Tywin Lannister aus Game of Thrones hat mal gesagt, dass ein wahrer König niemals “Ich bin der König!” sagen muss. Ähnliches gilt für jeden, dem ein klassisches “Ich bin kein Rassist!” aus dem Mund bröckelt. Entweder, weil man so etwas nur als Rechtfertigung von sich gibt, wenn man gerade rassistischen Bullshit vom Stapel gelassen hat. Oder, weil man dem ein obligatorisches “… Aaaaber” folgen lässt. Als wir also Joyner Lucas’ Video zu “I’m Not Racist” in unserer Timeline finden, sind wir sofort getriggert. Immerhin sitzt da ein weißer Typ mit dämlicher “Make America Great Again”-Kappe, rappt wütend auf einen ihm gegenüber sitzenden Schwarzen ein, benutzt immer wieder das N-Wort und verteidigt das noch immer mit einem “Ich bin kein Rassist”. Was zur Hölle soll das?
Aggressiv rattert er die üblichen Stereotype gegenüber Schwarzen runter, die viel zu viele Menschen teilen: Diese Möchtegern-Rapper wollen alle nicht arbeiten, verkaufen nur Drogen und knallen sich gegenseitig ab. Da ballt sich beim Zusehen langsam die Hand zur Faust. Genau solche Sichtweisen sind es, die in den USA von rechtspopulistischen Sendern wie FOX News oder Rechtsaußen-Seiten wie Breitbart News unermüdlich verbreitet und auch hierzulande dank AfD und Co. inzwischen scheinbar salonfähig sind. Umso besser, dass der Trump-Fan endlich mal seinen Stammtisch verlassen hat und in den direkten Dialog mit seinem Feindbild tritt.
Videos by VICE
VICE-Video: “Hinter den Kulissen des gewinnorientierten Kautionssystems der USA”
Denn im zweiten Vers kommt der eben Beschimpfte zu Wort. Er geht leidenschaftlich auf die vorgetragenen Argumente ein, versucht seinem Gegenüber verständlich zu machen, wie verkürzt er doch über viele Sachen denkt. Er erwähnt auch den Eminem-Auftritt bei den BET-Awards und betont, wie wichtig es doch war, dass sich ein Weißer kompromisslos gegen Trump und an die Seite der Diskriminierten gestellt hat. Die Weltsicht des Trump-Fans bekommt sichtlich immer mehr Risse. Am Ende stehen sich die Beiden gegenüber, reden locker miteinander und folgender Spruch wird eingeblendet: “Wir alle sind Menschen, bis Ethnie uns trennt, Religion uns spaltet, Politik uns teilt und Reichtum uns klassifiziert.”
Dann sind die fast sieben Minuten Rap vorbei. Wir lehnen uns zurück und wissen, dass wir gerade das beste Stück Conscious-Rap seit einer gefühlten Ewigkeit gesehen haben. Gegen dieses starke Statement verblasst selbst Eminems Cypher. Das ist eben kein einseitiger Diss, sondern eine wirkliche Auseinandersetzung, ein gleichwertiges Beleuchten gegensätzlicher Standpunkte, ein (wenn auch inszeniertes) Aufeinandertreffen zweier scheinbar unversöhnlicher Menschen. Kein Wunder also, dass dieses Video schon nach 16 Stunden bereits 13 Millionen Views gesammelt hat. Verdient hat es noch viele mehr.
Fast hätten wir in all dem Turn-up-Feuer vergessen, was Rap eben auch sein kann. Danke dafür, Joyner Lucas – dessen aktuelles Mixtape 508-507-2209 solltet ihr euch unbedingt anhören: