Schon von Kindesbeinen an hatte ich unglaubliche Angst vor Krampussen—solche Angst, dass sich ein gewisser schadenfroher Onkel jährlich zum Krampustag den Spaß gemacht hat, extra zu meinem Zuhause zu fahren und mit schweren Ketten Krawall vor dem Haus zu machen, damit ich noch ein bisschen mehr Angst bekam (weil bekanntlich nichts Familienmitglieder glücklicher macht als ihre Liebsten in der besinnlichen Jahreszeit zu terrorisieren).
Auch heute hat sich an meiner regelrechten Panik vor Krampussen und Perchten so gut wie nichts geändert. Allein, als der Trailer zum neuen US-Horrorfilm Krampus in meiner Timeline aufgetaucht ist, habe ich mich so dermaßen gefürchtet, dass ich beim Drüberscrollen die Augen schließen musste, um nichts zu erkennen.
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Als ich mich zum letzten Mal in die Nähe eines Perchtenlaufs gewagt habe, um meine teeniehafte Coolness unter Beweis zu stellen, bin ich am Ende mit drei anderen Mädchen in einer Klokabine gelandet, wo wir uns bis nach der Veranstaltung eingesperrt haben. Nur, damit keine Unklarheit darüber entsteht, mit welcher Art von Heulsuse ihr es hier zu tun habt.
Für mich sind Krampus- und Perchtenläufe das Bizarrste und Schlimmste, was unter dem Vorwand des Brauchtums passieren kann und einzig dafür da, um Menschen zu traumatisieren und Gewaltfantasien auszuleben, wie es immerhin nicht erst einmal der Fall war.
Sie tragen monströse Peitschen oder Ruten und verstecken ihre schwitzenden Gesichter hinter Masken, deren Anblick ich nicht mal meinem schlimmsten Feind wünschen würde. Es gibt vermutlich coolere Dinge, vor denen man Angst haben kann, aber das hindert mich leider nicht daran, mich beim bloßen Gedanken an sie anzuscheißen. Um herauszufinden, warum das so ist (und um meine Angst vielleicht durch ein bisschen rationale Aufarbeitung auszutreiben) habe ich beschlossen, meiner Panik vor den maskierten Helfern Satans auf den Grund zu gehen und den Psychiater Dr. Leodolter aufgesucht.
Ich habe ihm meine Misere erklärt. Ich habe ihm erläutert, dass ich am liebsten schon davonrennen würde, wenn ich die Perchten nur mit ihren Kuhglocken scheppern höre (und ich renne sonst nie). Ich habe ihm gestanden, dass ich mich sogar vor kleinen Buben mit der billigsten selbstgebastelten Maske fürchte und ich meine Mutter früher angefleht habe, am 5. Dezember niemandem die Türe zu öffnen.
Zu Beginn wollte Dr. Leodolter meine Familiengeschichte hören, da Ängste wie jene vor Perchten und Krampussen laut ihm oft daher rühren. Ich erzähle ihm also von meiner Familie, meiner Mutter, meinem Großvater, dem Onkel, der sich früher einen Spaß aus meiner Angst vor Krampussen gemacht hat, und meinem Vater.
Dr. Leodolter meint, dass irgendeine jähzornige, grantige männliche Person in meiner Familie diesen Krampus verkörpert, vor dem ich mich so fürchte. Da es aber keinen Mann in meiner Familie gibt, der auffällig oft wütend war, suchen wir weiter. Auch mein Sexleben und meine Beziehungen, die ebenfalls für neurotische Ängste verantwortlich sein können, geben keinen Aufschluss über meine Angst.
Jetzt bleibt eigentlich nur noch die Option, dass ich selbst das Problem bin. Er fragt mich, ob ich außergewöhnlich aggressiv bin, oder gelegentlich davon träume, jemanden zusammenzuschlagen. Ich wusste zwar, dass ich eine gewisse passiv aggressive Ader habe, aber dass es mein innerster Wunsch sein könnte, jemanden zu verprügeln, war mir neu.
„Man ist nicht immer nur das Opfer, sondern immer auch der Täter—auch wenn man es nicht weiß. Das, wovor man sich fürchtet, ist man bis zu einem gewissen Grad auch immer selbst”, sagt Dr. Leodolter. Letzten Endes stellt sich also heraus, dass ich mich so vor Perchten und Krampussen fürchte, weil ich selbst ein kleiner aggressiver Krampus bin, der gerne mal so richtig zulangen möchte.
Auch mein Familien-, Liebes- und Sexleben tun ihr Nötiges dazu und lassen mich beim Anblick von diesen gehörnten Bestien ein bisschen Hosilulu machen. Dr. Leodolter stellt fest, dass es bei mir weniger um die Angst vor Masken oder verhüllten Gesichtern, sondern mehr um die Angst vor Schlagen, Zorn und Eindringen in die Lebenswelt geht. Fair enough.
Und obwohl ich trotz aller Erkenntnisse über mein Innerstes immer noch der Meinung bin, dass ich nicht der Typ bin, der damit ein heimliches Verlangen nach physischer Gewalt kompensiert, hat das mit der angeblich versteckten Aggression immerhin auch ein Gutes. Laut Dr. Leodolter könnte ich mich offenbar ziemlich gut gegen diese felligen Bastarde wehren: „Ich denke, dass Sie Ihrerseits schön hinlangen und sich—wenn es darauf ankommt—auch selbst verteidigen könnten. Sie können schon auch verletzen, wenn Sie wollen.” Vielleicht sollten diese stinkenden, hässlichen Dinger also in Zukunft lieber mir aus dem Weg gehen als umgekehrt. Oder ich finde mich einfach damit ab, dass es doch noch eine Sache auf der Welt gibt, vor der ich mich mehr fürchte als vor Rolltreppen.
Verena auf Twitter: @verenabgnr