pass nicht abschneiden, sondern hatte nach einem Jahr einfach genug von der ganzen Langhaar-Pflege. Abschließend auch noch eine Info an euch alle. Auch wenn ich es von meinen Großeltern auf Bildern vom Angeln noch kenne und das in Deutschland ein riesiges Ding sein mag: Im russischen Team kennt keiner die Russenhocke.
Liebe Grüße,
Roman.
–
Protokolliert von Benedikt Nießen
More
From VICE
-

-

Lorne Michaels and Mike Myers (Photo by Jon Kopaloff/FilmMagic) -

Screenshot: Capcom
