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Interviews

Pool sind „derbe harmoniegeil“

Daher halten sie auch immer zusammen, schon seit sie 13 waren. Ohne Label im Rücken machen die drei Hamburger das, worauf sie Bock haben: Gute Musik für die Ewigkeit.

Foto © Gergana Petrova | VICE

Pool aus Hamburg wurden nicht ohne Grund von uns als vielversprechende Indieband betitelt, vom Guardian zur „Band of the Day“ gekürt, spielten sie sogar schon auf dem SXSW in Texas. Gründe genug, mal persönlich mit den Jungs zu sprechen. Die Hamburger haben extra den Weg nach Berlin auf sich genommen und uns in den unheiligen VICE-Hallen besucht. Jetzt lümmeln sie entspannt auf einem 20m-Ecksofa und berichten offen und ehrlich über ihr geschwisterliches Verhältnis, den Wert guter Musik und schlechte Blowjobs.

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Noisey: Ihr macht zusammen Musik, seit ihr 13 Jahre alt seid. Wie habt ihr es geschafft, bis heute zusammenzubleiben?
Daniel: Keine Ahnung, die Frage stellen wir uns auch oft, Digga.
Nils: Das ist halt so ein geschwisterliches Verhältnis. Wir wohnen zusammen, teilen uns den Wohn- und Arbeitsraum. Klar gibt's da auch Auseinandersetzungen, aber für ein gemeinsames Ziel steckst du persönlich zurück. Wenn wir uns mal streiten, sind das die absoluten Banalitäten, dann suchen Danny oder David wieder ein Ventil für ihren komischen Frust. Ich nie. Wir kennen uns jetzt schon zehn Jahre, damit lernst du umzugehen. Ist ja auch immer nach zehn Minuten bereits wieder alles erledigt.
David: Es ist ja auch nie zu etwas anderem gekommen. Wir haben nie groß darüber nachgedacht, was sonst so gehen könnte. Das war uns einfach immer klar.

Wollte keiner von euch mal aus Hamburg wegziehen?
Daniel: Nach dem Abi gab es mal eine kurze Phase wegen Studium und so…
Nils: Das hat sich erübrigt, als wir das Angebot bekommen haben, zusammen zu wohnen. Danach war die Sache relativ schnell abgehakt.
Daniel: Zumal, Digga, du hast dir so oft vorgestellt, wie geil es wäre, zusammen in einer WG zu chillen. Dann gab es die Möglichkeit und das war supergeil. Hinzu kommt, das wir gleich derbe viel Glück hatten, wie bei den Touren mit Digitalism. Wir hatten Leute, die uns schwachsinnigerweise unterstützt haben (lacht).
Nils: …einen geilen Labeldeal gehabt…
Daniel: Digga, das Projekt lief. Ich denke, wenn es gut läuft, bist du auch nicht von den anderen angepisst. Aber ich bin echt erst vor zwei Tagen durch unseren Flur gelatscht und habe mich gefragt: „Wie kommt das eigentlich, dass wir uns nicht ständig die Köpfe einschlagen?“. Du musst es dir so vorstellen: Zwischen 13 und 19 haben wir alle in der Schule zusammengehangen. Das ist ja ein Zeitrahmen, Digga, in dem du dich so richtig kennenlernst. Wir sind ja auch alle derbe romantisch, Digga, wir sind harmoniegeil. Keiner kann ohne den anderen.

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Wie habt ihr den Übergang von Schulband oder Jugendband zu richtigen Musikern geschafft?
David: Ja Digga, dann nach der Schule habe ich erstmal gearbeitet. Ich habe in verschiedenen musikalischen Betrieben Erfahrungen gesammelt, eben die andere Seite kennengelernt. Da habe ich gelernt, wie alles funktioniert. Wir sind nicht so eine Band, deren Manager alles geregelt hat, wir sind step by step gewachsen. Du hast mit 16,17 deine Konzerte selbst organisiert, später haben wir Wettbewerbe gewonnen. So eine Kacke, die du halt machst, um überhaupt auftreten zu dürfen. Du bettelst die Menschen ja förmlich an, dich irgendwo hinstellen zu dürfen. Dann merkst du irgendwann, dass es auch nice wäre, Geld zu verdienen und fragst dich, wie du das ernsthaft durchziehen kannst. Wenn du das so wie wir machst, leitest du ja ein Unternehmen. Du musst dich mit Verträgen bezüglich Merchandise auseinandersetzen, dir das Motiv ausdenken, was dann irgendein Honk über die Straße tragen kann.
Daniel: Was natürlich auch geil sein soll, weil der Honk ja mit einem vernünftigen Shirt rumrennen soll. Jetzt mal flapsig ausgedrückt.
David: Dadurch hast du halt ein derbe verrücktes Leben. Wir nehmen jetzt seit einem halben Jahr unser Album mit unserem Produzenten Udo Böckmann, dem FoH von Deichkind, auf. Das ist einfach krank. In unserem alten Wohnzimmer steht jetzt ein dickes Studio, da kannst du alles machen, hochprofessionell.
Nils: Als wir mit dem Album angefangen haben, war es nochmal ein ganz anderes Maß an Arbeit. Das geht bis ins Mark und wird langsam zur psychischen Belastung bei uns. Das ist ein Riesenunterschied, du chillst kaum noch. Selbst im Urlaub in Schweden habe ich tagelang gebraucht, um wieder auf ein entspanntes Level zu kommen.
Daniel: Geil ausgeschweift.

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Macht nichts. Ist es denn euer Traum, mit der Musik euren Lebensunterhalt zu verdienen?
Daniel: Mehr noch, Digga, ein Klo aus Gold! Nein, solange du bei deinen Eltern gewohnt hast, hat Geld ja keine Rolle gespielt. Das Thema kam erst auf, als wir uns „selbstständig“ gemacht haben. Mir ist es wichtiger, als geiler Typ in die Geschichte einzugehen. Dass das immer richtig hochgesteckte Ziele sind, wissen wir alle, aber das ist ja das Geile daran. Manche Leute wollen auf den Mount Everest. Das ist auch kompletter Schwachsinn, da oben brauchst du eine Maske, um überhaupt atmen zu können! So ähnlich kommt mir das hier auch vor. Leute, die sich Ziele setzen, die unerreichbar scheinen, finde ich geiler, als auf Lehramt zu studieren, um Sportlehrer zu werden.
David: Ich habe mit 13,14 den Film gehabt, selber Musik zu schreiben. Die meisten Menschen scheitern ja schon daran. In dem Alter wirst du entgeistert angeguckt, weil du deine eigene Musik spielst. Wir sind eben alle auf diesem „Ich will Rockstar werden“-Film hängengeblieben.
Daniel: So doll!
David: Wenn ich in zehn Jahren mit dir chille und wir würden uns das Album anhören, wäre mir viel wichtiger, dass ich sagen kann: „Alter, echt nice.“. Und wenn du das dann auch sagst, wäre ich glücklich. Mir ist die Wichtigkeit dessen, das ich Künstler sein kann, im letzten Jahr erst so richtig bewusst geworden. Du hast so viele Sorgen, dass die tatsächliche Möglichkeit etwas auszudrücken manchmal so krass im Hintergrund steht, dass ich Anfang diesen Jahres darüber erschrocken war, dass ich ein richtig geiles Album machen kann. Scheißegal, was damit passiert. Es gibt derbe viele geile Alben, die keinen Schwanz jucken. Aber du selbst findest eben so ein Album richtig geil. Wenn ich es schaffen kann, diesen persönlichen Wert für uns zu erschaffen, ist es momentan das Allergrößte für mich. Ob wir damit dann tatsächlich Geld verdienen, hängt zum Teil von uns selbst, aber auch von hundert anderen Faktoren und vor allem Glück ab.

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Entsteht nicht ein gewisser Druck, wenn ihr dann mit eurer Musik selbst Geld verdient?
Daniel: Glaube schon. Es gibt aber im schönen Bereich der Kunst die Möglichkeit, dass du auf eine Anomalie stößt. Dass du, weil du superauthentisch bist und dein Ding gemacht hast, die Leute das kapieren und gerade deswegen dein Album kaufen.
David: Das Witzige ist… darf ich dich unterbrechen?
Daniel: Ja bitte, ich liebe das.
David: Das Album ist komplett authentisch, aber auch sehr poppig. Ich bin so heiß darauf, Musik zu schreiben, die einfach catcht, einen verzaubert. Pop hat eine Macht.
Daniel: Mich bockt es derbe, weil ich dann weiß: Digga, es schockt rein. Ich weiß gar nicht, ob ich meine eigene Musik hören würde, wenn eine andere Band sie macht. Mir ist das Spielen der Musik immer wichtig gewesen, deswegen ist Studio immer eher angenehme Arbeit für mich.
David: Derbe viel Musik schafft es nicht, die Spannung beim Hörer aufrechtzuerhalten. Das ist eine unbeschreiblich große Kunst.
Daniel: Digga, das hast du bei allen. Ein Tischler will ja auch ein Tisch bauen, wo die Leute reinkommen und sagen: „Geiler Tisch!“.
David: Es ist ein absolutes Handwerk, vor allem wenn du im Studio bist. Wir reden den ganzen Tag über die Lautstärke der Snare und einem kack EQ bei 100 Hertz. Das macht heutzutage einen Riesenunterschied, dass eben der Sound stimmt. Wir beschäftigen uns im Studio zu 50% mit Soundästhetik und zu 50% mit Songwriting.
Daniel: Das ist mir auch wichtig, Digga. Ich habe schon seit langer Zeit solomäßig Mucke gemacht, hab HipHop gemacht, hab Beats produziert. Mich hat das gebockt, wenn ein Song ballert und ästhetisch schön ist.

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Wie wichtig ist euch dann beim Aufnehmen, dass der Sound auf Platte auch live realisierbar ist?
Nils: Früher haben wir uns krass eingeschränkt, weil es für uns live genauso klingen musste wie auf Platte. Wir sind nur zu dritt, was uns relativ stark einschränkt. Davon sind wir jetzt weg. Beim Album geht es in erster Linie darum, heftige Songs zu machen, die einfach geil sind. Wenn wir Bock auf Synthies oder verrückte Percussions haben, sagen wir uns: „Egal, hau drauf! Wir schauen später, wie wir das live lösen.“ Soweit sind wir im Moment noch gar nicht.
David: Du hast natürlich die Verantwortung, dir verdammt nochmal Mühe zu geben und ein geiles Konzert auf die Beine zu stellen. Ob es genauso wie auf Platte klingt, ist für mich nicht wichtig. Wichtig ist, bewusste Entscheidungen zu treffen.
Daniel: Wir haben den krassesten Wandel durchlebt. Früher hatten wir Prinzipien, haben das militant gehatet. Wenn wir jetzt Back-Trackings benutzen und einer meckert, zeig ich dem einen Fickfinger und sage: „Digga, das habe ich alles selber eingespielt!“.
Nils: Ist auch eine Frage des Budgets. Es könnte ja auch ein vierter Mann mitkommen, der sich um die Synthies kümmert.
David: Wir haben uns vor dem Album die Frage gestellt, ob wir real sein wollen oder richtig geile Song machen. Ich bin heilfroh, dass wir uns für Letzteres entschieden haben. Ganz ehrlich, wir haben auf dem Album eine musikalische Vision, die wir bis jetzt ziemlich genauso verwirklicht haben. Da kann uns keiner einen Vorwurf darüber machen, dass wir, wenn wir vor fünf Leuten in Unterhaching stehen, uns nicht leisten können, noch zehn weitere Leute auf die Bühne zu stellen.

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Zumal das, was auf Platte passiert und bei einem Live-Gig zwei verschiedene Sachen sind. Die Energie ist live eine ganz andere, der Song kann so neu interpretiert werden.
Nils: Ja auf jeden Fall und das wird auch bei uns der Fall sein.
Daniel: Es ist derbe wichtig, dass du nicht vor der Bühne stehst und denkst, dass es auf Platte fetter klingt. Bei uns ist es übertrieben geil, dass der Typ, der unsere Songs im Studio fett klingen lässt auch immer bei Konzerten dabei ist. Er kennt die Songs in- und auswendig. Sorry an alle Live-Mischer, aber ein Mischer, der dich zum ersten Mal sieht, kann das natürlich nicht mal im Ansatz leisten.
Nils: Für das Publikum und für uns wird es absolut spannend, wie das dann umgesetzt wird.
David: Das neue Album ist eine derbe logische Weiterentwicklung.

Warum gerade Pool? Ziemlich schwierig, euch über Google zu finden.
Daniel: Es klappte für uns und war witzig.
Nils: Er passt zu unserem Sound. Es gibt ja verschiedenen Assoziationen und bei Pool denke ich an etwas derbe Frisches, Spritziges.
Daniel: Digga, jeder Hans und Franz macht inzwischen Musik. Die Konkurrenz ist riesig, versuch dir da mal einen Namen zu überlegen, den es noch nicht gab oder der gerade woanders von einer vor sich hin dümpelnden Band benutzt wird.
David: Solche Google-Probleme haben ja auch Bands wie Claire oder Roosevelt. U2 findest du sofort, dabei ist das eigentlich der beschissenste Bandnamen aller Zeiten. Ich glaube, wenn du ein gewisses Level erreicht hast, ist der Name kein Problem mehr.

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Durch das Internet hat so gut wie jeder einen Kanal für seine Musik. Wie schafft es da eine junge Band trotzdem hervorzustechen?
David: Ich finde extrem schade, dass durch die ganzen Social Media-Sachen junge Bands schnell entmystifiziert werden. Du weißt immer, wo der Künstler gerade ist und was er macht. Ich habe durch meine Arbeit gelernt, dass das alles gar nicht so viel bringt. Es ist natürlich nice, dass du neue Songs streuen kannst. Aber nur weil du zeigst, dass du gerade auf Klo warst, wirst du nicht bekannter. Hypes entstehen durch andere Sachen. Wenn du ein krasser Typ bist und krasse Sachen machst, wie ein geiles Video rauszubringen, entstehen dadurch Hypes. Wir sind nicht irgendwelche Rapper, die aus ihrem krassen Leben berichten…
Daniel: Wir können nicht die ganze Zeit posten, wie unglaublich im Arsch wir von unserem Codein sind.
David: Wir können zeigen, dass wir echt korrekt sind und es sich lohnt, dir unseren Shit mal reinzuziehen.

In dem Interview mit hh-mittendrin.de habt ihr über den Song „Lipstick“ gesagt, dass er von einen schlecht ausgeführten Blowjob handelt. Was ist denn die Story dahinter?
David: Das ist eigentlich ein derbe psychedelischer Songtext, weil er einen Sekundenbruchteil beschreibt. Es geht nicht so sehr darum, wie schlecht der Blowjob ist, sondern was für Fragen dir währenddessen durch den Kopf schwirren. Wenn es eben nicht deine Freundin ist, die mal einen schlechten Tag hat (lacht), sondern irgendein Mädchen. Im Sinne von „Du machst das ja derbe Hoe-mäßig, aber kann ich dir irgendwie helfen? Du musst das ja auch nicht tun.“. Aber nicht herablassend oder dirty, sondern fast schon auf eine liebevolle Weise. In der Gesellschaft ist es normal zu sagen: „Digga, er hat sie gebangt“, aber eigentlich ist so eine Situation ja derbe intim. Gleichzeitig ist es derbe komisch, wenn es mit einem Menschen passiert, den du gar nicht kennst, es leidenschaftlich ist und dann so kippt. Was bleibt sind die Fragen im Kopf.

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Weiß die Betroffene, dass es um sie geht?
Daniel: Nein! Ich glaube nicht.
David: Das ist auch zu fies, kannst du nicht bringen (lacht).

Wer schreibt bei euch die Texte?
Nils: Beim Album habe ich viel getextet.
David: Eigentlich textet jeder das, was er singt. Bei den Refrains, die wir zusammen singen, bearbeiten wir die Texte auch gemeinsam. Das Thema Texte haben wir jetzt so richtig aufgemacht. Mir ist wichtig, dass alles, was ich singe, von mir ernst gemeint ist. Ich schreibe keinen Text, damit ein Text da ist. Ich möchte was ausdrücken. Für das Album habe ich mich viel mit der Psyche beschäftigt. In meinem Leben geht es viel um Veränderung, charakterliche Entwicklungen.

Wenn du über persönliche Erfahrungen singst, hilft dir da die englische Sprache, um Distanz zwischen dir und dem Text zu schaffen?
Daniel: Das würde ich sofort unterschreiben. Auf deutsch ist es oft fast zu ernst.
Nils: Die deutsche Sprache lässt nicht so viel Interpretationsfreiraum, weil sie viel präziser ist. Wenn du etwas schreibst, ist es genau das, was du sagst. Englisch ist da variabler, lässt sich schneller interpretieren.
Daniel: Wir reden tatsächlich verdammt oft über Sprachen. Ich habe ein derbe großes Interesse an Linguistik und dem ganzen Scheiß. Franzosen sind dem Klischee nach eher hedonistisch, genauso ist auch ihre Sprache. Die Deutschen sind dagegen strenger, daher auch die harte, kalte Sprache. Wir sind aber vom state of mind und swagger nicht so, deswegen passt die englische Sprache besser. Klar kannst du dich so auch gewählt ausdrücken, aber du musst es nicht.
Nils: Du siehst es ja auch am denglisch. Unsere Generation vermixt das, wir sind lockerer und nehmen Sprache eher als Werkzeug.
Daniel: Was mich an Deutschen so derbe ankotzt, ist diese Reserviertheit. Wieso kannst du nicht mal aus der Haut fahren. Vielleicht ist diese Zurückhaltung klüger und intellektueller, aber gerade in der Kunst geht mir das derbe auf den Sack. Scheiß bitte auf dein Hirn, arbeite mit deinen Eiern!

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