Jetzt mal ehrlich Leute: Live-HipHop stinkt

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Bevor jetzt eine Welle von Bloggern anfängt, auf uns rumzuhacken und ihre Wut-Tränen mit ihrer iPad-Hülle wegwischen müssen, lasst uns zwei Dinge vorab klarstellen: Erstens, wir sprechen hier nicht von deutschem HipHop. Was Casper, Dendemann, Samy Deluxe und Co. auf deutschen Bühne anstellen, liegt uns fern zu kritisieren und soll hier nicht berücksichtigt werden. Die Rede ist von amerikanischem Rap. Und zweitens: HipHop ist momentan an einem Punkt, an dem er schon lange nicht mehr war. Genau genommen nicht mehr, seit deine Eltern Angst hatten, dass Slim Shady bei Burger King arbeitet und auf die Onion Rings spuckt—also in Bestform. So wie Eminem Zwölfjährige in Aufruhr gebracht hat, führen heutzutage Kollektive wie Odd Future, Pro Era, A$AP oder TDE eine Bewegung an, die nicht nur Jugendliche, sondern auch Old School-Fans anzieht. Noch dazu gibt es Riff Raff, Action Bronson und Danny Brown, die Persönlichkeit zusammen mit überkandideltem Individualismus zurück in den Rap bringen, während alte Hasen wie Kanye West Platten produzieren, die nicht nur absolut einzigartig klingen, sondern auch das halbe Internet dazu bringen, darüber zu diskutieren, was das alles zu bedeuten hat. Und dann gibt es noch Young Lean.

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Also warum, wenn es doch ein so facettenreiches und qualitativ hochwertiges Angebot an HipHop gibt, das sogar das Cheesecake Factory-Menü in den Schatten stellt, sind Live-Performances von Rappern immer noch so scheiße?

Vor ein paar Wochen haben wir Kendrick Lamar auf dem Splash gesehen. Nachdem schon seine vorige Clubtour eher hinzunehmen war, als dass sie gefallen oder gar beeindrucken konnte, stellte er sich dieses Mal mit Band auf die Bühne. Doch leider harmonisierte Kendrick nur wenig mit seiner Band. Er hat weder die Energie noch die Stimme, um gegen so viele und laute Instrumente live anzukommen. Aber zumindest macht Kendrick inzwischen Anstalten, diesem Live-Rap-Fluch zu entfliehen, in dem seine Kollegen tief, tief drinstecken—auch wenn das noch nicht ganz klappt.

In den letzten Monaten haben wir zum Beispiel einige aus der „1Train’s“ -Truppe live gesehen. Der Großteil von ihnen denkt, es würde ausreichen, einfach nur aufzutauchen und der Menge zu sagen, sie sollen ihre Arme hochheben. Damit lenken sie vor allem davon ab, dass keiner von ihnen seinen Job richtig macht. Es wäre nicht fair, das im Vergleich zu anderen Genres zu generalisieren. Schließlich haben Kanye West und Jay-Z auf ihrer Watch the Throne-Tour nicht nur stinkreiche Eltern zufriedenstellen können, sondern auch bewiesen, dass Rap nicht nur die ersten Reihen umhauen sollte, sondern auch dem Rest der Anwesenden den Schädeln einhauen sollte. Die beiden haben einen enorm hohen (aber gerechtfertigten) Preis für die Tickets verlangt und es mit Recht die beste Tour aller Zeiten genannt.

Der Erfolg der WTT-Tour ist zu großen Teilen der Arbeit von Virgil Abloh anzurechnen, dem Creative Director der Tour. In einer VOYR-Dokumentation erklärte Virgil: „Die Bühnenshow ist nicht aufgeblasen oder kitschig. Es ist eher ein cleaner amerikanischer Detroit-inspirierter Look, der cool ist. Festivals wie Coachella sind sehr künstlerisch, aber das hier ist wie Rock’n’Roll. Ich sage immer ‘Scheiß auf Kunst, wir nehmen Grafik.’ Ich mag Kunst und dieses ganze Jazz-Zeug, aber ich liebe Grafik.“ Dennoch ist der Erfolg der Tour nicht nur den Visuals zu verdanken, sondern auch der Power-Kombo aus Ye and Jay, die nicht nur eine Karriere-umfassende Setlist auf die Beine gestellt haben, sondern auch sicherstellten, dass jeder Takt aufeinander abgestimmt war, und so die sowieso schon elektrifizierten Originale gepusht wurden. Und es funktionierte, denn anscheinend verdienten sie in der Zeit 1,4 Millionen Dollar pro Nacht.

Es muss allerdings angemerkt werden, dass sich nicht jeder Rapper ein komplettes Team leisten kann, das ihre Tour durchplant. Die Wahrheit ist, dass sich wahrscheinlich die Hälfte von ihnen gerade mal eine Zwei-Zimmer-Wohnung in der Stadt leisten kann, wenn sie ihren Gras-Konsum ein wenig unter Kontrolle haben. Doch wenn Taten lauter als Worte sprechen, dann ist der Inhalt doch deutlicher als alles andere. Und zu sagen, dass ein hoher finanzieller Aufwand für die Tour der einzige Garant für eine gute Show ist, kann in etwa mit der Aussage gleichgestellt werden, dass Fluch der Karibik 3 der beste Film überhaupt ist, nur weil er 300 Millionen Dollar gekostet hat.

Vor ein paar Monaten hat Mac Miller in einer kleinen Location in Brixton gespielt. Der durchschnittliche HipHop-Fanatiker wird jetzt wahrscheinlich seine Augenbrauen hochziehen, sofort aufhören zu lesen und seine Aufmerksamkeit wieder seiner Talib-Kweli-Kollektion zuwenden. Aber das sollte er nicht, denn dieser Auftritt ist der organischste, souligste und—mangels eines besseren Wortes—ikonischste, den wir seit langem gesehen haben.

Anders als die meisten Rapper, die ihre Unfähigkeit, mit ihrem eigenen Tempo mitzuhalten, damit kompensieren, die Menge mit „Hebt die Arme in die Luft!“ oder „Jetzt macht diese Seite Lärm! Und jetzt diese!“ anzuheizen, hat Mac seinen Sound aufgewertet, indem er nicht nur mit den Odd Future-Kohorten auf die Bühne kam, sondern auch mit einer konstanten Quelle des guten Geschmacks, The Internet. Das hat die Songs in ganz neue Versionen verwandelt, die weit weg von ihren MP3-Gegenstücken stehen, und so eine musikalische Erfahrung für das Publikum geschaffen haben, anstatt eine billige Wiederholung abzuliefern. Und genau so sollte Livemusik sein—und nicht irgendein Typ, der über seine eigenen Aufnahmen plärrt.

Ach, und wenn ihr auf Minute 36:30 vorspult, seht ihr wie Mac all das hinkriegt, was Lil Wayne mit Rebirth nicht geschafft hat.

Wir wollen nicht sagen, dass jede HipHop-Performance eine Liveband braucht. Jemand wie Tyler, the Creator, der über seine Beats rappt, kann sich sicher sein, dass alle auf der Show anfangen durchzudrehen, sobald „Yonkers“ angespielt wird. Und trotzdem drückt er nicht nur auf Play und plappert sich gelangweilt durch die Geschichten voller Paradoxe und Dreier mit einem verdammten Triceratops. Stattdessen geht er ab wie die Sau, verbringt mehr Zeit im Publikum als vor ihm, und stellt stets sicher, dass, falls du nicht gerade die beste Zeit deines Lebens verbringst, du wenigstens mit einem Schlag in den Rippen nach Hause gehst.

Es gibt also Beispiele von beiden Seiten des HipHop-Spektrums, wie Rap im Live-Bereich erfolgreich sein kann. Es kann kunstvoll sein. Es kann nachdenklich sein. Und es kann spektakulär sein, so dass es sogar mehr Geld verdient, als die meisten äquivalenten Gitarrenspieler.

Aber solange der Großteil der englischsprachigen Rapwelt unter einer Live-Performance versteht, ihr aktuelles Mixtape auf der höchstmöglichen Lautstärkestufe durch schlechte Boxen laufen zu lassen, dann werden sie auch weiterhin am unteren Ende der Konzert-Hitlisten vergammeln.

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