Eine tätowierte schwarze Frau mit kurzen Haaren steht mit weißer Hose und Sport-BH auf einer Wiese, die britische Fotografin Roman Manfredi hat Butch-Lesben im ganzen Land porträtiert.
Nade, Oldbury, West Midlands | Foto: Roman Manfredi
Menschen

Fotos von stolzen Butch-Lesben

Die Fotografin Roman Manfredi ist durch Großbritannien gereist, um das Leben von lesbischen Frauen weit weg von akademischen Queerness-Diskussionen zu dokumentieren.

Roman Manfredi wuchs in den 1960ern als Kind italienischer Arbeiter im Londoner Stadtteil Kings Cross auf. In einem aktuellen Selbstporträt steht sie wieder vor der Sozialsiedlung ihrer Kindheit. Sie ist elegant gekleidet, die kurzen grauen Haare millimetergenau frisiert, ihr Blick und ihre Körperhaltung strahlen Trotz aus. Das Foto ist Teil von Manfredis Ausstellung We/Us, die noch bis zum 3. Juni im Space Station Sixty Five in London zu sehen ist.

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Die Fotoausstellung ist eine Liebeserklärung an die Butches und Studs der britischen Arbeiterklasse. So bezeichnen sich Weiße und Schwarze lesbische Frauen, die sich eher maskulin definieren. Manfredi wollte Menschen zeigen, die Welten von den akademischen Queerness-Diskursen entfernt sind, und reiste dafür in die ländlichen, verarmten und wenig glamourösen Teile des Landes. Ihre Porträts zeigen Menschen, die stolz auf ihre Handwerksberufe sind, auf ihre Uniformen, ihren Aktivismus, ihre Fußballvereine und ihre Autos.

Auch Manfredi hat im Dienstleistungsbereich und in handwerklichen Jobs gearbeitet, bevor sie sich zur Künstlerin umschulte. Wir haben mit ihr in einem Pub über die Ausstellung gesprochen und darüber, was es bedeutet, 2023 Butch zu sein.


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VICE: Wie ist dieses Projekt entstanden?
Roman Manfredi:
Ich war vor ein paar Jahren bei der Brighton Pride und eine jüngere Person meinte zu mir, dass sie sich nicht mehr als Butch oder Femme identifizieren müsse, das sei ein Ding der Vergangenheit. Ich war mit meiner damaligen Freundin unterwegs, die eine High Femme war, sich als sehr feminin identifizierte, und wir fühlten uns beide sehr verletzt. Es fühlte sich wie eine Auslöschung unserer Identität an. Es hält sich außerdem dieses Vorurteil, dass Butches Mannsweiber sind, unattraktive und übergewichtige Menschen aus der Arbeiterschicht. Dieser Klassena-Aspekt hat mich interessiert. 

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Ich wollte die Menschen zeigen, die vor Einkaufszentren stehen und 13 Pfund die Stunde als Security verdienen. Das sind die Menschen, die wir neben den vorzeigbareren Versionen schlanker, androgyner Queerness häufig übersehen. Viele Menschen haben auch diese akademische Vorstellung von Identität im Kopf und vergessen dabei, dass das unsere gelebte Erfahrung ist. Also bin ich durch Großbritannien gereist und habe versucht, mit Menschen über ihre Erfahrungen zu sprechen. Und für die meisten ist der wichtigste Aspekt ihrer Identität nicht das, als was sie sich identifizieren oder welche Pronomen sie benutzen.

Eine asiatische Frau mittleren Alters in einem beigen Outfit und mit Schiebermütze steht in einer Straße und schaut in die Kamera

Khi, Brixton, London | Foto: Roman Manfredi

Was ist das Wichtigste für sie? Gibt es eine universelle Sache, mit der sie sich identifizieren?
Ich glaube, die meisten Menschen fühlen sich gezwungen, über ihre Identität nachzudenken, weil andere in bestimmter Weise auf sie reagieren. Da kannst du gar nicht anders, als dir über deine Identität Gedanken zu machen. 

Wie hast du die Menschen für die Porträts gefunden?
Ich bin ein paar Leute durchgegangen, die ich kannte, aber ich wollte mich nicht auf London beschränken und als ältere Butch habe ich nicht besonders viel Kontakt mit jungen Butches. Ich musste meine Komfortzone verlassen und zum Beispiel zu Boxkämpfen gehen. Bei der UK Black Pride habe ich außerdem zwei Studs angesprochen.

Instagram war eine große Hilfe. Wenn ich nicht einschlafen kann, schaue ich mir Reels mit Kätzchen an, aber weil ich auch #butch, #studs und #femmebutch folge, hat mir der Algorithmus einen Podcast mit einer Stud und einer Femme gezeigt. An ihren Dialekten habe ich erkannt, dass sie aus Birmingham stammen, also habe ich sie kontaktiert.

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Es war wichtig für mich, die verschiedenen Erfahrungen zu teilen, die wir als alte, junge, Weiße und Schwarze Butches und Studs machen. Ich wollte 50 Prozent Schwarze porträtieren und nicht nur ein paar Vereinzelte als Lückenbüßer haben. Es ging mir darum, Beziehungen zu den Personen aufzubauen und sie erst mal zu interviewen, herauszufinden, worüber sie sprechen möchten, was sie besonders macht. Wenn ich zum Beispiel Studs nach ihrer Erfahrung mit Homophobie fragte, sagten sie: "Damit haben wir eigentlich kein Problem. Wir sind viel zu sehr mit Rassismus beschäftigt." Wenn sie für das falsche Geschlecht gehalten werden, werden sie nämlich als Schwarze Männer behandelt.

Eine weiße Frau mit grauem Bürstenschnitt steht in dunklem Mantel und rotem karierten Hemd vor einer Hochhaussiedlung

Roman, Kings Cross, London | Foto: Jayne Taylor

Hattest du dir selbst Vorgaben für die Darstellung der Butches und Studs gemacht?
Es gab eine Zeit in den 90ern, als Butches ihre eigene erotisierte Ästhetik hatten, aber ich wollte uns nicht in unserer Unterwäsche zeigen, mit Graffiti im Hintergrund, in Clubs oder mit Glitter. Ich habe alle in sehr britischen Umgebungen fotografiert. Die Bilder sollen sagen: Wir sind hier, machen diese ganzen verschiedenen Jobs und haben diese verschiedenen Hintergründe.

Eine weiße tätowierte Frau mit Kurzhaarschnitt und Fußballtrikot steht im hohen Gras vor einem Gebäude

Sal, Gateshead, Newcastle | Foto: Roman Manfredi

Was erhoffst du dir, wie junge Menschen auf die Ausstellung reagieren?
Ich würde den Leuten damit gerne die Möglichkeit geben, sich näherzukommen. Es geht nicht darum, Leute vorzuführen. Menschen finden mich angsteinflößend, aber wenn sie sich mit mir unterhalten, merken sie, dass ich total soft bin. Als junge Butches entwickeln wir diesen Panzer – das war definitiv bei mir so, wo ich aufgewachsen bin. So eine "verpiss dich oder ich bringe dich um"-Einstellung. Aber so sind wir nicht. 

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Ich würde es allerdings hassen, wenn die Butch-Identität Mode werden würde. Das liebe ich nämlich daran: Es ist OK für uns, sich als Außenseiterinnen zu fühlen. Es gab nur eine Phase in den 90ern, wo Butchsein plötzlich cool wurde, aber ich glaube, seitdem hat es sich wieder normalisiert. Umso wichtiger ist es, dass wir uns hinstellen und sagen: "Wir wollen gar nicht Teil des Mainstreams sein. Verpisst euch, kein Interesse, wir stehen nicht zum Verkauf."

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Eine schwarze Frau mit Stirnband und einer Bomberjacke, auf der "Black is Beautiful" steht, steht in einem Wohngebiet

Carla, Dagenham, Essex | Foto: Roman Manfredi

Eine weiße tätowierte Frau mit Brille und kurzen Haaren steht in ihrer Arbeitsuniform in einer großen Halle

Sue, City of London | Foto: Roman Manfredi

Eine schwarze tätowierte Frau mit kurzem Haaren und verschiedenen Piercings steht in schwarzer Bomberjacke rauchend vor einem Riesenrad

Mel, Margate, Kent | Foto: Roman Manfredi

Eine weiße Frau mit Tattoos, Piercings und kurzen Haaren posiert auf einem Motorrad

Gideon, East Farleigh, Kent | Foto: Roman Manfredi