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Menschen

​Auch Frauen kacken, findet euch damit ab

Wir sind keine mystischen Wesen, die glitzernde Rosenblüten scheißen.
Eine Frau beim Kacken
Collage: VICE Media

Meine letzte richtige Beziehung hat ungefähr ein Jahr gedauert und der größte Teil davon hat aus Gründen in seiner Wohnung stattgefunden. In diesem Jahr war ich meiner Erinnerung zufolge kein einziges Mal in seiner Wohnung auf der Toilette. Und mit „auf der Toilette" meine ich kacken. Nicht nur, weil es in dieser Wohnung immer unglaublich leise war und seine Schwester, die mir gegenüber ohnehin schon skeptisch genug war, ihr Zimmer direkt neben dem Klo hatte, sondern weil es mir einfach unangenehm war. Beinahe wäre ich in diesem Jahr eines von diesen Mädchen geworden, die zum Kacken ins gegenüberliegende Café gehen, wenn sie bei ihrem Freund sind. Und ja, die gibt es wirklich.

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Es war mir unangenehm, länger als maximal zwei Minuten auf dem Klo zu verschwinden, wenn ich bei ihm war, und es ist mir auch heute noch unangenehm, wenn jemand, mit dem ich was habe, in der Nähe ist—egal, ob in meiner oder seiner Wohnung. Mit der Vorliebe zum Heimscheißen hat die Sache also relativ wenig zu tun.

Jungen lernen schon früh, ihren Ausscheidungsprozess zu zelebrieren. Sie erfinden einen Haufen (!) Synonyme dafür und wer auf der Schulsportwoche die schlimmsten Fürze lässt, ist der Coolste. Mädchen hingegen werden in dem Glauben groß, immer schön sein zu müssen. Und Schönsein bezieht sich dabei nicht nur auf das unmittelbare Äußere, sondern auch darauf, dass wir immer gut riechen und nichts machen sollen, das sich nicht schickt.

Mädchen, die rülpsen, furzen oder es sogar wagen, ihren Darm zu entleeren und dann auch noch darüber zu sprechen, sind unweiblich und gelten schnell als das, was allgemein unter „Kumpeltyp" bekannt ist—also als sexuell unattraktiv. Und das ist womöglich ein Grund dafür, warum sich viele Frauen nichts Schlimmeres vorstellen können, als vor ihrem Freund aus Versehen zu furzen oder in seiner Gegenwart offensichtlich zehn Minuten lang auf dem Klo zu sitzen, während der Wasserhahn läuft.

Die Thematik beschäftigt nicht nur die Upperclass-Upper-East-Side-Girls aus Sex and the City, die dem Bettfurz eine Folge gewidmet haben, sondern sie zieht sich wie ein hartnäckiger Furz quer durch die gesamte Filmgeschichte, wo sie manchmal als Aufreger und manchmal als feministisches Statement präsentiert wird.

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Aber welche Theorien haben Männer eigentlich, wie wir das Zeug ausscheiden, das unser Körper nicht verwerten kann? Dass wir das Zeug ausschwitzen und dabei bestenfalls auch noch gut riechen? Oder es in Form von glitzernden Rosenblüten aus unserem Körper flattern lassen? Es gibt Neuigkeiten: Unser Anus ist nicht (nur) dazu da, um etwas reinzustecken, sondern auch, um ab und zu etwas rauszulassen.

Natürlich ist es kurz unangenehm, wenn man vor jemandem furzt, dem man eigentlich weismachen möchte, dass man ein makelloses Lebewesen ist—aber vielleicht liegt ja genau darin das Problem. Sollten sich Frauen wirklich als mysteriöse, fehlerfreie Wesen inszenieren müssen, auch wenn ihr Wohlbefinden und die gesamte Beziehung darunter leidet? In einer perfekten Welt: nein. In der Beziehungspraxis für viele: leider ja.

Es gibt ganze Internetforen voll von Einträgen verzweifelter Frauen, die nicht wissen, was sie tun sollen. Sie nehmen nämlich lieber schreckliche Bauchschmerzen in Kauf oder müssen die Wohnung ihres Freundes immer früh am Morgen verlassen, weil sie etwas, das offensichtlich aus ihrem Körper will, nicht länger zurückhalten können. Eine Frau schreibt beispielsweise: „Ich habe Angst, dass meine Beziehung zerbricht, weil ich immer so früh morgens los muss, um zu Hause mein Geschäft zu erledigen."

Screenshot: VICE Media

Es gibt also tatsächlich Menschen, die wegen ein bisschen Scheiße ihre Beziehung aufs Spiel setzen. Auch viele Männer suchen im Internet Rat, wenn ihre Freundin nicht auf die Toilette gehen will oder kann, wenn sie zusammen sind. Und auch sie sind ein bisschen verzweifelt, weil sie merken, dass es ihren Freundinnen nicht gut dabei geht, aber es ihnen nun mal wichtiger ist, den Schein des Makellosen und „Sauberen" aufrecht zu erhalten.

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Ich gebe es nur ungern zu, aber ich bin auch schon das eine oder andere Mal regelrecht nach Hause gesprintet, weil ich es einfach nicht in seiner Wohnung tun wollte. Genauso wie die Mädchen, die in den Foren ihre Probleme schildern, konnte ich einfach nicht mit dem Gedanken leben, dass er nach mir auf die Toilette geht und sich auch nur den Hauch einer Sekunde „Wäh! Frauen haben auch eine Verdauung??" denkt oder mittlerweile kapiert hat, dass ein minutenlang aufgedrehter Wasserhahn nicht bedeutet, dass ich mir sehr gerne und gründlich die Hände wasche.

Was zugegebenermaßen ein bisschen spaßig klingt, ist oft alles andere als das. Ich kenne Geschichten von Freundinnen, die so gar nicht darüber lachen konnten und sich nach einem versehentlichen Pups so in Grund und Boden geschämt haben, dass sie ernsthaft überlegt haben, einem Typen, den sie eigentlich mögen, nie wieder unter die Augen zu treten. Und diese Mädchen sind alles andere als verklemmt. Die Vorstellung, dass Frauen so etwas nun mal einfach nicht tun, ist nur einfach viel zu fest in ihren Köpfen verankert.

Natürlich ist es nicht sexy, wenn Menschen kacken—aber auch Männer sind nicht sexy dabei. Trotzdem ist es nun mal eine körperliche Notwendigkeit. Frauen atmen, schwitzen, pinkeln, kotzen, wenn sie zu viel saufen und kacken. Und falls ihr es noch nicht wusstet, manchmal bluten sie zu allem Überfluss auch noch aus ihrer Vagina, was an sich schon schlimm genug sein kann, wie auch ihr Männer spätestens seit diesem Guide wissen solltet.

Es ist doch absurd, sich für etwas Natürliches so zu schämen, dass man Dinge in Kauf nimmt, die für den Körper, die Psyche und eine Beziehung nun mal einfach nicht gut sind. Aber dadurch, dass es mittlerweile ein gesellschaftsübergreifender Gag ist, dass Mädchen nicht kacken, macht man es ziemlich vielen von uns sehr schwer. Dabei sind eigentlich nicht kackende Mädchen das Problem—sondern diejenigen, die noch immer so tun, als wäre daran irgendetwas abartig und als hätten Mädchen auch nur irgendeinen Grund, sich dafür zu schämen.

Verena auf Twitter: @verenabgnr