Menschen laufen an einem Werbeplakat für Avatar: The Way of Water vorbei. Der Film propagiert ein faschistoides Gesellschaftsbild
Foto: IMAGO / ZUMA Wire
Popkultur

Avatar 2 ist der gefährlichste Film des Jahres

James Camerons blaue Katzenmenschen propagieren ein faschistoides Scheißsystem.

Die Na'vi sind so edel, kein Wässerchen könnten sie trüben. So scheint es. Sie begegnen einander mit Respekt, sie suchen das Gleichgewicht mit der Natur und wollen eigentlich nur Frieden, selbst mit den Sky People, die vom Himmel kamen, um die Rohstoffe ihres Planeten zu rauben. Und so tragen sie mit ihren gelben Katzenaugen eine Botschaft in die Köpfe von Millionen Zuschauern, die am Ende allerdings dümmer und gefährlicher kaum sein könnte.

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Worum geht's in Avatar: The Way of Water von Regisseur James Cameron? Seit Avatar – Aufbruch nach Pandora funktionieren die Avatare nicht mehr als ferngesteuerte Hüllen, sondern als souveräne Personen. Von denen haben die Sky People, also die Menschen, eine Handvoll geklont und ihnen menschliche Soldatenerinnerungen eingepflanzt. Als hybride Elitetruppe sollen sie nun den Widerstand der Na'vi beenden, die den Raubbau auf Pandora mit Guerilla-Angriffen stören.

Einer der neuen Elitekämpfer ist der fiese Colonel Quaritch (Stephen Lang) aus dem ersten Avatar-Film. Er hat immer noch eine persönliche Fehde mit Jake Sully (Sam Worthington), der Hauptfigur aus dem ersten Teil. Dieser wiederum hat mittlerweile eine Patchwork-Familie bestehend aus einer Na'vi, einem Menschenjungen und zwei Avatar-Na'vi-Mischlingen.

Quaritch hat es vor allem auf Sully abgesehen. Der flieht deswegen mit seiner Familie aus dem Wald an den Strand, wo eine andere, grüne Na'vi Ethnie versucht, möglichst unbehelligt von den Sky People ihr Ding zu machen und dabei kein Wässerchen zu trüben, weil sie das große Gleichgewicht mit der Natur propagieren. 

Es ist natürlich nur eine Frage der Zeit, bis Sully sich auch mit seinem neuen Stamm gegen die Menschen wehren muss. Das klingt vielleicht erst mal nach einem edlen Kampf, denn was kann Sully – oder die Na'vi – schon dafür, dass die Menschen ihnen an Gurgel und Rohstoffe wollen? Aber so einfach ist es nicht. Wirklich nicht.

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Macho-Kultur, Mobbing und das "Gleichgewicht"

Denn so edel die blauen Helden in Lendenschurzen auch wirken – und später ihre grünen Wasser-Pendants –, so kaputt ist auch deren Gesellschaft. Denn es gilt das Recht des Stärkeren. Demokratie gibt es nicht. Gleichstellung der Geschlechter gibt es nicht. Toleranz gegenüber anderen Ethnien gibt es nicht. Und genauso wenig gibt es die Vorstellung von Rehabilitierung nach einer abgeleisteten Schuld. Stattdessen: absurde Prinzipien, Macho-Kultur und Mobbing. Und so merkt man schnell, dass die blauen und grünen Indigenen keine besseren Menschen sind als Menschen. 

Und das macht diesen Film so gefährlich. Denn einerseits sehen wir Menschen, wie sie grausam über einen Planeten und dessen Einwohner herfallen. Der Film zeigt das als schlecht und wir verstehen das auch so. Wir wollen nicht, dass die süßen Wale sterben müssen, Bäume verbrannt und Tiere getötet werden. Unsere Sympathie landet deshalb automatisch bei denen, bei denen auch die Raumschiffe gelandet sind. 

Nur dass die Gesellschaft der Na'vi in Avatar genauso toxisch ist wie unsere. Sie ist nur noch nicht so weit entwickelt und die Na'vi können es sich deswegen noch erlauben, von "Gleichgewicht" zu sprechen, wenn sie jagen gehen. Dabei benutzen sie auch Werkzeuge, nur keine Maschinen. Es ist also nur eine Frage der Zeit und des technologischen Fortschritts, bis ihre Werkzeuge so mächtig sind wie die der Menschen und sie damit den gleichen Schaden anrichten können wie wir.

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Sie werden als weise dargestellt und in ihren Entscheidungen und Handlungen uns überlegen. Den Krieg beginnen sie nicht, sie wehren sich nur. Gleichzeitig mobben die grünen Wasser-Na'vi die blauen Neuankömmlinge aus dem Wald, als sie versuchen, sich unter die Grünen und ihre Wasserwelt zu mischen. 

Nun muss man das nicht zusammenführen, aber die Frage liegt schon nah, ob eine Spezies, die sich aufgrund rassistischer Vorurteile mobbt, so viel edler sein kann als das Menschengeschlecht, das ja nichts anderes tut.

Und da geht es schon weiter. Bei den Na'vi – sowohl bei den blauen im Wald als auch bei den grünen am Wasser – herrschen strengste Geschlechterstereotype. Hier sind Männer Krieger und Frauen Mütter, die beschützt werden müssen. Einmal am Anfang des Films sagt Sullys Frau (Zoe Saldaña) zu ihm, er solle nicht so hart zu den Kindern sein. Das sei sein Job, antwortet er. 

Nun könnte man hoffen, dass das womöglich die Story des Films ist. Dass Sully im Laufe des Films lernt, dass ein Mann nicht nur hart sein muss und das eigene Verhältnis zu den Söhnen sogar besser werden kann, wenn die einen nicht "Sir" nennen müssen. Aber nein. Ganz am Schluss erkennt er: Es ist die Aufgabe eines Vaters, seine Familie zu beschützen. Sonst habe sein Leben keinen Sinn.

Pazifismus ohne Sinn und Verstand

Die edlen Grünen haben derweil eine Regel: kein Kampf. Egal, wie angemessen der Grund sein mag, Kampf lehnen sie ab. Deshalb weigern sie sich, den süßen Wal aufzunehmen, dessen Familie vor seinen Augen getötet wurde. Wale sind in Avatar: The Way of Water hyperintelligente Wesen, mit denen man auch problemlos sprechen kann. Weil dieser spezielle Wal sich aber gegen die Ermordung seiner Familie gewehrt hatte, hat er in den Augen der Wasser-Na'vi das Recht auf Gemeinschaft verwirkt. Das klingt schon fies, ja, wird aber noch dümmer. 

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Als die Menschen mit ihren Monsterschiffen und schweren Waffen über das Meer kommen und nicht nur den Wald-, sondern auch den Wasser-Na'vi die Rohstoffe stehlen wollen, werden diese sauer. Und plötzlich ist das mit dem Kampfverzicht gar nicht mehr so relevant. Plötzlich verwandelt sich die ach so friedliche Gesellschaft in eine militärische. Hinterfragt wird das nicht. Die Männer des Stammes johlen, als sie hören, dass der Krieg beginnt – so wie deutsche Intellektuelle, Arbeiter und Regimekritiker zu Beginn des Ersten Weltkriegs. Und sowieso, schon vorher gibt es Gewalt, verbal aber auch physisch. Das Bekenntnis zum Verzicht ist also ohnehin nicht mehr als ein Lippenbekenntnis.

In Deutschland haben den Film bislang etwa 2,5 Millionen Menschen im Kino gesehen. Weltweit hat er schon über eine Milliarde Euro eingenommen. Das sind keine Rekordsummen, aber man kann schon sagen, dass der Film gut ankommt. Ob er seine Produktions- und Marketingkosten wieder reinholt, ist noch offen, aber dass er einer der Filme mit dem höchsten Einspielergebnis wird, ist ziemlich sicher.

Das heißt nun auch, dass viele Menschen die Botschaften des Films wahrgenommen haben werden. Und zwar nicht irgendwie. Wenn ein Hund seine Medizin nicht fressen will, weil er ein Hund ist, der nicht weiß, was gut für ihn ist, dann steckt man die Tabletten in Leberwurst. Der Hund ist zu dumm und gierig, um die Medizin da noch rauszuriechen. Menschen sind oft leider auch nur Hunde, wenn es um reaktionäre Kriegspropaganda geht. Warum sonst sollte Top Gun: Maverick dieses Jahr so mega erfolgreich gewesen sein und das US-Militär jedes Jahr Millionen in die Subventionierung von Hollywood-Filmen stecken?

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So schlucken wir also die Selbstverständlichkeit, mit der eine Gesellschaft von einer dynastischen Herrschaft dominiert wird. Wir hinterfragen kaum, warum Männlichkeit mit Härte, Unnahbarkeit und Gewaltbereitschaft gleichgesetzt wird und warum Frauen die emotionale und physische Care Arbeit machen müssen. Würden wir es tun, würden derartige Mainstream-Filme Männer und Frauen anders zeigen. 

Dass diese Gesellschaft zusätzlich noch von stetigen Rangkämpfen lebt, bei denen junge Männer sich prügeln und dem Tod überlassen, dass Frauen hier als Objekte dargestellt werden, um die Männer sich prügeln müssen, und dass all das in einem militärischen Drill-Ton kommuniziert wird, wirft die Frage auf, was James Cameron hier eigentlich bewirken will.

Denn dieser Film, selbst wenn er nicht den Angreifer als Helden zeigt, feiert eine fast schon faschistoide Ordnung, die Trump-Anhängern und AfD-Trotteln den Leberwurstspeichel in die Mundwinkel treiben dürfte.

Leider schön anzusehen

Das Dumme an dem Film nämlich ist, dass er so wunderschön ist. Die bunten Bilder triefen vor magischem Pathos, die blauen Katzenmenschen wirken in ihrem Fotorealismus fast, als könnte man sie auf der Straße treffen und auf einen Wein einladen, auch wenn ihnen der Berliner Winter schnell zu kalt werden dürfte, weil sie ja lediglich Lendenschurze tragen.

Gleichzeitig erkennen wir die Gewalt der menschlichen Sky People als Problem. Sie vernichtet ja all die hübsche Natur. Und doch sehen die Kämpfe so geil und bombastisch aus, dass wir uns jedes Mal wieder heimlich freuen, wenn die Maschinengewehre losknattern. 

Hinzu kommen die wahnsinnig geilen Effekte. Klar, ich habe ihn im IMAX gesehen, das ist ja für sich schon immer eine Erfahrung. Aber das 3D des Films sieht noch mal ein ganzes Stück besser aus als im ersten Teil. Auch wenn manche Bewegung immer noch reichlich verwischt daherkommt. Trotzdem wirken die Wälder und Unterwasserwelten in Avatar: The Way of Water insgesamt wirklich magisch schön. Überall glänzt und leuchtet es und das 3D gibt uns das Gefühl, wirklich dabei zu sein. 

Kurz: Was dem Hund die Leberwurst, ist uns die Schönheit von Avatar: The Way of Water. Nur schlucken wir durch sie keine Medizin, sondern die ganze Scheiße, die James Cameron uns in die Kehlen stopft, bis wir wie fette gemästete Gänse vergessen haben, dass das, was uns da reingepresst wird, menschenverachtender Abfall ist. 

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