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Kochen

Liebe Köche, lasst die Finger von Garnituren!

Der Grund, wieso Gerichte wie Schwarzwälder Kirschtorte, Beef Wellington oder Quiche Lorraine so beliebt und langlebig sind, sind ihre perfekten Geschmackskombinationen und trotzdem meinen moderne Köche, sie müssen sie mit irgendwelchen unnötigen...
Photo via Flickr user kenudigit

In einer Zeit, in der alles, was mit Essen zu tun hat, als unglaublich hip gilt, wird mehr Zeit und Mühe ins Kochen gesteckt und viel Wert auf Kreativität gelegt. Das ist an sich ja etwas Positives, weil es beispielsweise Großbritannien auch dazu verholfen hat, sich als gastronomische Macht neu zu erfinden. Aber hat dieser Enthusiasmus Essen zu kompliziert gemacht und ist ihm der Geschmack zum Opfer gefallen? Wer ständig versucht, innovativ zu sein, vergisst schnell die Wurzeln des klassischen Kochens.

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„Klassisches", traditionelles Essen kommt viel zu selten in der modernen Küche vor, wir sollten es viel mehr feiern. Gerichte wie Schwarzwälder Kirschtorte, Coq au vin, Beef Wellington und Quiche Lorraine sind aus der Mode gekommen —was irgendwie vielleicht verständlich ist, weil sie hartnäckig und ziemlich schlecht als fahle Fertiggerichte imitiert wurden.

Der Grund sind, wieso diese Gerichte so wichtig sind und wieso sie so lange überdauert haben, sind ihre perfekten Geschmackskombinationen. Einmal wollte ich geräucherten Kabeljau-Rogen auf Toast mit Gurke und Dill servieren. Mein damaliger Küchenchef konnte mit dieser Schlichtheit nichts anfangen und schlug vor, dass ich das Gericht vielleicht mit einem Apfel aufpeppe—eine komplett unnötige Garnitur für so eine harmonische Kombination.

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Die angesehene Food-Journalistin Elizabeth David wusste um die Wichtigkeit, sich gegen unnötige Verzierungen zu widersetzen. „Man möchte vielleicht hinzufügen, dass es auch die Kunst—oder die Disziplin, wie man es auch nennen möchte—gibt, etwas einfach so zu lassen, wie es ist", schrieb sie 1961 im Magazin The Spectator.

In der modernen Küche scheinen alle dazu zu neigen, immer mehr mit ihrem Essen machen zu wollen. Garnituren: Tuiles, Emulsionen, „Erde", Gele, Konsistenzen, Schäume, Espumas, Mikro-Kräuter, Blüten. Prozesse: Wasserbad, Pressen, Trocknung und Rehydration, Schlagen, Anbrennen.

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Manchmal hat man auch Erfolg damit und Köche wie Rene Redzepi vom noma und Magnus Nilsson vom Fäviken sowie Isaac McHalt von The Clove Club und James Lowe von Lyle's sind Meister darin, multidimensionales Kochen mit kompliziert angerichteten Gerichten zu verbinden, die auf allen Ebenen für Staunen sorgen. Sie alle nehmen einen wichtigen Platz in der weltweiten Gastronomieszene ein, aber in keinem ihrer außergewöhnlichen Gerichte spielt der Geschmack die zweite Geige. Und das ist der springende Punkt.

Man muss sich nur einen der besten Salate Londons ansehen: der Erbsen-Ticklemore-Salat im St. John Bread & Wine, der aus rohen Erbsen, dünnen Scheiben Ticklemore-Ziegenkäse, einem zitronigen Dressing und ein bisschen Minze besteht. Das war's und er ist perfekt.

Setzt man diesen Salat in einen modernen Kontext, wird der Salat zu rohen Erbsen, gekochten Erbsen, Erbsenpüree (Erbsen mit verschiedenen Konsistenzen, wenn man so will), gehobelter Ticklemore, ein Ticklemore-Chip (vielleicht sogar ein Ticklemore-Schaum?), getrocknete Minze und ein paar Kapuzinerkresseblüten und Primel, damit es „hübsch" aussieht. Das ist ziemlich anstrengend—für den Koch, aber auch für den Kunden—und man sollte sich fragen: Zahlt sich diese mühevolle Arbeit überhaupt aus?

Letzten Sommer haben wir in der Rochelle Canteen einen einfachen Pfirsich als Nachspeise serviert—nicht, weil wir keine Zeit für etwas anderes hatten oder zu faul waren, sondern weil dieser Pfirsich so perfekt war, dass ihn nichts noch besser machen hätte können.

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ARTIKEL: Hipsterköche sind keine guten Köche

Etwas so Schlichtes kann problematisch sein, weil die meisten Leute mit einer gewissen Erwartungshaltung essen gehen. Der Satz „Das könnte ich zu Hause auch", ist trotzdem fehl am Platz. Schließlich geht es auch darum, dass man zu Hause die meisten Produkte gar nicht in dieser Qualität bekommen könnte.

Wenn man ein ausgezeichnetes Produkt hat, ist es völlig in Ordnung, das auch zu zelebrieren. In Italien ist es während der Kirschensaison beispielsweise normal, dass in Restaurants Schüsseln mit Kirschen auf Eis serviert werden, ohne irgendetwas anderes, weil sie so einfach am besten schmecken. Die nicht vorhandene Angst, etwas nicht zu kochen, ist so erfrischend.

Ein Obst- und Gemüselieferant erzählte kürzlich, dass ein Restaurant die Grünkohllieferung zurückschickte, weil die Blätter zu klein waren. Damit ihr Gericht gut aussieht, brauchten sie scheinbar größere Blätter. Irgendwie ist es ziemlich deprimierend, dass es die Schuld des Gemüses war, weil es nicht die richtige Größe hatte und deshalb nicht auf die Speisekarte des Kochs passte. Das bedeutet, dass der Koch spricht und nicht die Zutaten nicht für sich selbst.

Letzten Sommer haben wir in der Rochelle Canteen einen einfachen Pfirsich als Nachspeise serviert—nicht, weil wir keine Zeit für etwas anderes hatten oder zu faul waren, sondern weil dieser Pfirsich so perfekt war, dass ihn nichts noch besser machen können hätte.

Manchmal scheint es diesen Drang zu geben, mit Zutaten herumzuspielen, nur damit etwas neu oder anders ist. Butter ist diesem Trend kürzlich zum Opfer gefallen und findet sich geschlagen (arme Butter), mit Hähnchenhaut oder Knochenmark aromatisiert oder geräuchert auf den verschiedensten Tellern. Durch das Konkurrenzdenken stehen die Köche unter ständigem Druck, mithalten zu müssen. Wenn jeder ständig versucht, noch mehr zu machen will, ist es nicht ganz einfach, mit Überzeugung weniger zu machen. Es ist leicht, den Platz von „einfachem" Essen zu hinterfragen, wenn jeder versucht, das Rad neu zu erfinden.

Jeder sollte selbstbewusst genug sein, Essen auf einfache Art und Weise zuzubereiten und sich nicht dazu gedrängt fühlen, immer noch etwas hinzuzufügen. Die einfachen Gerichte sind meistens die besten: die Krabben-Mayonnaise vom Quo Vadis, der Käsetoast vom St. John, Tagliarini mit Tomatensauce im River Café oder der Sonntagsbraten zu Hause.

Traditionelles, klassisches, einfaches Essen—egal, wie man es nennen will—bewirkt etwas in unserem tiefsten Inneren und hat die Fähigkeit, uns ein wohliges und zufriedenes Gefühl zu vermitteln. Kompliziertes Kochen schafft das einfach nicht. In einer Zeit, in der wir so großartige Zutaten zur Verfügung haben, muss man viel weniger dekorieren.

Also sei mutig. Setz auf weniger und hab Vertrauen in deine Zutaten.