Es ist ein Wesenszug des Weltuntergangs, wie wir ihn kennen, dass er immer nur kurz bevorsteht. Genau wie das Piktogramm-Männchen auf dem Notausgang-Schild dazu verdammt ist, ewig die Tür zu und vor dem Feuer weg zu laufen, können auch wir die Apokalypse nicht einholen.
Was wir aber können, ist sie ewig vor unserem geistigen Augen durchzuspielen—dank der Kirche, diversen Selbstmord-Sekten und ein paar Verschwörungstheoretikern, die irgendwelche alten Kalender falsch verstanden haben oder die düsteren Gedichte von einem alten Apotheker namens Nostradamus in ihrem Buchclub immer wieder neuinterpretieren, damit sie irgendwie zum Datum von übermorgen passen.
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Weil diese Art von Armageddon aber doch recht wenig Spaß macht und man bekanntlich viel besser lernt, wenn man Freude an der Sache hat, hat sich irgendwann auch die Unterhaltsungsindustrie dem Themenkomplex angenommen. Seither simuliert uns Hollywood in regelmäßigen Abständen sichere Szenarios der menschlichen Selbst- oder der menschverschuldeten Umweltzerstörung, an denen wir unsere Kompetenz für den Ernstfall testen können.
Neu ist dieses Jahr eigentlich nur, dass abgesehen von der recht hohen Dichte an endzeitlichen Kino-Katsastrophen zu Herbstbeginn gleich zwei Buddy-Movies erscheinen, die das Thema mit einem Körnchen Salz (und einem Shot Tequila) nehmen—und die abgesehen vom Titel auch noch ein paar andere Dinge gemeinsam haben.
Das ist zum einen die britische Pub-Komödie The World’s End von den Machern von Shaun of the Dead und Hot Fuzz, mit denen gemeinsam das Trinktour-Trauma die inhaltlich lose bis gar nicht verbundene “Cornetto-Trilogie” bildet (ein Insiderwitz von Edgar Wright, Simon Pegg und Nick Frost analog zur Drei Farben-Trilogie von Krzysztof Kieslowski).
Und zum anderen startet dieses Wochenende This is the End, der eher im geistigen Gefolge von Superbad und Pineapple Express steht und die Prämisse des Weltuntergangs nicht in die hellhölzerne Britenbar, sondern zu James Francos Hausparty bringt.
Die offensichtlichste Kongruenz haben die beiden Filme in der Aufarbeitung alter Freundschaften, die sich im Angesicht des Untergangs als leicht verbitterte Zweckbekanntschaften entpuppen: Wenn das Ende droht, zeigt eben jeder sein wahres Gesicht. Schließlich geht schon genug Energie fürs Überleben drauf, da muss man sich nicht auch noch mit gesellschaftlichen Konventionen aufhalten.
Aber während ihr euch mit The World’s End früher oder später identifzieren werdet, wenn ihr irgendwann nicht mehr zwanzig seid und euch als einziger in eurem Freundeskreis trotzdem immer noch so aufführt, holt euch This is the End nicht mit ins Boot, sondern ermöglicht vermeintlichen Hollywood-Voyeurismus entlang der Linie von “The Roast of James Franco”, wo man natürlich auch nichts erfährt, von dem die wilden Jungen nicht wollen, dass ihr es erfahrt, aber bei dem man sich zeitweilig so fühlt, als wäre man zumindest Zaungast eines unendlichen Spaßreigens, der genauso auch ohne Publikum stattfinden würde.
Bei The World’s End greift Simon Pegg als alter Alki seinen Schulabschluss-Plan von der großen Pub-Tour noch einmal auf und trommelt in einem letzten pubertären Selbstinszenierungsschub all seine früheren Kollegen zusammen, um in einer epischen Nacht quer durch 12 gar nicht so epische Bubi-Bars 12 stinknormale Biere zu trinken—nur, dass ihnen auf halbem Weg die böse Ahnung von einer “Roboter”-Invasion und dem Ende der Menschheit dazwischen zu funken droht.
This is the End hingegen lebt vom Klarnamen-Charme eines Seth Rogen oder James Franco, die beide vorgeben, sich selbst zu spielen und uns ironisch durch die prätenziöse Partywelt des jungen Rotz-Hollywood führen, wo ebenfalls alle vorgeben, sich selbst zu spielen (was im Fall des Koks-Choleriker-Charakters von Michael Cera nicht unwitzig wirkt) und eine attitüdengeladene Kunstdiskussion die nächste jagt—bis die halbe Feiergesellschaft vom sich auftuenden Erdreich verschluckt wird und der Rest in Francos Bude herauszufinden versucht, was draußen eigentlich abgeht.
Dabei bietet sowohl das Nachbar-Beisl als auch die Hollywood-Villa genug Fläche für die Genre-üblichen Kleinigkeiten, ohne die jeder Survival-Horror sinnlos wäre: von krampfhaften Grabenkämpfen gekränkter Egos über Fragen der Essensrationierung bis hin zu banalen, aber essenziellen Diskussionen rund um das Recht auf Masturbation im dauerhaften Übergangsmatrazenlager.
Aber je näher die zwei Filme zusammenrücken, umso deutlicher werden auch die Unterschiede: The World’s End ist raffinierter und screwballiger geschrieben, This is the End ist dafür situativ um Penislängen lustiger; ersterer beschäftigt sich fast schon obsessiv mit dem Thema Kontrollverlust und versucht ihm zu entgehen, zweiterer lässt seine Witzfiguren alle paar Minuten die Münder aufreißen und mit jedem Schreckmoment ein bisschen mehr aufgeben.
Wer sich fragt, warum zwei so ähnliche Filme zur beinah gleichen Zeit nötig waren, findet die Antwort in genau diesen Details: Im direkten Vergleich wirkt es fast, als hätte man einen Kampf von amerikanischem gegen (pan)europäisches Weltuntergangsszenario vor sich.
Auf der einen Seite steht insularer Pragmatismus und europäische Schläue (fast auch ein bisschen: intellektuelle Angeberei), auf der anderen Seite eine Mischung aus jüdischer Selbstironie und imperialer Angst vor allem und jedem (und nicht zuletzt: die Coolness der Großmacht, die es sich inzwischen auch erlauben kann, ihre eigenen Schwächen leiwand zu finden).
Anders als bei Shawn of the Dead, der in Wahrheit Scary Movie in gut und für Zombie-Fans war, gibt sich The World’s End nicht damit zufrieden, bestehende Genre-Klischees durchzuexerzieren und zu kommentieren, sondern will das Invasion of the Body Snatchers-Thema um einen ganzen Arsch voller Innovationen bereichern. Dadurch bleibt einfach nicht genug Zeit für Witze. Anstelle eines würdigen Cornetto-Finales ist The World’s End dann doch eher ein lasches Wassereis.
Was This is the End betrifft, so hat der Sitcom-Schmäh selten so gute Momente erlebt wie in der ersten Häfte, während gegen Ende leider alles so restlos dumm und geradezu Uwe-Bollig wird, dass man von der sonnenbebrillten Musikeinlage (“Und jetzt alle!”) kaum noch ungetrübt auf die Bauchkräpfe vom Anfang zurückblicken kann.
In einer idealen Welt würden wir wahrscheinlich einen leckeren Cocktail aus beidem bekommen—mit der Story von The World’s End und dem Humor von This is the End—, aber in einer idealen Welt existiert vermutlich gar nicht erst die religiöse Spinnerei von Apokalypse und Fegefeuer, was die ganze Debatte überflüssig machen würde.
Das tatsächliche Ende der Welt könnte übrigens noch zu Lebzeiten unseres Heimatplaneten passieren: Einigen Physikern zufolge stehen die Chancen 50:50, dass die Zeit selbst und mit ihr das gesamte bekannte Universum in zirka 3,7 Milliarden Jahren zuende geht.
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