Hurra, die Zeit der Reisebüros ist vorbei. Wir müssen uns nicht mehr von braun gebrannten Reisekaufleuten den fünften Stern verticken lassen, weil “das ist einfach das günstigste Angebot”. Wir haben AirBnB, Booking.com, Kayak und Tausende andere Möglichkeiten, einen Urlaub zu planen, der ganz unseren Vorlieben entspricht. Zumindest glauben wir das. In Wahrheit aber verarschen uns auch Buchungsportale mit jedem einzelnen Klick. Für die Plattformen ist es ein Leichtes, dich zu dem Hotel zu bringen, das du eigentlich gar nicht willst.
Wie das funktioniert? Die Masche nennt sich Dark Patterns und ist eigentlich ein psychologischer Taschenspielertrick. Dark Patterns sind ein Design der Webseite, das zwei Dinge ausnutzt. Erstens: Dein Gehirn ist ängstlich. Es reagiert schnell auf blinkende Banner und plötzlich aufpoppende Meldungen. Und zweitens gaukeln dir die Buchungsplattformen vor: Du musst jetzt sehr dringend buchen, sonst ist das günstige Zimmer in dem Hotel mit Strandblick ausgebucht.
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So wirst du unter Druck gesetzt
Das Phänomen lässt sich anhand des Marktführers Booking.com zeigen, aber natürlich nutzt nicht nur der solche Dark Patterns. Vor Kurzem hat die EU die Plattform dazu verdonnert, die Praktiken zu beenden. “Als Marktführer müssen Unternehmen wie Booking.com unbedingt ihrer Verantwortung in diesem Bereich gerecht werden”, sagte Didier Reynders, EU-Kommissar für Justiz und Verbraucher. Allerdings muss Booking.com erst ab dem 20. Juni darauf achten, die eigenen Nutzer nicht mehr zu manipulieren – also dann, wenn die meisten Menschen ihre Sommerurlaube längst gebucht haben.
Wenn du beispielsweise ein Zimmer in Berlin für Februar suchst, präsentiert dir Booking.com mehrere Angebote. In Rot steht unter einigen: “Nur noch 2 Zimmer dieser Art auf unserer Seite verfügbar” Oder: “3-mal gebucht in den letzten 6 Stunden auf unserer Webseite.” Dazwischen zeigt die Angebotsliste sogar ausgebuchte Hotels. Warum? Booking.com simuliert einen Zeitdruck, der eigentlich gar nicht da ist. Das Zimmer im ausgebuchten Hotel ist schließlich sowieso weg.
Das Perfide: Die Buttons tauchen oft erst auf, während du auf der Seite bist. So entsteht das Gefühl, als habe jemand in diesem Augenblick das letzte Zimmer gebucht – obwohl die letzte Buchung tatsächlich Stunden her ist.
Möchtest du dich dann über ein Hotel genauer informieren, geht die Manipulation weiter. Auch auf der Info-Seite des Hotels bei Booking.com selbst droht ein rotes Banner mit dem angeblich knappen Zimmerkontingent. Ob die Zimmer woanders ebenfalls angeboten werden, beispielsweise auf der Webseite des Hotels, und wie viele tatsächlich frei sind, lässt das Unternehmen offen – ein unlauterer Trick, den die EU jetzt unterbunden hat.
Die Tricks sind im Seitenquelltext versteckt
Demnächst darf Booking.com auch nicht mehr so tun, als seien Angebote zeitlich begrenzt, wenn der Preis danach in Wahrheit genauso niedrig bleibt. Der angebliche Rabatt im folgenden Screenshot ist so ein Beispiel. Der Preis wird als besonderes Angebot des Hotels beworben. Oft gibt es aber auch später weiter Zimmer für denselben Preis. Nur hast du durch das “Angebot Jahresbeginn 2020” eben das Gefühl, eine einmalige Chance zu verpassen, wenn du nicht buchst.
Ob die Anzahl der Buchungen und der angeblich gleichzeitig Suchenden stimmt, lässt sich von außen nicht prüfen. Die Betreiber von Webseiten wissen zwar genau, wie viele Besucher sie gerade haben. Eine britische IT-Forscherin hat jedoch herausgefunden, dass manche Plattformen einfach zufällige Zahlen zwischen 28 und 45 anzeigen – im Quelltext fand sie den kleinen Hinweis “view_notification_random”. Ihr Tweet ging viral, und andere zeigten, dass viele Firmen ähnlich willkürliche Zahlen verwenden.
Diesen Fehler macht Booking.com nicht. Jedoch verbirgt sich im Seitenquelltext eine Funktion namens: class=”only_x_left sr_rooms_left_wrap “data-x-left-count=”7”. Dadurch wird das Banner erzeugt, das anzeigt, dass nur noch eine bestimmte Anzahl, also X, Zimmer frei sind. Woher die Daten für das X stammen, ist unklar. Es könnte also sein, dass die angezeigte Zimmerzahl tatsächlich stimmt. Druck erzeugen solche “Nur noch X Zimmer frei”-Sprüche trotzdem. Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag kommt daher zu einer eindeutigen Einschätzung dieser Praktiken: Sie seien “unethisch, mitunter unlauter und gegebenenfalls betrügerisch”.
Trotzdem lohnt es sich, die Angaben der Buchungsplattformen kurz nachzurechnen – unabhängig davon, ob sie jetzt stimmen oder nicht. Wenn in den letzten sechs Stunden angeblich dreimal gebucht worden ist, geht also ein Zimmer alle zwei Stunden weg. Viel Zeit, andere Hotels anzuschauen oder darüber nachzudenken, ob der Urlaub überhaupt sein muss.
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Leider enden die Manipulationen nicht mit der Entscheidung für ein Hotelzimmer. Vor der Zahlung wird man nochmal daran erinnert, dass gerade zwei Leute mit denselben Reisedaten Zimmer suchen. Dass schon drei andere Hotels ausgebucht sind. Dass das gewählte Hotel 23,44 Euro günstiger ist als das Durchschnittshotel in Berlin. Alles, damit du weiter klickst, schnell die Kreditkarte zückst und endlich buchst.
Andere machen es doch genauso
Ob es der Flug in den Urlaub ist, das Hotel, der Mietwagen, sogar der Zug: Wer eine Reise bucht, den manipulieren Dark Patterns. Beim Onlineshopping sind diese Muster ständige Begleiter. Forschende der Universität Princeton haben herausgefunden, dass gut elf Prozent aller Onlineshops Dark Patterns nutzen. Je beliebter, und damit häufiger besucht, eine Webseite desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sie Dark Patterns enthält. Die Forschenden empfehlen daher, Regeln zu schaffen, um diese Praktiken zu beenden. Insbesondere anzuzeigen, andere Menschen würden sich gerade dasselbe Produkt ansehen, also das, was auch Booking.com macht, sei oft hochgradig manipulativ. Bis zu einer gesetzlichen Regelung helfe ein Tool, das ähnlich wie ein Adblocker diese Teile von Webseiten ausblende – Erweiterungen wie No Stress Booking, die es zumindest für Chrome schon gibt.
Klar werden wir auch im Straßenverkehr und im Fernsehen mit Werbung zugeballert. Die Möglichkeiten zur Manipulation im Internet sind aber viel größer und subtiler, denn die Webseitenbetreibenden wissen genau, was du gerade suchst, wo deine Maus ist und auf welche Links du klicken könntest. Oder wann hat dir das letzte Mal jemand im Supermarkt zugeflüstert: “Gerade sind drei weitere Menschen auf dem Weg zum Kühlregal, und es gibt nur noch fünf Packungen Mozzarella zum Preis von 1,99 Euro”?
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