Vom unbekannten Drum’n’Bass-DJ beim Piratensender zum Set im Berghain – Dax J im Interview

Dax J ist ein junger Londoner DJ, der sich langsam seinen Weg zum Erfolg in der Techno-Szene gebahnt hat. Als 15-Jähriger begann er, sich als Drum’n’Bass-DJ Tag für Tag unermüdlich mit elektronischer Musik auseinander zu setzen. Sein erster Besuch auf der Partyinsel Ibiza zeigte ihm eine neue Welt, in die er sich schnell verliebt hat. Und die ihn bis heute nicht losgelassen hat.

Mit hartem Dark Techno, immer wieder durchzogen von Oldschool Acid-Sounds, hat er sich durch harte Arbeit ein sehr respektables Standing in der Szene geschaffen. Nun hat er sein zweites Studio-Album Offending Public Morality releast und tourt durch die Welt. Beim Eristoff Into the Dark Boiler Room in Linz haben wir die Gelegenheit bekommen, uns mit ihm zu unterhalten. Über seine musikalischen Anfänge, seinen Werdegang und ganz persönlich über den Entstehungsprozess seines neuen Albums.

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Noisey: Als du angefangen hast aufzulegen, hast du weder in Clubs aufgelegt, noch anderweitiges Airplay bekommen. Hast du dich bewusst bedeckt gehalten?
Dax J: Nein, ich habe eigentlich schon die ganze Zeit versucht, Gigs oder ähnliches zu bekommen, es hat nur einfach nicht funktioniert. In der Techno-Szene gibt es zwei Wege wie man wirklich erfolgreich wird. Entweder du hast diesen Riesenhit, den jeder spielt und man kennt dich sofort, oder, wie in meinem Fall, konstante Progression.

Und in deinem Fall war der erste Schritt Richtung Erfolg ein Airplay Slot bei TimeFM, einem englischen Piraten-Radiosender. Wie muss man sich das vorstellen? Piratensender?
Das war die erste Form von öffentlichem Output, die ich bekommen habe. Das Studio von einem Piratensender ist dann an verschiedenen Orten, echt querbeet. Ich habe in mehreren Küchen gespielt, in einer Lagerhalle, in der ein kleines Studio eingerichtet war oder sogar in einem Gartenhäuschen, in dem dann ein Setup war. Auf dem Dach ist ein Transmitter, der dann ein Signal aussendet, das verschlüsselt wird, damit man die Sendelocation nicht findet und so landet der Sound dann auf einer Piratenfrequenz.

Du hast dann die nächsten Jahre bei weiteren Piratensendern gespielt, wie zum Beispiel OriginFM, dann aber einen universitären Abschluss als Tontechniker gemacht.
Der Abschluss war echt eine Leichtigkeit. Ich war sechs Wochen vor allen anderen fertig. Ich war der Erste, der seine Abschlussarbeit abgegeben hat und bin dann direkt für ein halbes Jahr nach Ibiza.

Hast du da auch als DJ gearbeitet?
Ja, damals noch in San Antonio. Das gibt es so einen Barstrip, wo sich meterlang die Bars aneinanderreihen und sich die ganzen Engländer, Iren und Schotten besaufen, Koks ziehen und Pillen schmeißen. Genau da habe ich in einer der Bars, der Cornerbar, einen Job zum Auflegen bekommen.

Dein ursprünglicher, musikalischer Background ist ja Drum’n’Bass. Hast du in Ibiza auch noch D’n’B aufgelegt?
Drum’n’Bass habe ich da nicht gespielt, ich hab mir von HMV irgendwelche Techno/House-Compilations gekauft, ich hatte ja keine Ahnung von dieser Musik damals. Deswegen hatte ich auch einen leicht holprigen Start mit diesem Genre. Kein Wunder, die Musik, die ich damals aufgelegt habe, war ja auch wirklich nicht gut.

Und wie kam der Switch zu Techno?
Mein Kumpel meinte, ich solle einfach ein wenig abwarten, bis die Clubsaison in Ibiza losgeht, denn ich war einen Monat zu früh dort. Als ich dann Anfang Juni mitbekommen habe, was Techno auf Ibiza wirklich ist, habe ich es lieben gelernt. Das hat mich dann auch ins Grübeln gebracht: Soll ich jetzt wirklich Drum’n’Bass hinter mir lassen, eine Musikrichtung, in die ich schon so viele Jahre investiert habe und zu Techno wechseln?

Und? Wie lief der Entscheidungsprozess?
Nun ja, ich habe sechs Jahre meiner Zeit in Drum’n’Bass investiert und dafür recht wenig erreicht – wäre ich noch weitere zwei Jahre dabei geblieben, hätte ich wahrscheinlich dennoch den Durchbruch geschafft. Aber dann wieder mit einer neuen Musikrichtung ganz von vorne anzufangen, war keine leichte Entscheidung. Ich war mir nicht sicher, ob sich mein angesammeltes Wissen auf ein neues Genre transferieren lassen würde, es hat aber nicht zu schlecht funktioniert, wie man sieht.

https://www.youtube.com/watch?v=bkYIKe4ldQU

Kannst du dich an den Moment erinnern, an dem du diese Entscheidung endgültig gefällt hast?
Ziemlich genau sogar. Ich war in Vietnam mit einem Freund unterwegs und wir haben uns beide immer mehr mit Techno beschäftigt. Wir sind in einer ewig langen Fahrt in einem Bus festgehangen und da habe ich dann entschieden, den Wandel zu wagen. Mit meinem uralten MacBook und Logic habe ich so in 3-4 Stunden meinen ersten Techno-Track produziert.

Hin und wieder stehst du aber auch 20 Stunden im Studio und arbeitest an deiner Musik.
Als ich mein altes Studio noch hatte, bin ich teilweise drei Tage am Stück dort gewesen und habe Musik produziert. Ich habe gearbeitet, bis mir die Augen zugefallen sind, habe mich in meinen Schlafsack gelegt und als ich aufgewacht bin, habe ich wieder 20 Stunden produziert.

Hattest du nie das Gefühl, dass es dir zu viel wird?
Eigentlich nicht, weil ich es ja immer geliebt habe und es noch immer liebe. Es ist kein Aufwand für mich oder eine Belastung, es ist meine Leidenschaft.

Wie arbeitest du im Studio?
Ich produziere seit ich 18 Jahre alt bin, natürlich habe ich auf dem Weg bis heute sehr viele unterschiedliche Methoden und Wege angesammelt. Was ich gerne mache, ist schon von Anfang an viele Samples vorzubereiten, mit denen ich dann arbeiten kann.

Und wie bist du dein neues Album Offending Public Morality angegangen?
Ich habe knapp vor einem Jahr angefangen mit der Produktion und wollte eigentlich eine Triple Vinyl rausbringen mit knapp 20 Tracks. Das habe ich dann aber wieder verworfen und die Trackzahl stark gecuttet. In den letzten zwei Monaten habe ich mich sehr tief in die Materie jedes einzelnen Tracks eingearbeitet und versucht, dabei auch Bereiche zu betreten, in denen ich nicht so bewandert bin, um meine Editing-Skills weiter voranzutreiben.

Im Vergleich zu deinem vorangegangen Album Shades of Black hört sich dein neuer Output viel mehr nach einem Konzept-Album an, als ein Clubtune-Album. Woran liegt das?
Ich wollte ein Album produzieren, das man sich komplett von vorne bis hinten anhören kann. Eines, das mehr eine Geschichte erzählt und in sich stimmig ist. Shades of Black erfüllt diese Funktion einfach nicht, die Tracks darauf funktionieren eher für sich selbst und sind gut zum Auflegen, aber es lässt sich einfach nicht so schön von Anfang bis Ende durchhören. Es hat sich auch einfach richtig angefühlt, diesen Schritt zu machen.

Mit dem neuen Album verarbeitest du auch Dinge, die dir in den letzten ein bis zwei Jahren passiert sind. Wie viele Emotionen stecken in dem Album?
Eine Menge. Starke Emotionen verleihen einem die Fähigkeit, die beste Musik zu machen und ich habe wirklich versucht, diese unterschiedlichen Gefühle, sei es Freude, Trauer oder Wut zu verarbeiten. Deswegen klingen die Tracks teilweise so melancholisch oder dunkel.

Mit dem neuen Album bist du jetzt auch auf Tour und das rund um den ganzen Globus. Wie wirst du mit dieser ganzen Anstrengung fertig?
Ich muss sehr auf mich achten, um wirklich fit zu bleiben. Als ich angefangen habe viel zu touren, habe ich überhaupt nicht auf mich geachtet und bin total krank geworden. Habe mit schwerem Fieber mehrere Shows gespielt und das war echt grausam. Es ist wichtig, auf seinen Körper zu hören, sonst hält man das nicht durch. Das Einzige, was einem wirklich auf die Nerven gehen kann, ist, wenn das Reisen nicht gut funktioniert.

Wenn man so viel spielt wie du, wie vermeidest du es, zu oft das Gleiche zu spielen?
Dadurch, dass ich versuche, tagtäglich Musik zu hören. Dadurch wächst meine Mediathek auch konstant. Manchmal stolpert man dann über Tracks, die man zwei Jahre nicht mehr gespielt hat und baut sie wieder in ein Set ein. Ich versuche, jede Woche mindestens zehn neue Tracks zu spielen und dann hast du innerhalb eines Monats schon wieder ein ganz neues, eigenes Set.

Und welcher Gig ist dir am lebendigsten im Gedächtnis geblieben?
Ich wollte immer mal im Berghain spielen und das seit ich das erste Mal dort gewesen bin. Als ich dann dort spielen durfte, war es wirklich sehr besonders. Eine ganz andere Welt.

Das neue Album anhören und auch erwerben kann man übrigens hier

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