Viele in Deutschland kennen den österreichischen Rapper Joseph Valenzuela alias Joshi Mizu vielleicht noch nicht so gut. Höchste Zeit also, ihn an dieser Stelle kurz mal vorzustellen:
Der gebürtige Wiener ist ein gechillter, leichtlebiger Typ—er kommt im Jogginganzug zum Interview. Joshi Mizu zählt Dr. Dres The Chronic 2001, Snoops Doggystyle und 50 Cents Get Rich Or Die Tryin‘ zu seinen HipHop-Evergreens. Abseits von HipHop hört er gerne mal Jamiroquai, Oasis und The Eagles, aber auch Flume, Dubstep und Reggae. Ansonsten fährt der Österreicher, der „mit einem Fuß“ in Berlin wohnt, voll auf Japan ab und liebt gutes Essen. Allerdings zählt er weder Kaiserschmarren noch Sushi zu seinen kulinarischen Topfavoriten, sondern: Käsespätzle.
Um über sein neues Album MDMA zu reden, treffen wir uns in Kreuzberg in einem Käsespätzle-Restaurant. Und dreimal dürft ihr raten, was er bestellt hat! Richtig: Maultaschen! Und dazu gab’s kein MDMA, nein, nicht mal einen Tropfen Alkohol. Nur ein erfrischendes Mineralwasser.
Noisey: Schön, dass wir uns hier in Berlin treffen können. Du bist ja quasi Pendler zwischen Wien und hier. Haben die beiden Städte eigentlich irgendwas gemeinsam, außer dass sie Hauptstadt ihres Landes sind?
Joshi Mizu: Ich würde sagen, dass ich eher Gastarbeiter als Pendler bin. Zwischen Wien und Berlin gibt es schon ein paar Parallelen. Aber es ist ein bisschen wie Äpfel und Birnen zu vergleichen. Ganz objektiv betrachtet ist Wien einfach viel sauberer und „etepetete“. Berlin ist locker und hat seinen eigenen Vibe, finde ich. Berlin muss man fühlen. In Wien ist der Altersdurchschnitt viel höher, man sieht viele ältere Leute und dann kann es an manchen Tagen ganz schön langweilig sein—vor allem an Sonntagen… Ich brauche Action und Abenteuer und davon hat man in Berlin einen Overkill! Aber das hört sich jetzt so an, als ob Wien die totale Spießerstadt ist—ist es gar nicht. Ich liebe Wien und wohne deswegen auch noch dort.
Du bist jetzt seit eineinhalb Jahren independent auf Raf Camoras Label Independenza unterwegs. Ihr seid ein kleines, aber feines Label. Ich habe dich in einem Video gesehen, wie du sogar höchstpersönlich die Exklusiv-Boxen deines neuen Albums MDMA verpackst. War das dein Alltag während der Produktionszeit? Rappen und Kistenpacken?
Nein, nein. Ich habe schon beim Kistenpacken mitgeholfen, weil ich zufällig an dem Tag im Büro war und dann haben wir direkt noch ein Video dazu gemacht. Aber ich habe jetzt nicht alle Kisten verpackt. Der Alltag sah natürlich etwas anders aus.
Wie war denn sonst so die Aufgabenverteilung und der Ablauf während der Produktion? Die Stereoids und KD-Supier waren beteiligt und Raf als Labelchef hat sicher auch mitgeholfen.
Raf war noch sehr viel mit Sierra Kid beschäftigt, der auch gleichzeitig in der Albumproduktionsphase war. Ich habe das ein bisschen auf eigene Faust gemacht. Raf hatte die Idee, dass wir das Album „asiatisch“ machen. Die musikalische Produktion haben wir selber gemacht: Die Stereoids waren die Executives und KD-Supier hat noch die fehlenden Beats beigesteuert, die meiner Meinung nach vom Soundbild her noch gefehlt haben.
Was für ein Soundbild genau?
Also, den Albumtitel MDMA hatten wir schon vorher im Kopf: „Meine Dimension, mein Alltag“. Ich wollte etwas machen, was in den Menschen Glücksgefühle weckt. Was das Soundbild betrifft, habe ich dann einfach geschaut, dass mein Sound weder nach Sierra Kid noch nach Raf klingt. So, dass jeder auf dem Label seine Sparte bedient. Ich selber habe immer West-Coast-HipHop gefeiert und wollte mit den Stereoids elektronische Sounds mit West-Coast-Harmonien mischen und darunter Boom-Bap-Drums legen. Ich finde, dass wir das gut geschafft haben.
Der Albumtitel MDMA steht nicht nur für „Meine Dimension, mein Alltag“, sondern es dreht sich auch viel um die Droge MDMA. Der Track „Insomnia“ ist quasi eine Hymne auf den Molly-Rausch. Auf einem Pressebild kokettierst du auch mit einer Pille zwischen zwei Chopsticks. Hast du keine Bedenken, dass du die Droge verharmlost?
(überlegt) …Das kann jeder nehmen, wie er will. Ich habe meine guten und schlechten Erfahrungen damit gemacht und finde, dass jeder Mensch selber wissen sollte, was er tut. Wenn es jemand ausprobieren will, dann soll er es mit Vorsicht genießen. Und Leute, die das nicht interessiert, werden das sowieso nicht machen. Beim ersten Hören klingt es natürlich so, als würde ich es verharmlosen. Aber, wenn man nochmal genauer hinhört, sage ich auch die negativen Seiten: Dass ich meine Augen kaum zu bekomme und, dass es mich wahnsinnig macht. Ich habe einfach ein persönliches Album gemacht, mit vielen eigenen Erfahrungen. Das sind alles ehrliche Storys, die ich erlebt habe. Ich finde, dass man als Künstler auch sagen kann, was man will. Das ist mein Statement dazu. Wer sich das Album holt, wird merken, dass es viel mehr als nur um Drogen geht.
Steht der Titel MDMA also nicht nur für den Rausch, sondern für das Konzentrat des Lebens mit all seinen Höhen und Tiefen?
So ist es! Genau das will ich mit dem Album sagen. Deswegen heißt es ja auch „Meine Dimension, mein Alltag“. Egal, wie viel du träumst—irgendwann stößt du immer wieder auf den Alltag. In vielen Songs, in denen ich zwei- oder dreideutig rappe, gibt es immer einen Höhepunkt und immer auch ein Down. Ich bin mit dem Gedanken an das Album gegangen, dass ich es wie einen MDMA-Trip mache. Ich will den Leuten zeigen, dass mein Album wie ihr MDMA ist: Am Anfang sind die „Reinkommer“, dann der Höhepunkt, danach kommen ernstere Themen. Der vorletzte Track ist ein bisschen dramatisch, bis mit dem Outro „Tschüss & Ciao“ das Happy End kommt.
Dein neues Album ist vom Cover bis zu den Tracks ziemlich japanisch durchgestylt. Du bist eigentlich Halb-Philippino—wie kommt es, dass du ausgerechnet so auf Japan abfährst?
Das Ding ist: Das ganze Projekt ist ein einziges Konzept. Wir hatten den Titel MDMA, dann die Idee, alles asiatisch zu machen und dann haben wir überlegt, welche asiatische Stadt am besten zum Albumtitel MDMA passt. Und dann sind wir halt sofort auf Tokio gekommen: Die Farben, die Lichter, das Nachtleben.
Also spiegelt Tokio mit seiner ganzen Reizüberflutung auch wieder den Albumtitel und die Droge wider?
Genau, aber es passt halt auch wieder sehr gut zum Sound. Das Ganze ist verkettet: Ich mixe futuristische Sachen und Oldschoolsachen—Japan ist sehr futuristisch, aber auch sehr traditionell. Je mehr wir am Album gearbeitet haben, desto mehr haben wir gemerkt, wie viel alles verkettet ist. Alles hat einen roten Faden. Das Album ist mein Meisterstück. Von allen Releases, die ich bisher hatte, ist MDMA das, woran ich am meisten hänge und glaube.
Diese vielen visuellen Reize gepaart mit Stichwörtern wie Achterbahn, Ausbrechen, Drogen, Kater, Nicht-Erwachsen-Werden-Wollen—wolltest du mit dem Konzept des Albums auch ein bisschen den Nerv einer „Generation Y“ treffen?
Ehrlich gesagt, habe ich an sowas gar nicht gedacht. Bei meiner EP Zu!Gabe wollte ich mich noch eher daran orientieren, was die Leute hören wollen. Aber ich denke, dass das der falsche Gedanke ist. Ein Künstler kann sich nur dann entfalten, wenn er wirklich das macht, was er will. Ich habe einfach nur Songs gemacht, die ich gefühlt habe. Ich bin gar nicht mit dem Gedanken daran gegangen, Musik für die „Generation Y“ zu machen. Ob ich den Nerv der Zeit getroffen habe, werde ich dann sehen, wenn das Album rauskommt. Aber ich bin auf jeden Fall jemand, der nie erwachsen wird—das bin einfach ich.
Du hast auf dem Album einen Fifa-Track gemacht. In dem Lied geht’s um einen Typen, der lieber kifft und Fifa zockt, anstatt etwas Anständiges zu machen. Beschreibt das so ein bisschen deine Jugend und wie du deine Zeit verbracht hast?
Ja, genau. Aber ehrlich gesagt war ich nicht ganz so schlimm wie in dem Song. Ich hatte natürlich auch eine Zeit, in der ich keinen Bock auf gar nichts hatte und nur zuhause vor der Konsole war. Bei dem Track hat mich eher die Fernsehsendung Die strengsten Eltern der Welt inspiriert. Teilweise war ich extrem schockiert, was ich dort gesehen habe.
In der Pressemappe steht über dich, dass du eine „sagenumwobene Biographie“ hast. Das musst du uns genauer erklären.
(lacht) Ich weiß es gar nicht. Das steht da drin? Aber es stimmt schon, ich habe viel erlebt, war sehr viel auf Reisen, man weiß nicht, wie alt ich bin…
Bei deinem Namensvetter Yoshimitsu aus Tekken weiß man auch nicht, wie alt er ist.
Ja, genau! Geil, der nächste rote Faden hat sich gerade geknüpft.
Vor etwas mehr als zehn Jahren hattest du einen Major-Deal bei Emi Music Austria. Standest du da schon mal vor der großen Karriere?
Ja, das war mit meiner Gruppe Family Biz, wo auch Raf dabei war. Wir waren anfangs 16 Leute. Später hat sich ein harter Kern herauskristallisiert und wir waren nur noch zu fünft. Vor der großen Karriere standen wir aber eigentlich nicht, das kann man nicht so sagen. Wir haben HipHop gemacht und in Österreich gewohnt, wo gerade mal acht Millionen Menschen leben. Wir haben es probiert und daran geglaubt. Aber, wenn ich jetzt so daran zurückdenke, glaube ich, dass es nur etwas mehr als ein Hobby war. Wir hätten nicht davon leben können.
In der Zwischenzeit hast du dann ziemlich viel gefeiert und Drogen genommen und du standest kurz vor einem psychischen Zusammenbruch. Was hat dich wieder hochgezogen?
Es war einfach die Selbsterkenntnis, die mich wieder hochgezogen hat. Das mit den vielen Drogen fing an, als ich eine Zeit lang bis zu viermal in der Woche Clubhostings gemacht habe, um mein Brot zu verdienen.
Wie kann man sich das vorstellen?
Ich war mit DJs in den größten HipHop-Clubs und habe den Stimmungsmacher gemacht. Dann war ich halt ständig feiern und dann kam das Eine zum Anderen. Mit Drogen generell kam ich schon ziemlich früh in Kontakt, um ehrlich zu sein. Aber das war schon so meine Hochzeit, was Drogen angeht. Ich bin jetzt nicht stolz darauf, aber ich bereue es auch nicht. Das ist ein Teil meiner Vergangenheit. Und wie gesagt: Nichts ist ein besserer Lehrer als die Selbsterkenntnis. Es gab eine Zeit, in der ich fast abgedriftet wäre. Aber ich bin es nicht. Ich sitze hier und mache mit dir dieses Interview—mir geht es gut!
Hast du je daran gedacht, das ganze Rapding an den Nagel zu hängen?
Ja, in dieser Zeit mit den vielen Drogen und den Clubhostings ist das von selbst gekommen, dass sich das Rappen immer weiter von mir entfernt hat.
Deine Fußballschuhe hast du nämlich schon mal an den Nagel gehängt. Du hast beim österreichischen Bundesligisten Admira Wacker in der Jugend gespielt und warst gar nicht so schlecht…
Ja, ich habe schon als Sechsjähriger angefangen, Fußball zu spielen. Ich war ziemlich gut. Für österreichische Verhältnisse sogar sehr gut. Ich habe auch in der Auswahl gespielt und so weiter. Aber es war irgendwie einfach zu viel für mich und dann hatte ich keinen Bock mehr. Fast wäre ich auf ein Fußballinternat gegangen, aber es hat mich einfach nicht gereizt. Dann kamen auch die ersten Clubbesuche und Mädchen haben mich mehr interessiert als Fußball. Und so habe ich dann die Fußballschuhe an den Nagel gehängt.
Mit Blick auf die Zukunft: Ist dieses Japan-Asia-Ding, das sich wie ein roter Faden durch das Album zieht, auch eine Art Markenzeichen, das du dir aufbauen willst und auch brauchst, um eine Nische im Rapgame zu besetzen?
Ja, ich will diesen Style auf jeden Fall weiter fortsetzen. Einfach auch, weil ich asienbegeistert und selber Asiate bin. Ich mag die Optik von asiatischen Sachen. Wenn ich in ein China-Restaurant gehe und dort Drachen hängen, dann bin ich schon fasziniert. Asien ist für mich bunt und traditionell, es passt einfach gut zu mir und meinem Lifestyle.
Also gibt es auf eurem Label Indipendenza mit Raf Camora, Sierra Kid und Joshi Mizu quasi drei völlig verschiedene Charaktere mit dem jeweils eigenen „Verkaufsargument“?
Genau, ich will das auch so beibehalten. Jeder hat seine Nische und bedient sie, aber wir passen alle auch sehr gut zusammen, finde ich. Wir legen alle viel Wert darauf, dass alles krass produziert ist. Wir sitzen an jedem einzelnen Ton. Wenn man genau hinhört, merkt man, dass alles bis auf die Millisekunde ausproduziert ist. Das ist vielleicht unser gemeinsames Indipendenza-Markenzeichen, dass wir viel Wert auf die Qualität in den Produktionen legen.
Das Album MDMA kommt am 19. September raus. Ihr könnt es auf Amazon oder bei iTunes bestellen. Im Oktober geht Joshi Mizu einen Monat lang auf Tour.
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