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Gibt es im Dschungel Thailands eine Lösung des Meth-Problems?

Der thailändische Justizminister hat angekündigt, Kratom von der Liste der illegalen Drogen zu nehmen. Er meint, es könne bei der Abhängigkeit von härteren Drogen wie Methamphetamin helfen.

Der Kratombaum könnte die Antwort auf die thailändische Meth-Epidemie sein. (Foto via)

Ihr kennt doch Khat, oder? Kratom ist so ähnlich. Es ist ein leichtes, blattförmiges Aufputschmittel, das einen kaum merkbaren Rauschzustand hervorruft, wenn man es lange genug kaut. In Thailand ist Kratom schon seit 70 Jahren illegal. Vor Kurzem kündigte der thailändische Justizminister Pradit Sintavanarong allerdings an, dass er das Kratomblatt von der Liste der illegalen Drogen nehmen will. Er meint, es könne bei der Abhängigkeit von härteren Drogen wie Methamphetamin helfen.

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Seit ungefähr zehn Jahren herrscht in Thailand ein großes Meth-Problem. Am beliebtesten ist Yaba, ein Gemisch aus Meth und Koffein. Nach offiziellen Schätzungen nimmt fast jeder sechzigste Thailänder Methamphetamin. Im letzten Jahr wurden schockierende Berichte darüber veröffentlicht, dass allein in der ersten Hälfte des letzten Jahres fast 7.000 Kinder im Alter von 7 bis 17 Jahren wegen Meth-Konsum behandelt worden sind. Dieses Jahr kam heraus, dass Yaba-Hersteller versuchen, die Droge über Facebook an Kinder und Jugendlich zu verkaufen und ihr sogar einen für Kinder ansprechenden Erdbeergeschmack verpassen. Es ist also kein schlechter Zeitpunkt, um über neue Möglichkeiten nachzudenken, diese Entwicklung zu stoppen.

Doch die Legalisierung von Kratom wird nicht von allen unterstützt. Obwohl das Verbot so energisch durchgesetzt wurde, haben thailändische Jugendliche seit ein paar Jahren einen neuen Weg gefunden, sich mit Kratom abzuschießen: mit einem „4x100" genannten Cocktail aus Kratom, Cola und Hustensaft. Seitdem interessiert sich auch die Polizei wieder für die Droge. Die Behörden leiteten verdeckte Ermittlungen ein, um Dealer zu überführen, und durchkämmten den Dschungel nach Pflanzen.

Bei Drogenepidemien dauert es nie lange, bis die moralisierende Presse den Untergang der Gesellschaft heraufbeschwört. Genau das geschah auch in Thailand.

Der feuchte Süden des Landes ist die perfekte Umgebung für die Kratompflanze. Leider wird der Süden auch seit mehr als zehn Jahren von einem gewalttätigen islamistischen Aufstand geplagt. Lokale Zeitungen versuchten nun, diese beiden Umstände miteinander in Verbindung zu setzen. Einige Pressekanäle haben erklärt, der Aufstand werde durch den Kramtomhandel finanziert. Die Kämpfer sollen Krüge mit dem Drogencocktail 4x100 trinken, bevor sie auf buddhistische Mönche schießen und Cafés in die Luft sprengen. All das in der Absicht, im Süden Thailands einen neuen islamischen Staat zu errichten.

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Eine Meth-Pfeife (Foto via)

Pascal Tanguay, ein Vertreter der NGO Harm Reduction International, sagte mir, dass es sehr unwahrscheinlich sei, dass die Aufständischen durch 4x100 aufgestachelt würden, bevor sie Leute ermorden. „Die Presse hat gute Arbeit bei dem Versuch geleistet, Kratom mit den Aufständen in Verbindung zu setzen. Aber es gibt keinen einzigen Beweis dafür, dass wirklich ein Zusammenhang besteht", sagte er. „Die Leute aus dem Süden, mit denen ich geredet habe, sagten alle das Gleiche—egal ob sie religiöse Führer waren oder Drogen nahmen: Wenn du ein Rebell sein willst, darfst du nicht auf Drogen sein. Es gibt ein sehr strenges Auswahlverfahren. Leute auf Drogen werden sofort abgelehnt, weil man glaubt, dass es sie vom endgültigen Ziel ablenkt: der Revolution."

Auch wenn die Berichte wahrscheinlich fingiert sind, wird die Vorstellung, die illegale Zutat des vermeintlichen Dschihad-Saftes rezeptfrei zugänglich zu machen, wohl nicht jedem zusagen. Doch das blinde Vertrauen in die Presse richtet wahrscheinlich einen größeren Schaden im Alltag an als jeder AK-schwingende und 4x100 schlürfende Islamist, der irgendwo im Dschungel von Narathiwat haust.

Pascal erklärte, wie die Kratom-Dämonisierung der Medien es der Polizei ermöglichte, in die Privatsphäre der thailändischen Bürger einzugreifen: „Die Polizei bringt Kratom gern mit Terror in Verbindung, weil sie dadurch Anti-Terror-Gesetze vorschieben kann, um Leuten zu verfolgen", erzählte er mir. „Ich habe gehört, dass ein Durchsuchungsbefehl ausgestellt wurde, nur weil im Garten des Hauses ein Kratombaum stand."

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Dabei können die Blätter laut Pascal sogar gesundheitlich von Vorteil sein: „Kratom ist sehr nützlich, um Diabetes zu kontrollieren", erzählte er mir. „Ich habe eine Menge Leute im Süden getroffen, die unter Diabetes litten und kein Insulin nahmen. Sie haben ihren Blutzucker und ihr Insulin einzig und allein mit Kratomblättern und Kratomtee reguliert."

Die genaue Wirkung von Kratom ist schwer zu beurteilen. Die Blätter, die die Forscher auftreiben können, sind normalerweise schon ausgetrocknet und beinhalten keine Alkaloide mehr, die für die Versuche nötig sind. Pascal berichtete mir: „Ich habe im Süden einen Doktoranden getroffen, der meinte, dass er seine Arbeit nicht abschließen kann. Um das zu tun, müsste er nämlich kriminell werden und sich Kratomblätter besorgen. Die Blätter, an die er rankommt, nützen ihm nichts. Der Regierung ist das zur Zeit scheißegal. Indem sie Kratom verbietet, lässt sie das Geld kriminellen Banden zukommen. Ich hoffe, dass sich das bald ändert."

Tüten mit getrockneten Kratomblättern—in dieser Form wird es aus dem Westen importiert. (Foto via)

Die Pflanze sei ursprünglich verboten worden, um für Drogen ausgegebenes Geld in die Hände der Regierung zu leiten: „In Thailand wurde Kratom nur verboten, weil sich die Regierung damals noch am Opiumhandel beteiligte, was eine große Einkommensquelle darstellte", erklärte Pascal. „Sie wollte verhindern, dass Abhängige Kratom nehmen und dadurch vom Opium runterkommen. Also hat die Regierung Kratom verboten, um das eigene Einkommen zu sichern."

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Auch wenn sich die Pflanze in der Vergangenheit als erfolgreiche Hilfe in der Drogentherapie erwiesen hat—Minister, die über die Entkriminalisierung der Droge entscheiden, erweisen sich oftmals resistent gegenüber dem Nachweis positiver Eigenschaften. Es scheint, als ob Sintavanarong gerade gegen die gleichen Problemen kämpfen muss, mit denen auch westliche Wissenschaftler konfrontiert waren, als sie den medizinischen Nutzen von Drogen wie Ecstasy und LSD verkündeten. Im Moment wartet der Justizminister noch auf das Komitee für Drogenkontrolle, das entscheidet, ob Kratom von der Liste der verbotenen Drogen entfernt werden soll.

Sowohl 2004 als auch 2009 gab es bereits Bestrebungen, die Droge zu entkriminalisieren. Doch nach Angaben von Boonchai Somboonsuk, dem Vorsitzenden der thailändischen Arzneimittelzulassungsbehörde, sind diese Fälle angesichts der vielen Veränderungen und Entwicklungen seit 2009 inzwischen nichtig. Ich vermute, dass er unter „Veränderungen und Entwicklungen" den Anstieg des Meth-Konsums meint, der bereits einen großen Teil der thailändischen Bevölkerung ins Verderben reißt. All die Betroffenen benötigen dringend Hilfe, um gegen die Sucht anzukämpfen.

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