Wir erinnern uns. Dendemann war neben einigen Anderen verantwortlich dafür, Rap als so eine Art Naturschutzgebiet der deutschen Sprache einzuzäunen. Das ganze ist schon eine Weile her und mittlerweile trampelt jeder durch als wäre es das verdammte Disneyland. Das soll jetzt hier nicht als Rede für die Entidiotisierung des Rap missverstanden werden. Idiotischer Rap hat ja auch definitiv etwas für sich. Es soll nur andeuten, dass Dende mit seinem Ansatz heute etwas allein auf weiter Flur rumsteht.
Prinzipiell eine ganz interessante Ausgangslage. Hat er sich vielleicht auch gedacht und deswegen ein Album aufgenommen, das musikalisch so gut wie nichts mehr mit HipHop zu tun hat und tatsächlich klingt wie nichts anderes zurzeit. Es ist ein Album, das irgendwo zwischen Rock und Rap entstanden und weder das eine, noch das andere, noch Crossover ist. Ja, was ist es dann? Wissen wir auch noch nicht so richtig. Dende sagt, es ist ein Dende-Album. Das muss reichen.
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Vice: Sahst du irgendwann in deinem Leben schon mal so aus, wie du jetzt aussiehst?
Dendemann: Nein. Aber ich hatte schon mal schlechtere Frisuren als das hier.
Worauf ich hinaus wollte, hast du eine Metal-Vergangenheit?
Die erste Musik, die ich kaufte, war Metal. Na gut, ich hab vorher auch schon ein paar Platten gekauft, in der Grundschule. Zwei Nena-Alben, Falco, Paul Hardcastle und Duran Duran. Als das mit den CDs losging, hab ich erstmal Anthrax, Ozzy und so was gekauft. 89 kam dann schon Public Enemy, ich habs nicht verstanden, aber erstmal für zwei Monate auf Halde gelegt. Dann kam De La Soul und dann war es schon vorbei.
Du willst aus HipHop raus, sehe ich das richtig? Du sprichst auf dem neuen Album davon, das Nest zu verlassen …
Zu dem Zeitpunkt als ich das geschrieben habe, fühlte ich mich mit meiner HipHop-Vergangenheit wie dieser 35-Jährige, der sich immer noch von Mutter das Essen hinstellen lässt und einfach aufgrund der Notwendigkeit es nicht heraus schafft von zuhause und da dann auch hängen bleibt, alleine. Der keine Frau findet, der niemals Kinder haben wird und dies und das. Ich kann nicht behaupten, mit HipHop alles erreicht zu haben, aber diejenigen, die so einer Art von Text interessiert gegenüber stehen, die findet man auch heute immer weniger im HipHop.
Bist du Kulturpessimist? Glaubst du, dass es so jemanden wie dich in Rap in zehn Jahren überhaupt noch geben kann?
Unbedingt. Mehrere noch. Gerade da. Weil es dort genau darum geht.
Geht es denn wirklich noch darum?
Ich weiß, dass da etwas kommt. Ein Jahr, anderthalb, dann sind die, von denen ich jetzt sage, das muss man zumindest mitgekriegt haben, dann sind die glaube ich soweit. Die haben aber alle den Nachteil, nicht schon in der Zeit dabei gewesen zu sein, wo die Buchungssituation so unglaublich gut war. Ende der Neunziger wurden wir alle, Eins Zwo, Fünf Sterne, Dynamite, Doppelkopf, wir wurden alle zwei Jahre von ner Agentur durch die Jugendzentren geschickt, bevor wir ne Platte machen durften. Also geht erstmal raus und guckt euch die Welt an. So sind wir dann verdealt worden, der lustige Hamburger Abend in Jena. Das war schon ganz schön krass. Das war ne super Zeit. Das kriegst du heute gar nicht mehr unter. Da haben wir es damals echt leichter gehabt. Das ist auch ein großes Manko im HipHop – die schlechte live-Performance. Da geht auch eine Chance verloren. So Acts wie Beginner, die ja etwas früher da waren, haben immer alles in die live-Geschichte gesteckt. Immer, wenn es nen Hunni mehr gab, wurde eine weitere Person verpflichtet. Die ganzen Vorschüsse wurden immer in Studios gesteckt. Deswegen können diese Leute heute auch noch so autark auf ihrem Level produzieren.
Meine Frage zielte weniger auf die live-Qualität als auf die Textqualität.
Ja, ich weiß und ich weich aus. Ich weiß, dass ich gut bin. Ich kriege ja auch außerhalb von HipHop genug Schulterklopfer dafür. Du findest das vielleicht gut, aber viele Leute finden es auch total nervig, weil es so wichtigtuerisch rüberkommt, weil sie sich ausgeschlossen fühlen, von Vokabeln.
Aber wie siehst du den Markt dafür? Denkst du, dass die Zeit dafür vorbei ist? Denkst du, dass es überhaupt noch jemanden interessiert?
Ich denke dass es … (schnauft) … ich glaube, es entsteht gerade im HipHop eine musikalische Freiheit. Dass die Rapper sagen: ich halte mich für nen Rapper und das bedeutet, ich muss auf jede Art von Musik rappen können. Das ist so das nächste Ding, was vermutlich schon längst läuft.
Diese Technonummer oder was?
Genau. Es gibt dann halt so Mickey Factz, der hat dann einfach auf seinem Album nen Justice-Beat drauf. Und das ist, ach Gott, wenn dann so wenig passiert, kann man dann eben schon schreien: Oh, es öffnet sich. Aber nicht wirklich. Was das Textliche angeht … ich bin ja selber gar nicht Fan von Sachen, wie ich sie selbst gemacht hätte. Ich finde ja immer die einfachen Sachen gut. Ich finde das ja gar nicht so wichtig, dass man jede Zeile dreimal hören muss. Eigentlich das Gegenteil. Ich reiße mich permanent zusammen. Das was ihr hört, ist wirklich ein Best of. Der ganze Rest, all die noch flacheren Wortspiele, erzähle ich auf Parties, bis ich eine Person zu oft getroffen habe und sie mich unterbricht und sagt: den hatten wir schon vor zwei Jahren auf der Dingsparty von Sowieso. Ich komme mit meinen Sprüchen, teste die und wenn da wirklich was geht, kommen die auf ne Platte. Und ansonsten … ich finde es einerseits gut, dass es so wichtig ist, dass man in Deutschland gute Texte schreibt. Die ganze Hamburger Schule wird ja nicht wegen ihrer Gitarrenmelodien gefeiert. Deswegen gehöre ich ja da auch immer noch gerne dazu oder sehe mich da. Aber das Hauptproblem ist, dass ganz viele Leistungsträger gemerkt haben, es geht auch mit weniger Aufwand. Wenn du deinen eigenen Anspruch so weit runterschraubst, wer soll dich da größer machen als du dich selbst?
Wo sind deine Ansprüche heute?
Wo sie immer waren. Lange mit dem glücklich sein, was nun mal leider für die Ewigkeit konserviert ist. Ist natürlich immer schwitzig, wenn es beim Mastering ist, weil man danach nichts mehr ändern kann. Aber ich sorge eben vorher dafür, dass ich möglichst wenig schwitze. Das geht meistens gut, aber es gibt auch immer wieder Songs, wo es nicht geklappt hat. Damit kann man leben.
Ist dein Kopf permanent auf Textsuche oder setzt du dich gezielt hin, um zu schreiben?
Es beginnt immer mit nem dummen Spruch, irgendjemand sagt was Doppeldeutiges. Das ist ein Automatismus. Das war früher noch eine ganz andere Nummer, als ich mit mehreren Kollegen so drauf war. Das muss schon unangenehm gewesen sein, das als Unbeteiligter zu beobachten. Es wurde nichts mehr einfach im Raum stehen gelassen. Man fand sich besonders witzig und dies und das, aber da war eine Grundaufmerksamkeit für die deutsche Sprache und für was da gehen könnte. So, das ist mein täglich Brot, diese Sachen zu erkennen. Das ist das, was mich da draußen gut sein lässt. Je mehr ich davon finde, desto einfacher wird das Schreiben. Diese Aufmerksamkeit haben ganz viele Leute über Bord geworfen. Und ich irgendwie nicht. Das macht mich für viele Leute zu nem anstrengenden, nerdy Typen, aber wenn ich dann mal wieder ne Platte mache, habe ich genug von den Dingern aufm Zettel.
Es gibt auch keine Werkstoffallergie, wie bei einem Pizzabäcker, der privat niemals Pizza essen gehen würde …
Was laute Musik hören angeht, schon. Auf Tour, wenn da noch jemand meint, sich im Bus die Dresche geben zu müssen, dann geh ich lieber. Bei Texten nicht. Das hängt auch damit zusammen, dass ich mich dann in dem Moment auch besonders lustig finde. (lacht) So peinlich das ist.
Was war der letzte, über den du selber gelacht hast?
Viele, die auf Platte kommen, sind als Joke anders. Wenn wir uns auf ner Party getroffen hätten und ich nicht wüsste, was ich erzählen soll, dann hätte es sein können, dass ich ab nem bestimmten Pegel zu dir sage: Hier, wusstest du schon, Deichmann rechnet nächstes Jahr auch wieder mit reißenden Absätzen. Das war die Witzvariante.
Brauchst du einen Denkprozess, um zu Reimen zu finden oder geht das auch spontan?
Es ist etwas Schönes passiert. Von einer Quälerei durch die Silben ist über die Jahre ein solides Handwerk geworden. Es passiert nicht mehr, dass ich eine Zeile schreibe, die schwer zu rappen ist. Es ist wirklich endlich drin. Auch wenn ich acht- oder elfsilbig reime, sind das Konstrukte, die relativ schnell entstehen. Ich höre nur noch die Vokalfolge … dödödödö … sag mal was?
Also, folgendes: ich habe heute mal bei Spiegel Online ein paar Headlines abgeschrieben und wollte mal gucken, ob du einen Reim drauf machen kannst.
Ok.
„Lufthansa sucht Showdown vor Gericht.”
(überlegt) Ok, siehste, was jetzt passiert: Lufthansa ist am Anfang, da kümmer ich mich nicht drum. Aber ich will zumindest Showdown vor Gericht. Das sind die betonten letzten Silben. Die würde ich gerne reimen wollen. Oh au er ich, das ist die Vokalfolge. Bleib ich weiter Dende oder werde ich – wie die Lufthansa zum Showdown vor Gericht. So was wäre das.
Noch einen?
Ja.
„Neuner wettert gegen grobe Olympiahelfer.”
Helfer gefällt mir sehr gut, denn ich hatte gerade ein Reimproblem mit diesem F vorgestern. O-lympia-helfer. Auf das O muss ich wohl verzichten, das wird wohl nix. Der Typ geht nicht klar wie’n stümpiger Elfer, drei Ecken, rein gar nix, der Olympiahelfer. (kichert)
Der letzte: „Westerwelles Thesen spalten die Union.”
Ich bin so derbe, die Leute halten mich für’n Klon (Clown – Anm. d. Red.) mänämänämä … Westerwelles Thesen spalten die Union.
Na immerhin, vielen Dank!
Dendemanns Vom Vintage verweht erscheint am 09.04. bei Four Music.
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