Foto: VICE Media
Modeblogs waren noch cool, als niemand, den man kannte, einen hatte—als Modeblogger noch mysteriöse Fabelwesen waren, die in den coolsten Outfits vor Backsteinhäusern in Soho stehen und die einfach so interessante Persönlichkeiten sind, dass man tatsächlich jeden Scheiß über ihr perfektes Leben mit ihren perfekten, splissfreien Haaren und ihren perfekten Wangenknochen wissen will. Ich habe mich gemeinsam mit einer Freundin auch mal kurz an einem Blog versucht—keine Ahnung warum. Gemacht haben wir in Wahrheit nichts, es gibt gefühlte zwei Einträge und Fotos haben wir nur geschossen, wenn ich insgeheim wieder mal dringend ein neues Facebook-Profilbild gebraucht habe, um einem Exfreund auf die Nerven zu gehen (was im Übrigen nie funktioniert)—jedenfalls haben wir uns sofort von Mode entfernt und auf anderweitige Dinge konzentiert, weil es nicht einmal uns selbst interessiert hat, ob unser Shirt von H&M oder Mango ist. Ich fühle mich einfach nicht dazu berufen, meinen Internet-Freunden mein tägliches Leben aufzudrängen und ihnen ständig reinzudrücken, wie toll mein Leben ist.
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Und weil ich damit anscheinend nicht alleine bin, interessieren Modeblogs heute kein Schwein mehr. Jeder hat einen, jedes Mädchen glaubt, mit dem neuen Maxirock einen weltbewegenden Trend zu setzen und sieht sich mit täglich gleichen Fotos vom schön drapierten Frühstück als das Sprachrohr einer neuen Pancake-Generation. Da jetzt jedes Mädchen, das einmal in der Vogue geblättert und sich kurz wie die Anna Wintour der ASOS-Generation gefühlt hat, einen Blog startet, sind Modeblogs einfach nur noch der letzte Scheiß.
#foodporn
Wenn man gerade das spektakulärste Festessen seines Lebens gekocht hat, ist es mehr als legitim, es stolz mit seinen virtuellen Freunden zu teilen. Wenn man aber jeden Tag die selben beschissenen Waffeln mit Beeren isst, jeden Tag ein Foto davon postet und seinen Lesern gleichzeitig noch einen schönen Tag wünscht, reißt mir irgendwann der Geduldsfaden und ich muss auch die netteste Studienkollegin entfolgen. Niemanden interessiert, wie oft in der Woche du dich nach deinem Praktikum mit einem veganen Eis belohnst, für das du eine Stunde anstehen musstest oder wie oft du mit deinen coolen Bloggerfreunden beim Brunch darüber philosophierst, welchen Mehrwert eure kulturell und gesellschaftlich wichtige Arbeit hat. Wir alle essen. Es macht dich also verdammt noch mal zu nichts Besonderem, dass du eines deiner Grundbedürfnisse stillst.
Foto: VICE Media | #foodporn: Nudelreste aus der Plastikdose
Der Schreibstil
„Habe mir heute neue Nikes gekauft. Werde sie gleich im Seehotel zum ersten Mal ausführen.” oder „Nach einem laaangen Arbeitstag belohnt sich das kleine Verenchen mit einem Heidelbeereis und wünscht euch allen noch einen schönen Abend!!” lassen mich immer wieder aufs Neue erschaudern. Ich habe auf einem Modeblog noch nie etwas gelesen, das wirklich gut und interessant geschrieben war. Das liegt offensichtlich daran, dass selbst Volksschulkinder besser schreiben können und in der Verwendung von Nebensätzen ein bisschen fortgeschrittener sind—zumindest wissen sie, dass sie in der Theorie oder einer noch weit entfernten Schulstufen-Dimension existieren. Vielleicht liegt es auch daran, dass Modeblogger einfach nichts zu sagen haben. Mit zwei beschreibenden Sätzen ist eigentlich alles gesagt: „Die neuen Nikes sind toll. Seehotel ist auch wunderschön. Danke!” Bevor ihr euch jetzt darüber empört, dass ich es wage, ausgerechnet hier so etwas laut auszusprechen, muss ich euch sagen, dass es mir nicht leid tut. Anstatt mit einer neuen Polaroid sollten die Blogger besser mit einem Lehrbuch zur deutschen Grammatik beschenkt werden. Es will ohnehin niemand wissen, was sich Blogger Neues gekauft haben, und schon gar nicht, wenn es formuliert ist, wie eine schlecht übersetzte Speisekarte, die man im spanischen Touristenrestaurant vorgelegt bekommt.
#OOTD
Modeblogs drehen sich um Mode—schön und gut. Genau so wie uns alle Modemagazine seit Ewigkeiten dasselbe predigen, nämlich, dass Parkas und Beanies unfassbar in sind und, ACHTUNG, Mützen und Mäntel die diesjährige Herbst-Saison dominieren werden, sind auch Modeblogs wenig einfallsreich, was die tollen Outfits des Tages angeht. Natürlich, Blogger-Größen wie Chiara Ferragni tragen schöne Sachen, die aber so teuer und für uns Normalsterbliche unleistbar sind, dass wir sie dafür auch ein bisschen hassen müssen. Die Modebloggerin von Nebenan präsentiert auf ihrer WordPress-Plattform meist Outfits, die sie bei H&M oder Zara erstanden hat, und die sich somit schon längst jeder Bauer besorgen hätte können. Wenn wir sie trotzdem nicht tragen, hat das meistens einen guten Grund. Danke für den Hinweis—wir wissen längst, dass verspiegelte Sonnenbrillen der allerletzte Schrei sind und man bei H&M günstige schwarze Shirts bekommt.
Foto: VICE Media | #ootd
Die Schnorrerei
Im Grunde machen Blogger—Überraschung—nichts anderes als Werbung. Sie verpacken sie zwar in persönliche Geschichten, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass Modeblogs Werbeplattformen sind. Blogger bekommen gratis Zeug nachgeschmissen, damit sie dann begeistert darüber berichten und uns allen erzählen, wie toll die neue Gesichtspflegelinie ist. Viele treiben es sogar so weit, dass sie sich Zahnpasta-Samples zuschicken lassen, damit sie ihr wertvolles Geld nicht für Alltagsdinge ausgeben müssen, sondern mehr für die neue Kenzo-Jacke übrig haben (weil ihr verdammter Blog eben doch nicht cool genug ist, dass Kenzo ihnen Sachen nachschmeißen würde). Vielleicht hätte ich einfach auch gerne gratis Kleider, Spa-Aufenthalte und Zahnpasta. Vielleicht finde ich es aber einfach beschissen, sich durchs Leben zu mogeln und kostenlose Dinge abzugreifen, die in Wahrheit nichts mit dem eigentlichen Thema des Blogs, nämlich Mode, zu tun haben. Es sei denn, man tarnt ihn als Lifestyle-Blog, denn unter Lifestyle fällt eigentlich eh alles—sogar mit natürlichem Kalkstein versetzte oder kraftwassermagnetisierte Zahnpasta.
Die Sportfotos
Jede Modebloggerin macht Sport, damit sie auch weiterhin in die Acne-Jeans passt und joggt täglich in den schönsten Sporthosen, die wahrscheinlich aus irgendeiner Kooperation eines Designers mit Adidas geboren wurden, durch die Stadt. Natürlich darf das #fromwhereistand-Bild oder der Nike Run-Post auf Facebook nicht fehlen, damit jeder weiß, wie sportlich und schick die Bloggerinnen gleichzeitig sind. Eigentlich posten sie zu jeder Nacht- und Tageszeit weichgezeichnete oder grungige Schwarz-Weiß-Selfies, doch wenn sie Sport machen, gibt es nur Fotos von ihren Turnschuhen für die hungrigen Follower—was ich sehr schade finde. Das liegt vielleicht daran, dass auch Blogger beschissen aussehen, wenn sie schwitzen und sich durch die halbe Stadt gequält oder im Yoga-Loft ihre Beinchen verrenkt haben. Natürlich postet niemand verschwitzte Sport-Selfies und lässt das Internet lieber im Glauben, dass man immer gut aussieht.
#things organised neatly
Anscheinend macht es Bloggern Spaß, Dinge wie ein verrückter Neurotiker ganz geradlinig anzuordnen, nur um sie dann zu fotografieren und sie dann wieder wegzuräumen. Im Ernst, niemand hat tatsächlich sein Zeug so in seiner Wohnung herumliegen und niemanden interessiert, welchen überteuerten Schreibblock, welche Brille, welchen Lippenstift und welche Analogkamera du mit deinem Geodreieck akribisch im 90-Grad-Winkel auf deinem weißen Tisch anordnest, nur um dann den passenden Hashtag darunter setzen zu können. Wenn ihr uns damit zeigen wollt, was für tolle Sachen ihr euer Eigen nennt—danke, wir wissen es bereits.
Foto: VICE Media | #thingsorganisedneatly: Sasha Grey, Der phantastische Phallus, Kaugummizigarette, Zahnpasta und Taschentuch
Ihre Wohnungen
Warum haben Blogger immer komplett weiße Wohnungen, die so clean aussehen, als würde niemand darin wohnen oder als hätte jemand nach einem Mord mit umweltfreundlichem Allzweckreiniger alle Spuren verwischen wollen? Sie bemalen alles weiß, streichen Glasflaschen mit weißer Farbe an, um sie dann als Kerzenständer zu verwenden und leben in einer weißen Wolke aus Selbstgefälligkeit, die sie im IKEA-Katalog gelernt haben und die maximal von einem schwarz-weißen Teppich und den rosa leuchtenden Pfingstrosen in der weißen Vase auf dem weißen Tisch durchbrochen wird. Blogger haben einfach zu viel Zeit. Zum Putzen, zum Aufräumen, zum DIY-Tutorials zaubern und zum Girlanden basteln. An dieser Stelle kann man nur noch beten, dass sie kein Video davon hochladen.
Ich gebe zu, niemand zwingt mich, Modeblogs zu lesen oder Bloggern zu folgen. Viele Blogger geben auch offen zu, dass ihre Fotos inszeniert sind, sich in den Ecken ihrer Wohnung, die sie nicht fotografieren, dreckiges Zeug stapelt und sie auch gelegentlich den einen oder anderen Pickel ausdrücken. Aber ich beschwere mich nun mal gerne und finde, dass Modeblogs mittlerweile fast so unnötig sind wie die Tatsache, dass die Hauptabendwerbung hauptsächlich aus Spots für Mittel gegen Nagelpilz und Hornhaut besteht. Jeder isst—ja, auch manchmal ein geiles Frühstück—, jeder geht in die selben Shops wie Blogger und verdammt nochmal jeder macht die selben Sachen wie sie. Die tollste Party der Stadt, der beste weiße Spritzer oder der neueste Shop—wir kennen das alles schon. Ihr seid nicht fancyer als alle anderen, denn ihr macht genauso ein Praktikum in einer Kreativagentur und müsst auch ab und zu mal aufs Klo. Die Welt wäre definitiv eine bessere, wenn nicht jeder geltungssüchtige Mensch, der sich nach den gängigen Hipster-Kriterien anzieht, einen Blog hätte und uns für meinen Geschmack viel zu oft damit erleuchtet, dass die Neunziger modetechnisch gerade wieder voll im Trend sind.
Liebe Blogger, hasst Verena auf Twitter: @verenabgnr