Wie man in eine Karaoke-Bar geht, ohne ein Arschloch zu sein

Grafik: Samantha Tobisch

Was zeichnet eine Karaoke-Bar in Österreich aus? Longdrinks, die angesoffene Gruppe, die poltert und richtig—dieser eine oder mehrere Menschen, die schwarz angezogen sind, ein Hipstersackerl zum Transportieren ihres iPhones verwenden und angepisst dreinschauen. Karaoke-Bars sind nämlich uncool, Leute. In der Stadt zumindest. Und trotzdem finden sich immer freigeistige, uncoole Opfer—wie ich, um ein konkretes Beispiel zu nennen—, die ihren Geburtstag dort feiern und ihre coolen, armen Club-Freunde somit gesellschaftlich zwingen, ihre Zeit dort zu verbringen.

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Überhaupt ist mir bei meinem letzten Besuch aufgefallen, dass es sehr einfach ist, ein Arschloch in einer Karaoke-Bar zu sein. Die hat ja auch kein Backstage, keine wirklichen Sexualpartner und es ist alles “peinlich”. Und obwohl die Gruppe der Arschlöcher, die unfreiwillig dort sind und es offen zeigen, überwiegt, gibt es einige andere Wege, um unangenehm aufzufallen. Hier ein Fahrplan für deinen nächsten Besuch—so wirst du glücklich rausgehen und die Menschen am Nebentisch werden sich nicht beim Einschlafen wünschen, dass dir etwas Schreckliches passiert.

Sei nicht der Mensch, der ein professioneller und nüchterner Sänger ist

Habe ich eben gemeint, dass Miesepeter die Stimmung versauen? Ja tun sie, aber man kann sie leicht ignorieren. Mit Spritzer oder Unterhaltungen mit anderen Menschen. Perfekt gesungene hohe Noten und schwierige Songs plus ein Orangensaft in der Hand sind der Killer für alle, die nicht singen können. Das sind erfahrungsgemäß 90 Prozent der Gäste. Eher 95 Prozent. Wenn du schon singen kannst, dann sei zumindest besoffen. Sei bitte auch nicht der Mensch, der Komplimente für sein Singtalent bekommt und dann sagt: “Ich kann überhaupt nicht singen.” Hör bitte damit auf.

Sei nicht der Mensch, der sich mit zehn Liedern anmeldet

Um nachher noch mal drei Lieder von Shania Twain zu singen. Und somit die Zeit den Polter/Geburtstags-Gruppen wegzunehmen. Übermotivierte sind nicht nur in der Schule unsympathisch. Lass die Rampensau nicht so arg raushängen, das ist peinlich und außerdem ist der Zweck einer Bar auch der Suff. Und nicht nur das Singen.

Sei nicht der Mensch, der in einer Karaoke-Bar poltert

Nichts sagt mehr über deine scheiternde Beziehung—die du mit einer Ehe kitten möchtest—aus, als ein Polterabend in einer Karaoke-Bar. For real. Übrigens: In zwei Jahren habt ihr das erste Scheidungskind geworfen. Um euere scheiternde Ehe zu kitten.

Lass dich im Suff zu einem Duett oder Gruppengesang bewegen

Du hast wahrscheinlich Recht, wenn du meinst du kannst nicht singen. Wie du aber bereits gehört hast, können, prozentuell gesehen, echt wenige Menschen singen. Fast niemand! So selten ist diese Gabe. Sind die vielen Wiener Karaoke-Bars trotzdem in der Nacht gefüllt? Natürlich sind sie das. Wenn du nicht alleine singen willst, dann sing mit Menschen. Singe zuerst von deinem Platz aus mit—du wirst sehen, wie viel Spaß das macht. Außerdem erhältst du zehn Lebenserfahrungspoints. Irgendwann erzählst du deinen Enkeln von der einen Nacht in der Karaoke-Bar—den Rest den du so treibst, würde ich deinen Nachkommen verschweigen.

Bitte singe niemals vor 01:00 “Wonderwall” , “Girls just wanna have fun” oder etwas von Whitney Huston

Wenn es nach mir ginge, würde ich die zwei Songs sowieso verbieten. Da “Wonderwall” aber der einzige Song ist, für den ich mehr Applaus als Gelächter bekomme, bin ich bei diesem Vorhaben sehr vorsichtig. Wenn du in einer Mädelsgruppe bist—am besten einer die noch poltert—und ihr dann “Girls just wanna have fun” singt: WOW. Hast du bei der Wahl deines künftigen Ehemannes auch so wenige Ansprüche gehabt, wie bei deiner Freizeitgestaltung? Und Whitney Houston deshalb, weil du sie ziemlich fix nicht singen kannst. Bitte versuche es nicht.

Bitte warte auch mit Austropop und Rap

Vor allem, wenn du weder Dialekt kannst, noch rappen. Schon gar nicht double-timen. Aber der Schuldige werfe den ersten Stein. Vielleicht ist dieser Punkt auch nur da, weil er mir in persona nahe gelegt worden ist.

Lächle

Schau: Natürlich könntest du jetzt statt dem Geburtstag deiner Kindheitsfreundin in einem der zwei Techno-Clubs in Wien sein und deinen Gin Tonic sippen, während du versuchst ein Tinder-Date von deiner Coolness zu überzeugen. Bist du aber nicht. Du bist hier. Kein Grund es den anderen zu vermiesen. Karaoke-Bars sind einfach zu hassen, da es ja eigentlich permanent Scheiß-Musik spielt und diese auch noch mit Scheiß-Gegröhle untermalt wird. Weil diese Art von Mensch, die angepisst in Lokalen sitzt, auch nicht in einem der zwei Wiener Techno-Clubs lächelt, hier eine Anleitung:

1) Schließe die Augen und stelle dir einen glühenden Ball in deiner Magengegend vor.
2) Bewege mit deinen Gedanken diesen Ball in deine Mundnähe. Spüre die Wärme und das Kribbeln.
3) Wenn sich das Kribbeln intensiviert, dann öffne langsam deine Augen.
4) Spanne deine linke und dann deine rechte Wange an. Es ist OK, wenn es sich zuerst komisch anfühlt.
5) Spanne immer mehr an, und zeige langsam deine Zähne.
6) Achte darauf, dass deine Zähne nicht zusammengebissen sind—zur Hilfe kannst du leicht auf deine Zunge beißen. Vergiss nicht, die Zunge dann wieder in deinen Mund-Innenraum zu nehmen.

Voilà du lächelst. Und das Beste: Deine potenziellen Tinder-Dates haben es nicht gesehen. Du hast nichts verloren. Toll, oder?

Sauf dich an

Wenn dich die lllusion eines glühenden Balls in der Magengegend überfordert, dann zaubere ihn wirklich her. Tequila, Schnäpse und Wodka eignen sich besonders gut, um ein warmes Gefühl auszulösen und dich halbwegs erträglich zu machen. Außerdem: Karaoke-Bar endet auf “Bar”, was in der heutigen, westlichen Sprache auf einen Suchtmittel-Stillungs-Ort hindeutet. Stille deinen Durst, sing einmal kurz mit, lache ein paar Mal—voilà, gratuliere, du warst kein Arschloch!

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