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Pferdefleisch

Dieser Fleischdetektiv ist dem Pferd in deinem Essen auf der Spur

Wenn dir das eine oder andere Pferd in deinem Essen nicht egal ist, solltest du dich vor gepökeltem Rindfleisch in Acht nehmen. Ein deutsches Forscherteam deckt auf.
Photo via Flickr user Luke Chan

Wir mögen doch alle ein gutes Rätsel. Außer, wenn es um Fleisch geht.

2013 erschütterte ein Fleischskandal Europa, nachdem mehrere Supermarktketten Rindfleischprodukte mit billigerem Schweine- und Pferdefleisch gestreckt hatten.

Obwohl das verwendete Fleisch teilweise positiv auf Phenylbutazon—ein Schmerzmittel, das oft Rennpferden verabreicht wird, aber bei Pferden für die Lebensmittelproduktion verboten ist—getestet wurde, war der Pferdefleischskandal weniger ein Problem im Hinblick auf die Volksgesundheit, vielmehr stand unser äußerst beschränktes Wissen über die Herkunft von Lebensmitteln im Rampenlicht.

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Konsumenten und Händler setzen sehr viel Vertrauen in die Lebensmittelproduzenten, dass sie auch genau das liefern, was das Etikett verspricht. Aber wie soll man ein Fleisch vom anderen unterscheiden können, nachdem es gehackt, zu Fleischbällchen geformt und tiefgefroren in einen unschuldig aussehenden, mikrowellenfesten Behälter gefüllt worden ist?

Prof. Dr. Hans-Ulrich Humpf, ein Forscher am Institut für Lebensmittelchemie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, hat für dieses Problem eine Lösung. Humpf und sein Forscherteam haben eine neue Methode entwickelt, mit der sie in Mahlzeiten verarbeitetes Eiweiß analysieren, und konnten somit erfolgreich den Pferdefleischgehalt von Fertiggerichten sowie hausgemachten Mahlzeiten feststellen, auch wenn es nur Spuren davon enthält. Kürzlich veröffentlichten sie ihre Ergebnisse im Journal of Agricultural and Food Chemistry.

Die Forscher verwendeten für ihre Tests sowohl kommerziell hergestelltes Essen, als auch ihre eigenen Rezepte für Hackbraten und Fleischbällchen, die sie kochten, abkühlen ließen und in flüssigem Stickstoff einfroren. Nach ein paar Sekunden in einem Labormixer kamen die Testproben in eine Zentrifuge und wurden anschließend mit einem Massenspektrometer analysiert.

Wir baten Humpf, uns ein bisschen etwas über seine Forschung, seine Ergebnisse und die derzeitige Lage des Fleischbetrugs zu erzählen. Fazit des Gesprächs: Wenn dir das eine oder anderen Pferd in deinem Essen nicht egal ist, solltest du dich vor gepökeltem Rindfleisch in acht nehmen.

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MUNCHIES: Hallo, Prof. Dr. Humpf. Was war der Anstoß dafür Fleisch zu untersuchen? Prof. Dr. Hans-Ulrich Humpf: Am Anfang hatte dieses Projekt ganz andere Hintergründe und zwar ethische und religiöse Bedenken im Hinblick auf Fleischkonsum. Wie du bestimmt weißt, dürfen Muslime kein Schweinefleisch essen. Wir wollten also mit dieser Methode Spuren von Schweinefleisch in Halal-Rindfleisch oder anderen Fleischproben feststellen. Während des Projekts stand plötzlich das Pferdefleischskandal in den Medien und deshalb nahmen wir auch Pferdefleisch in unsere Untersuchungen auf.

Wie ernst ist derzeit das Problem des Fleischbetrugs in Europa und auf der ganzen Welt? Das Problem ist der weltweite Markt. Fleisch wird rundum die Welt transportiert. Es gibt einige schwarze Schafe [Produzenten], die ihren Gewinn optimieren wollen. Und das war letztes Jahr in Europa auch der Fall, als in vielen Produkten Pferdefleisch festgestellt wurde.

Wenn du Lasagne mit Rindfleisch isst, würdest du natürlich gerne wissen, ob es auch wirklich Rind ist und das kannst du mit unserer Methode überprüfen. Nach dem Skandal sind aber viele der Fleischproduzenten, der weltweiten Lieferanten und die Lebensmittelbehörden aufgewacht und mittlerweile werden vermehrt Kontrollen durchgeführt.

Wie unterscheidet ihr im Labor zwischen verschiedenen Fleischsorten? Das Muskeleiweiß ist bei den meisten Fleischsorten sehr ähnlich, aber es gibt ganz feine Unterschiede. Es ist mit einem Fingerabdruck vergleichbar. Wenn du mehrere Finger (zum Beispiel von Neugeborenen) vergleichst, sehen sie alle mehr oder weniger gleich aus. Wenn du die Fingerabdrücke aber genauer unter die Lupe nimmst, sehen alle unterschiedlich aus.

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Wir wenden dasselbe Prinzip an und können die feinen Unterschiede im Eiweiß der verschiedenen Tierarten erkennen. Dafür wenden wir ein Verfahren an, das sich Massenspektrometrie nennt und mit dem ein charakteristischer „Fingerabdruck" des Eiweißmusters in der Fleischprobe erkennbar wird. Dieses Verfahren ist in der Lebensmittelanalyse sehr verbreitet, um beispielsweise das Vorkommen von Pestiziden festzustellen. Wir haben den Massenspektrometer aber zum ersten Mal zur Unterscheidung verschiedener Fleischsorten eingesetzt. Mit den bisherigen Technologien (PCR und ELISA) können wir normalerweise nur eine Tierart und nicht mehrere gleichzeitig feststellen. Mit unserem neuen Verfahren geht das. Das nennen wir eine „Multimethode".

Außerdem scheitern andere Methoden manchmal bei hochindustriell verarbeiteten Lebensmittelproben. Wir haben aber bewiesen, dass unsere Methode auch bei industriell verarbeitetem Essen funktioniert, wie zum Beispiel bei Lasagne oder angebratenen Fleischbällchen. Die analytische Sensitivität ist vergleichbar und unter optimalen Bedingungen können wir den Pferdefleischgehalt in Rindfleisch bis auf 0,1% feststellen.

Ist Ihr Team auf viele Betrugsfälle bei Fleischprodukten aus dem Supermarkt gestoßen? Als wir anfingen, Pferdefleisch zu untersuchen, war der Pferdefleischskandal bereits bekannt und die Produzenten und Lieferanten führten bereits verstärkt Kontrollen durch. Deshalb hatten wir nur wenige Proben mit nicht gekennzeichnetem Inhalt. Wir stellten aber zum Beispiel fest, dass gepökeltes Rindfleisch aus der Dose vom Supermarkt um die Ecke aus 100% Pferdefleisch bestand!

Was ist eigentlich falsch daran, Pferde zu essen? Das ist eine gute Frage. Pferdefleisch ist qualitativ hochwertiges Fleisch und meistens teurer als Rindfleisch. In Deutschland gilt Pferdefleisch sogar zum Teil als Delikatesse. Ich denke, die Leute hatten Bedenken, weil das Pferdefleisch nicht als solches gekennzeichnet war. Außerdem wurde Pferdefleisch verwendet, das nicht für den Verzehr vorgesehen war. Das Fleisch stammte von alten Arbeitspferden aus Osteuropa und war voller Tiermedikamente.

Das klingt ja nicht gerade appetitlich. Mit Medikamenten vollgepumptes Fleisch mal beiseite, was ist Ihr Lieblingsgericht? Ich mag Barbecue sehr gerne, wie wahrscheinlich die meisten Amerikaner. Mein persönlicher Favorit ist gegrilltes Rindfleisch.

Vielen Dank für das Gespräch.