Auf den Spuren der berühmtesten UFO-Sichtung Kanadas
Fotos mit freundlicher Genehmigung von Hillary Windsor

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Paranormal

Auf den Spuren der berühmtesten UFO-Sichtung Kanadas

Vor 50 Jahren wunderten sich Bewohner der Provinz Nova Scotia über seltsame Flugobjekte, vor einem Dorf stürzte ein UFO ins Meer. Viele Menschen sahen es, aber es blieb spurlos verschwunden.

In dem Fischerdörfchen Shag Harbour gibt es fast nichts – außer Fisch, Hummer und UFO-Geschichten. Die kanadische Provinz Nova Scotia besteht fast komplett aus einer großen Atlantik-Halbinsel und Shag Harbour liegt an ihrer Südspitze. Einwohnerzahl: 400.

Für so einen kleinen Ort ist Shag Harbour allerdings ganz schön berühmt. Vor genau 50 Jahren hat sich hier die wohl am besten dokumentierte UFO-Sichtung des Landes zugetragen. Ein unerklärliches fliegendes Objekt tauchte am 4. Oktober 1967 über Shag Harbour auf und fiel vor vielen Zeugen ins Meer. Noch heute ranken sich unzählige Geschichten und Gerüchte um das Ereignis, und jedes Jahr halten die Dorfbewohner ein Gedenkfest ab.

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Ich war noch nie in Shag Harbour, aber das 50. Jubiläum dieser außerirdischen Begegnung will ich mir nicht entgehen lassen. Ich fahre die 300 Kilometer aus Halifax, der Hauptstadt von Nova Scotia, in das Dorf und hoffe, dass die Wahrheit da draußen ist.

Das Ortsschild von Shag Harbour, Nova Scotia

Shag Harbour sieht aus wie viele kleine Fischerdörfer an der kanadischen Atlantikküste. Die Hauptstraße führt am Meer entlang. Überall alte Holzboote, alte Holzstege und alte Holzhäuser, angenagt vom Zahn der Zeit und von der salzigen Luft. Es ist ruhig, beschaulich und schön, aber für jemanden, der von außerhalb kommt, hat es auch etwas Tragisches.

Bei meiner Fahrt sehe ich kleine Schilder, die an Telefonmasten und Kirchen für diverse Attraktionen werben: "Hummer-Dinner", "Baked Beans", "Mittwochabend-Küchenparty" und "UFO-Absturzstelle". Ganz normaler Kram für ein Fischerdorf also. Es ist der zweite Tag des großen UFO-Fests und trotz der ruhigen See liegt Spannung in der Luft.

Ich gehe zum Hauptereignis des Tages, der Diskussionsrunde der Augenzeugen. Sie findet im Gemeindehaus statt, Dutzende Zuhörer haben sich unter Luftschlangen und Ballons eingefunden. Die Frau an der Rezeption legt ihr Strickzeug weg, schreibt "Presseausweis" auf einen Zettel und reicht ihn mir lächelnd. Ich betrete den Hauptraum, in dem hier vermutlich jeder Hochzeitsempfang und jedes Vereinstreffen der letzten 60 Jahre stattgefunden hat. In der Nähe des UFO-Merch-Stands setze ich mich, um zwei Stunden lang den Geschichten der Zeugen zu lauschen.

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Unter den Zeugen sind nicht nur Einwohner von Shag Harbour, sondern auch ein kommerzieller Pilot, der sich an jenem Abend den Himmel mit dem UFO teilte. Und Folgendes soll sich damals zugetragen haben: Am Abend des 4. Oktober 1967 sahen einige Einwohner von Shag Harbour ein hell leuchtendes Objekt am Himmel, das auf den Ort zuflog und dann schnell ins Meer stürzte. Die Behörden erhielten einen Notruf von Laurie Wickens, es sei ein Flugzeug abgestürzt. Wickens sollte zu einem der wichtigsten Zeugen des UFO-Vorfalls werden.

"Wir liefen sofort zur Telefonzelle und riefen die Polizei. Ich sagte, ein Flugzeug sei abgestürzt, aber der Beamte glaubte mir nicht, also legte ich auf", erzählt Wickens, heute 67, dem gespannten Publikum. Der Polizist habe daraufhin die Telefonzelle zurückgerufen und mit Wickens einen Treffpunkt am Meeresufer ausgemacht. "Als wir dorthin zurückgingen, um auf den Polizisten zu warten, sahen wir das Licht im Wasser treiben. Ich und mein Freund sahen dem Licht zu, bis es ausging."

Memo des kanadischen Verteidigungsministeriums

Ralph Loewinger flog in jener Nacht eine Frachtmaschine von New York nach London. Er sah dasselbe Ereignis aus einer anderen Perspektive.

"Ich schaute zufällig gerade in diese Richtung, und da war eine Formation aus blau-weißen Lichtern, eine Diagonale von oben links nach unten rechts. Ich sagte: 'Oh, seht euch den Typen an", erzählt Loewinger den Anwesenden. "Die anderen beiden Piloten schauten hin, und der Captain und ich griffen beide nach dem Steuerhorn – wir dachten, wir würden diesem Typen ausweichen müssen, weil er direkt auf uns zukam."

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Für die Piloten habe das Flugobjekt wie eine große Maschine ausgesehen, etwa eine B-52 oder eine Boeing 707, bei der alle Lichter leuchteten. "Da waren ungefähr fünf Lichter. Es war in einer Position wie ein Linksabbieger, der an einer Kreuzung an einem vorbeimuss. Wir warteten darauf, dass es unseren Bug kreuzt, aber es kam einfach nicht. Die Lichter hingen einfach dort", erinnert sich Loewinger. "Wir drei schauten einander an und fragten: 'Was ist das für ein Ding?' Wir konnten es nicht ausmachen. Ich kontaktierte Boston und fragte, ob sie uns noch auf dem Radar hätten, und das hatten sie. 'Und wer ist das auf 11 Uhr?', fragte ich. 'Da ist niemand', sagte der Mann im Tower, und ich sagte: 'Aber ich sehe da jemanden.'"

Erfolglose Suche nach dem Wrack

Norman Smith war 1967 ein Teenager, der in Shag Harbour wohnte. Am Abend des Vorfalls sah er Lichter am Himmel und verfolgte sie, bis sie ins Wasser stürzten. Mit seinem Vater und seinem Onkel sprang er sofort auf Rettungsmission ins Fischerboot.

"Wir suchten nach Menschen oder Wrackteilen", erzählt Smith bei der Zeugenrunde. "Wir fuhren in den Bereich, wo es passiert war, aber wir fanden nichts im Wasser – bis auf eine lange Spur von gelb-orangenem Schaum auf der Oberfläche, etwa 10 bis 15 Zentimeter dick." Die Smiths suchten die ganze Nacht lang, selbst als die Küstenwache dazukam. Auch am nächsten Tag waren sie wieder auf der Suche. "Dort waren Taucher, die es den Großteil des Tages versuchten und dann aufgaben. Wir fanden nichts und die Taucher schienen auch nichts gefunden zu haben, also gingen wir heim."

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"Ich kann euch nicht sagen, was da im Wasser gelandet ist, ob Flugzeug oder UFO – aber da kam definitiv etwas aus dem Himmel und landete im Wasser."

Das Erlebnis hat Norman Smith offensichtlich bis heute geprägt. "Ich kann euch nicht sagen, was da im Wasser gelandet ist, ob Flugzeug oder UFO – aber da kam definitiv etwas aus dem Himmel und landete im Wasser", sagt er. "Ich sehe es heute noch genau vor mir. Ich würde es gern noch mal sehen, aber das wird wohl nie passieren."

In den Tagen nach dem Vorfall suchten die Royal Canadian Mounted Police, die kanadische Küstenwache und die kanadische Marine zusammen mit örtlichen Fischern das gesamte Gebiet nach Überlebenden oder Wrackteilen ab. Die Suche blieb völlig ergebnislos.

Captain Ronnie Newell war der Skipper des Küstenwache-Kutters 101. Er sagt, sein Team sei innerhalb von zehn Minuten mobilisiert gewesen, als die Rettungszentrale in Halifax einen Flugzeugabsturz meldete.

"Wir suchten die ganze Nacht den Ozean ab, aber wir fanden nichts", erzählt er den Besuchern des UFO-Festivals. "Danach hatten wir zwei Tage lang Taucher im Einsatz, und soweit wir wissen, blieb auch das ergebnislos. Ich sage nicht, dass das ein UFO war, sondern nur, dass wir nichts gefunden haben. Bis auf den Schaum auf dem Wasser, den haben wir gesehen."

Die Gedenkstätte zur Absturzstelle

Am 9. Oktober, fünf Tage nachdem das mysteriöse Objekt vor der Küste im Wasser versank, war die ergebnislose UFO-Suche vorbei. Natürlich gibt es Menschen, die behaupten, man habe sehr wohl etwas gefunden und dann vor der Öffentlichkeit versteckt. Das ist gar nicht mal komplett abwegig: Nur 30 Fahrminuten von der Absturzstelle stand eine geheime US-Militärbasis, die Frequenzen unter der Erde und unter Wasser auf russische U-Boot-Aktivität abhörte.

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Zu der Zeugenrunde beim 50. UFO-Jubiläum gehört auch Bill Boudreau. Er arbeitete 25 Jahre lang auf der geheimen Militärbasis, die als ozeanographisches Institut getarnt war. "Sie registrierten den Absturz hier im Hafen fast sofort", behauptet er, als die Zeugen ihre Geschichten teilen.

Dass es so viele Theorien zu Shag Harbour gibt, ist nicht weiter verwunderlich. Es gibt zu viele übereinstimmende Zeugenberichte, um das UFO so einfach als Hirngespinst abzutun.

Mysteriöse Anomalien unter Wasser?

Der Taucher David Cvet, ein weiterer Zeuge beim Festival, erforscht seit Jahren den Meeresboden im Hafen von Shag Harbour. Er behauptet, er habe unter Wasser Anomalien festgestellt: In dem Bereich, wo der Absturz gewesen sein soll, gebe es Bodensenken.

"Bei meinen Tauchexpeditionen will ich herausfinden, was das für Anomalien sind. Das Ergebnis mag am Ende für oder gegen den Vorfall von Shag Harbour sprechen, aber darum geht es nicht", sagt Cvet den Anwesenden. "Tatsache ist, diese Anomalien sind wirklich vorhanden."

Tatsächlich wurde das UFO bereits vor den Augen der Zeugen zu einem "USO" – Unidentified Submerged Object, also ein unbekanntes Objekt unter Wasser. Nicht nur Laurie Wickens und seine Freunde sahen das Licht unter Wasser weiterleuchten, sondern auch Beamte der Royal Canadian Mounted Police.

Das Shag Harbour UFO Centre

Cvet beschreibt eine Bodensenke, die etwa die Form eines Esstellers hat, die Mitte circa 30 Zentimeter tief. "Sie war perfekt rund", sagt er. "Ein perfekter Kreis. Und diese Senke ist mit kleinen Kieseln bedeckt, die alle zwei bis vier Zentimeter groß sind. Wo sind also die großen Steine? Wo sind die Pflanzen? Wo sind die Muscheln, die Hummer, der Schlamm? Da war einfach nichts. Es war komplett sauber, als hätte jemand am Vortag erst alles entfernt."

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"Dieser Gemeinde hat der Vorfall das Rätsel aufgegeben: Was ist ein UFO? Und das versuchen sie seit 50 Jahren zu lösen."

Noah Morritt ist einer der Event-Direktoren des Shag Harbour UFO Festival. Er ist außerdem Doktorand der Folklore an der Memorial University of Newfoundland und promoviert zu dem Vorfall von Shag Harbour. "Dieser Gemeinde hat der Vorfall das Rätsel aufgegeben: Was ist ein UFO? Und das versuchen sie seit 50 Jahren zu lösen", sagt Morritt. Er selbst hat den Ort und den Vorfall über zahllose Stunden erforscht und sich in die Kultur des Dorfs integriert. Trotzdem hat auch Morritt keine Erklärung.

"Es gibt viele Erklärungsversuche, von Leuchtraketen über Satelliten oder Flugzeuge der Regierung bis hin zu außerirdischen Flugobjekten. Ich habe selbst absolut keine Ahnung", sagt er. Die kanadische Regierung hat Erklärungen wie "Leuchtraketen" offiziell ausgeschlossen, und auch einen Flugzeugabsturz hat es laut den Behörden nicht gegeben.

Nicht nur in Shag Harbour gibt es Zeugen

Bevor ich wieder abreise, will ich mir noch die Gedenkstätte beim Absturzort ansehen. Sie ist nur ein kleines Stück die Straße hoch. Dort begegne ich Norman Brown, der die 600 Kilometer aus Miramichi, New Brunswick, hergefahren ist. Es ist sein erster Besuch in Shag Harbour, und als ich frage, was ihn hierher verschlägt, erzählt er mir seine eigene Geschichte von einer unerklärlichen Erscheinung. Als er 18 Jahre alt war, sah er an der Küste von New Brunswick seltsame Lichter am Himmel – es war die erste Oktoberwoche 1967, und er war damals nur 200 Kilometer von Shag Harbour entfernt, einmal quer über die Bay of Fundy.

"Es könnte der 4. Oktober gewesen sein, aber vielleicht war es auch ein oder zwei Nächte vorher. Das UFO, von dem sie hier erzählen, klingt haargenau wie das, was ich damals gesehen habe", sagt Brown mir. "Ich bin fest überzeugt, dass es entweder dasselbe Fluggerät war, oder wenn es mehr als eins gab, dann war es eins davon."

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Brown fährt fort: "Ich habe keine Ahnung, wo es herkam und wer es steuerte, aber ich kann sagen, dass es kein Fluggerät war, wie es die Marine oder Luftwaffe Kanadas oder der USA damals hätten haben können. Es war geräuschlos, pechschwarz und leuchtete ein bisschen. Nichts kann so stetig schweben wie das. Es stand still und man konnte es ganz deutlich sehen. Es schwebte über den Baumwipfeln, nur vielleicht hundert Meter hoch, ein bisschen schräg, und flog plötzlich mit unglaublicher Geschwindigkeit davon. Die Lichter wurden immer kleiner und verschwanden schließlich."

"Ab da wusste ich, dass die Geschichten dieser Leute stimmen müssen. Ich habe es ja selbst gesehen, und ich wusste, dass es nicht von dieser Welt war."

Brown sagt, er habe vor dieser Begegnung nicht an außerirdische Phänomene geglaubt und habe auch seither nichts Vergleichbares gesehen. Auch aus anderen Orten entlang der Küste von Nova Scotia kamen in jener Nacht Berichte über unerklärliche Phänomene am Himmel.

"Als ich damals in den 60ern Geschichten von Leuten hörte, die so etwas sagten, dachte ich: 'Niemals, ihr seid verrückt und denkt euch das alles aus.'" Das Flugobjekt über den Bäumen veränderte seine Haltung für immer. "Ab da wusste ich, dass die Geschichten dieser Leute stimmen müssen. Ich habe es ja selbst gesehen, und ich wusste, dass es nicht von dieser Welt war."

Die Zeugenrunde

Was am 4. Oktober 1967 geschah, hat völlig von Shag Harbour und den Menschen hier Besitz ergriffen. Der UFO-Vorfall ist Teil ihrer Identität geworden. Ob das Objekt nun irdisch war oder nicht – das Dorf, die Forscher, die Behörden und das restliche Kanada sind alle daran gescheitert, eine Erklärung zu finden. Zumindest lautet so das offizielle Fazit.

Die vielen Zeugen können nicht vergessen. Ihnen bleiben nur ihre Geschichten, ihre unerschütterliche Überzeugung, dass sie genau wissen, was sie gesehen haben … und vielleicht ein wenig Hoffnung, dass das Phänomen sich eines Tages wiederholen wird.

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