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Porno-Stars erklären, wie sie die Social-Media-Richtlinien umgehen, um Werbung für sich zu machen

Trotz mehr oder weniger strenger Vorgaben in Bezug auf den Jugendschutz ist es Erotik-Darstellerinnen möglich, ihre Szenen und Shows auf Twitter und Co. zu bewerben. Viele Fans verlangen jedoch nach mehr.

Illustration: Joel Benjamin

Man muss sich nicht lange durch Meana Wolfs Twitter-Account scrollen, um über ein Autoplay-Video inklusive erigiertem Penis zu stolpern. Wolf ist eine Fetisch-Porno-Darstellerin und deswegen ist dieses Video auch keine große Überraschung. Was jedoch ziemlich seltsam anmutet, ist die Tatsache, dass man selbst fünf Jahre, nachdem zum ersten Mal sexuelle Inhalte auf "normalen" Social-Media-Plattformen aufgetaucht sind, nicht wirklich etwas dagegen unternimmt. Egal ob nun Twitter, Snapchat, Whatsapp, Tumblr, Instagram oder selbst LinkedIn, überall lassen sich pornografische Bilder und Videos finden.

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Zwar meint Wolf, dass Twitter zu Werbezwecken sehr sinnvoll sein kann, aber sie nutzt die Plattform vor allem zum Networken. "Auf Twitter kommt es oft zum ersten Kontakt zwischen Porno-Darstellern und -Produzenten. Ich habe schon viele Kollegen aus der Industrie kennengelernt, indem ich ihnen zuerst gefolgt bin und sie dann angeschrieben habe", erzählt sie mir von Kanada aus. Und auch für die Amateur-Darstellerin Curious Clover war Twitter ein guter Startpunkt für ihre Karriere.

"Vor ein paar Jahren hat mich PlumperPass auf Twitter kontaktiert und kurz darauf bin ich nach Miami geflogen, um dort meine erste Szene zu drehen. Im August werde ich dorthin zurückkehren und inzwischen stehe ich dank Twitter auch mit anderen Produktionsunternehmen in Kontakt. Ich halte die Plattform also definitiv für ein nützliches Werkzeug, um sich einen Namen zu machen." Twitter ist also zwar ein gutes Marketing-Tool, aber Geld verdienen lässt sich damit nicht wirklich.

Die Plattform selbst bezahlt die Stars nämlich nicht direkt, sondern fungiert eher als eine Art Vermittler für den Bezahl-Content auf anderen Websites. Sowohl Meana Wolf als auch Curious Clover tweeten bei der Veröffentlichung neuer Clips den entsprechenden Link in Zusammenhang mit einem Gif oder einem aufreizenden Foto. Und wie ein Social-Media-Editor werten sie dann die Zahlen aus.

"Seitdem ich meine Posts durch eine Seite laufen lasse, die festhält, wie oft die User meine Links anklicken, habe ich schon einen beträchtlichen Anstieg verzeichnet", sagt Clover. "Das ganze Twitter-Ding bringt mir viel mehr Traffic." Für viele Cam-Girls ist es außerdem ganz normal, Links zu ihren laufenden Cam-Shows zu tweeten und Klicks dann direkt zu belohnen. Clover zufolge lassen sich bei einer Cam-Show normalerweise zwischen 20 und 50 Dollar verdienen. Wenn sie die Show jedoch auf Twitter bewirbt, dann springen auch gerne mal über 100 Dollar raus.

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In den vergangenen Jahren hat sich Twitter Clover zufolge für Cam-Girls zu der Plattform Nummer eins entwickelt, auf der man nicht-jugendfreie Inhalte posten kann, ohne dafür Ärger zu bekommen. Im Gegensatz zu Social-Media-Netzwerken wie etwa Facebook hat Twitter nämlich den Ruf, bei pornografischen Fotos und Videos auch mal beide Augen zuzudrücken. So verbieten die Twitter-Richtlinien zwar den Gebrauch von expliziten Medien als Profil- oder Kopfzeilenbild, aber im Feed ist so etwas oftmals kein Problem—so lange man das Ganze als "sensible Medien" kennzeichnet.

Clover erzählt mir, dass die meisten ihrer Posts unter diese Vorgabe fallen. Aber selbst wenn ein Tweet als sensibles Medium gilt, muss man als User nur eine Warnmeldung wegklicken und das war's. Clover ist der Meinung, dass "die Zensur auf Twitter so gar keine wirkliche Zensur ist." Sie wünscht sich sogar, dass es einen wirksameren Jugendschutz-Mechanismus geben würde. "Twitter wird ja auch bei wirklich jungen Leuten immer beliebter. Meine Schwester ist zum Beispiel erst 12 Jahre alt."

Auf meine Bitte nach einer Stellungnahme reagierte Twitter nicht, aber eine schnelle Recherche ergab, dass Zensur und Jugendschutz nicht gerade das Steckenpferd des Unternehmens darstellen. 2009 hagelte es zum Beispiel Kritik, als man in pornografischen Profilen Werbung einblendete. Und dann machte sich auch noch ein Hacker ans Werk und verbreitete über Twitter einen Trojaner. In einer im Jahr 2015 geleakten Notiz schrieb der damalige Twitter-CEO Dick Costolo sogar direkt, dass das Unternehmen Probleme damit hätte, gegen Trolls und dergleichen vorzugehen. "Da sind wir jetzt schon seit Jahren scheiße drin", ließ er verlauten.

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Das liegt vielleicht daran, dass sich Twitter mit der Ausnahme von einigen automatisierten Zensursystemen vor allem auf die breite User-Masse verlässt, wenn es um das Melden sensibler Inhalte geht. Da die Social-Media-Plattform jedoch so rasant wächst, wird es immer schwerer, solche Regeln auf eine einheitliche Art und Weise durchzusetzen. Wen stört denn heutzutage zum Beispiel noch ein gelegentliches Arsch- oder Titten-Foto? Hier verhält es sich ähnlich wie bei legalen Drogen. Ein pornografischer Account ändert einfach nur ein bisschen sein Rezept und schon fällt er durch das Raster.

"Meine Fans interessiert es ja auch, was hinter den Kulissen abgeht. Sie wollen es mit dem 'Mädchen von nebenan' zu tun haben. Die Porno-Darstellerin bekommen sie woanders ja auch umsonst."

Auch auf Snapchat lässt sich etwas Ähnliches beobachten. Hunderte Porno-Stars und sogar Unternehmen wie Redtube oder Brazzers haben dort Accounts. Clover war dabei eine von vielen, die für ihre Snaps Geld verlangen—egal ob nun in einem monatlichen, jährlichen oder lebenslangen Beitrag. Zwar verbieten die Nutzungsbedingungen, Snapchat-Inhalte ohne eine schriftliche Genehmigung zu verkaufen, aber diese Regelung scheint nicht wirklich viel Gewicht zu haben.

"Früher habe ich noch 10 Dollar pro Monat verlangt. Für ein ganzes Jahr waren es 50 Dollar. Und selbst wenn dich die Leute finden, ohne zu bezahlen, kannst du sie immer noch blockieren." Viele Porno-Stars haben auch Wunschzettel und geben einem nur dann den Zugang zu ihren Snapchat-Accounts, wenn man ihnen etwas von diesem Wunschzettel kauft. Und das kann alles sein—von Unterwäsche bis hin zu einem Auto. "Die größte 'Spende', die ich jemals erhalten habe, war ein Scheck in Höhe von 5.000 Dollar, damit ich mir ein neues Auto kaufen konnte", erzählt mir Clover.

Inzwischen gehen viele Porno-Stars—auch Clover—jedoch dazu über, ihre Snapchat-Profile kostenlos zugänglich zu machen. "Das Ganze ist einfach ein gutes Marketing-Werkzeug", meint sie. "Ich versuche dabei immer, die Balance zwischen dem Porno-Zeug und meinem Alltag zu wahren. Meine Fans interessiert es ja schließlich auch, was hinter den Kulissen abgeht. Sie wollen es mit dem 'Mädchen von nebenan' zu tun haben. Die Porno-Darstellerin bekommen sie woanders ja auch umsonst."

Dieser Ansatz scheint der Schlüssel zum finanziellen Erfolg in der Sex-Industrie zu sein. Dem stimmt auch Wolf zu: "Die großen Porno-Unternehmen wollen, dass die Darsteller und Darstellerinnen mit den Fans interagieren, denn das ist heutzutage extrem wichtig. Warum? Weil die Konsumenten sich nicht mehr einfach nur einen runterholen wollen. Nein, sie wollen jetzt auch alle Instagram-Bilder liken und mithilfe der ganzen Tweets und Snaps die Person hinter der Fassade kennenlernen."

Wolf ist auch der Meinung, dass viele ihrer Fans nach einem emotionalen Kontext für ihr sexuelles Verlangen suchen. Ihnen gefallen dementsprechend auch Wolfs verschiedene Marotten abseits des Porno-Sets. "Je mehr sie auf eine Darstellerin stehen, desto häufiger wollen sie deren Videos anschauen. Das ist für die großen Porno-Firmen extrem vorteilhaft, weil sie so natürlich mehr Abos verkaufen. Letztendlich ist das Ganze eine Win-win-Situation für alle involvierten Parteien."

Porno-Stars sind innovativ. Und mit fortschreitender Entwicklung der Social-Media-Landschaft wird die Sex-Industrie auch immer wieder neue Wege finden, genau das auszunutzen. Und da sich ganze 35 Prozent des Datenverkehrs im Internet auf pornografische Inhalte zurückführen lassen, ist es kein Wunder, dass man ständig neue Schlupflöcher findet.