Falls du keine Ahnung von japanischen Vocal Synthesizern hast: Hatsune Miku ist 16 Jahre altes Mädchen mit langen Zöpfen, die für die Vermarktung eines Vocaloid-Programm erfunden wurde, das im Prinzip eine Software ist, die für dich singt, wenn du den Text und die Melodie nicht auf die Reihe kriegst. Ziemlich nette Sache. Einem Produkt ein fiktives Gesicht zu geben, ist nichts Neues, sondern passiert ständig—das Michelin-Männchen, zum Beispiel—aber es passiert nicht oft, dass eine erfundene Figur ein erfolgreicher Popstar wird, ein Live-Action Hologramm, das “Live”-Konzerte gibt, ins All geschossen wird und dessen Outfits auf Cosplay-Events überall auf der Welt imitiert werden. Es steht fest, dass Miku eins der verrücktesten kulturellen Exportgüter Japans ist.
Das ganze Mitläufergetue verärgert natürlich die richtig harten Miku-Fans, also habe ich mit ein paar von ihnen gesprochen, um herauszufinden, was der ganze Hype überhaupt soll.
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RINGO HITOMI KANZAKI, CHILE

VICE: Wann hast du das erste Mal von Hatsune Miku gehört?
Ringo Hitomi Kanzaki: Ich bin Fan einer japanischen Rockband mit dem Namen An Cafe, deren Sänger Miku heißt und als ich ihn googelte, war der erste Treffer Hatsune Miku. Danach hab ich angefangen, die Musik zu hören und mir mehr Infos zu der Welt des Vocaloid gesucht.
Warst du schon vorher in dem Cosplay-Ding drin?
Nein, nicht wirklich. Ich wollte immer ein Cosplayer sein, weil die Anime-Messen und Events so spaßig aussehen, aber ich hatte nie wirklich die Möglichkeit, selbst Kostüme zu machen. Beim FanViña-Event 2010 entschied ich mich dann, in diese Welt einzutauchen. Mein Freund und ich wühlten uns durch haufenweise potentielle Kostüme und irgendwann entschied ich mich für ein Kostüm im Gothic-Style aus dem Spiel Hatsune Miku: Project DIVA.
Als sie verkleidest du dich also am liebsten?
Ja, definitiv. Ich liebe die Figur, die Farben, die Musik, das Design der Kostüme – einfach alles.
Was ist so reizvoll an ihr?
Ihre Niedlichkeit und die Farbkombinationen, ihre Haare und einfach alles an ihr! Aber ich denke, das beste ist ihre Stimme. Wenn ich sie höre, stell ich mir eine echte Sängerin vor – Ich kann einfach nicht glauben, dass sie künstlich ist.
Gibt es da auch eine sexuelle Komponente?
Nein, sie ist so niedlich und unschuldig! Ich schätze, es gibt enige Otakus, die bei Figuren wie Hatsune Miku sexuelle Dinge empfinden, aber das ist einfach falsch, weil es nie die Idee hinter dem Character war.
Meine Güte, diese drecken Otaku-Perversen. Deine Facebook-Fotos verraten, dass du anscheinend ziemlich viel Zeit damit verbringst, dich wie Hatsune zu kleiden.
Ja, bis jetzt war ich dreimal als Hatsune Miku unterwegs. Zweimal auf Messen und das letzte mal bei einer Cosplay-Parade, wo ich mit meinem Kostüm auf dem ersten Platz gelandet bin. Im Moment bereite ich mich mit einem Team aus Vocaloid-Fans auf das nächste Hatsune Miku-Cosplay vor. Ansonsten trage ich die Outfits und die Perücken normalerweise zu Hause und mache Fotos von mir. Das macht Spaß, ich mach das richtig gerne.
LAWLI ET – SINGAPUR
VICE: Hey Lawli. Als welche Hatsune Miku-Variante verkleidest du dich am liebsten?
Lawli Et: Definitiv die ∞ Module-Variation, ich liebe die Haarfarbe. Sie ist anders als die übliche Miku-Farbe, die du überall siehst. Hinzu kommen die vielen atemberaubenden Rüschen und Schnüre, die könnte ich im wahrsten Sinne des Wortes aufsaugen. Ich denke, das Beste daran ist, dass ich noch niemanden darin gesehen habe, es ist schön die Erste zu sein.
Magst du ihre Musik?
Nein, ich bin nicht wirklich ein Fan von Mikus Musik. Es sind eher die kunstvollen Outfits und Grafiken in den Songs, die mich ansprechen.
Machst du deine Outfits selbst?
Hm, das hängt davon ab, wie komplex das Outfit ist, wieviel Zeit ich habe, ob mein Konto es zulässt und natürlich von meinen Nähkünsten. Ich habe niemanden, der es mir beibringt, das meiste über Nähen habe ich bei Google gelernt.
Wie oft verkleidest du dich als Hatsune Miku? Verkleidest du dich auch zu Hause?
Eigentlich nicht so oft. Es geht eher darum, dass mich so viele Miku-Outfits ansprechen, denn wenn die Outfits mich nicht reizen würden, würde ich das Cosplay-Ding auch nicht machen. Was ziemlich nervt, ist, dass du auf Messen und Events schnell fünf Mikus umherlaufen siehst. Ganz egal welchen Cosplay-Character ich zu einem Zeitpunkt spiele, ich verkleide mich immer für Events, Messen und Photoshootings. Ich liebe Cosplay, aber es geht nicht so weit, dass ich die Outfits jeden Tag trage.
Cool. Was hat es mit Mikus Lauch auf sich?
Keine Ahnung, frag die Person, die Hatsune Miku entworfen hat.
Wirklich quälen tut mich die Frage nicht, ich nehm es einfach hin, wie es ist.
ESTHER – BARCELONA
VICE: Ist Hatsune Miku dein Lieblingscharacter bei Cosplay?
Esther: Ja, definitiv. Ich denke, dass es ein super Cosplay-Dress ist, wobei das Gewicht der Pferdeschwänze heftig ist. Manchmal ist es ein bisschen unbequem, aber ansonsten ist es großartig.
Was ist das Beste an ihr?
Nun, sie ist eine fröhliche Figur, mit leuchtenden Farben, was ich ziemlich hübsch finde. Ich bin zudem ein großer Fan von japanischer Musik und japanischem Tanzen, deshalb mag ich sie auch.
Verkleidest du dich jeden Tag Cosplay oder nur bei Events und Messen?
Normalerweise nur bei Messen. Ich mag es, Cosplay mit anderen zusammen zu spielen, weil ich es liebe, wenn die Leute den Aufwand schätzen, der in den Outfits steckt.
Machst du deine Miku-Kostüme selbst?
Ja, mache ich. Es geht nichts über ein gutes, selbst entworfenes Outfit.
Wie wahr. Als welche Miku-Variante verkleidest du dich am liebsten?
Das offizielle Miku-Outfit ist ein Favorit, den habe ich bis jetzt gespielt, aber meine absolute Lieblings-Variante ist das Heart-Hunter-Outfit. Ich bin gerade dabei, es zu entwerfen, vielleicht trage ich es bei der nächsten Messe.
Letzte Frage, was fasziniert dich allgemein an Cosplay?
Persönlich mag ich es, weil ich es toll finde, Wege zu suchen, die Kleider und die Waffen zu machen. Angefangen bei null suche ich Material und Stoffe und andere Sachen. So ist es richtig befriedigend, die Outfits zu tragen. Es ist was besonderes, denn du kannst für einen Tag als deine Lieblingsfigur wiedergeboren werden und keiner ist überrascht oder schockiert. Du kannst anziehen, was du willst, die Haare so tragen, wie du magst, dich verhalten, wie es dein Character tut… Ich finde das fantastisch. Natürlich ist es noch besser, wenn du die Sache mit anderen teilen kannst. Außerdem mag ich es, Szenen aus einem Spiel nachzustellen oder zu erfinden und das Ganze zu fotografieren. Ich denke, es ist cool, schöne Fotos und Erinnerungen an ein Event zu haben.
YONOR – SINGAPORE
VICE: Wann hast du mit Cosplay angefangen?
Yonor: Ich hab mit Cosplay zu Beginn des letzten Jahres angefangen. Ich war schon seit ich klein war, daran interessiert, weil ich ein totaler Anime-Freak bin und mich schon immer so kleiden wollte. Das Ding ist, ich war damals ziemlich fett. Obwohl die Leute sagen, dass es bei Cosplay einfach um den Spaß geht und das Aussehen nicht so wichtig ist, kam ich nicht darüber hinweg und machte eine Diät. In ein paar Monaten verlor ich genug Gewicht und entschied mich schließlich, Cosplay auszuprobieren, mit der Figur Chii from Chobits
Das ist cool. Die Leute sollten Cosplay häufiger als Anreiz zum abnehmen sehen.
Genau! Wenn ich hierüber rede, muss ich wirklich meinem Fotografen Xeno danken. Ich traf ihn bei meinem ersten Cosplay und von dem Tag an haben wir zusammengearbeitet. Ich bezweifel, dass ich ohne ihn um so viel besser geworden wäre, ich war ein totaler “noob”. Er hat echt Erfahrung, in beidem, Cosplay und Fotografie. Vor zehn Jahren hat er den “Bester männlicher Cosplayer”-Award in Singapur gewonnen, hat mit Cosplay aufgehört und ist Fotograf geworden.
Beeindruckend, ich wusste nicht, dass Cosplayer Mentoren haben. Was reizt dich am Cosplay? Ist es die Flucht oder nur der Spaß daran?
Ich mache es aus Liebe für die Sache. Natürlich ist es Spaß, aber das Wichtigste ist, den Character, den du spielst, zu lieben. Nur dann kannst du dein Bestes geben und deine Figur am besten wiedergeben.
Was reizt dich daran, beim Cosplay Miku zu spielen? Magst du ihre Musik?
Ehrlich gesagt war ich am Anfang garnicht in der Vocaloid-Sache drin, aber letztes Jahr bin ich auf den Miku-Song “Romeo and Cinderella” gestoßen und war total fasziniert von dem Song. Ich hab mehr und mehr Songs von ihr gehört und jetzt verbringe ich jeden Tag drei Stunden damit, neue Songs zu suchen. Ich kann behaupten, ein richtiger Vocaloid-Freak geworden zu sein, weil ich mittlerweile mehr die Musik höre, als Animefilme zu gucken.
Nervt es dich, dass sich so viele andere Leute als Miku verkleiden?
Nein, wenn sie ihren Job gut machen und alles gegeben haben, ist es in Ordnung. Aber heutzutage tauchen viele Möchtegern-Cosplayer auf und manche kann ich kaum aushalten. Wie letztens, als ich diesen Miku-Cosplay sah, bei dem die “Cosplayerin” ihr echtes Haar benutzt hat, das war braun und nur Schulterlang. Ich bin fast in Ohnmacht gefallen.
PHOTOS: JUAN SEGOVIA, BY LIM, ESTHER, XENO
TEXT: JAMIE CLIFTON
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