So widerlich essen Studenten

Wahrscheinlich habt ihr ihn noch, den Sandwichtoaster. Irgendwo im Schrank setzt er Staub an. Das Sandwich ist ein typisches Studentenessen, oft gefüllt mit Scheiblettenkäse und billiger Salami. Und wer sich was gönnen wollte, hat einen lustigen Sandwichtoaster gekauft. Einen, der das Gesicht von Spongebob auf das Toastbrot brennt, Vereinswappen oder irgendwie sowas. Überraschend oft steht so ein Ding in Studentenbuden am Bett. Eine Unsitte. Die Kombination aus schlechtem Geschmack, Unvermögen und wenig Kohle bringt viele weitere Absurditäten der Studentenküche hervor. Verschärft wird die Misere durch das Monatsende, wenn nur noch das Hartgeld übrig ist.

Daran erinnert sich auch Thomas: “Die letzten vier Tage des Monats aß ich zahllose 12-Cent-Brötchen mit 99-Cent-Marmelade und 69-Cent-Butter. Zur Abwechslung gab es 49-Cent-Spaghetti mit 79-Cent-Ketchup.” Ein bisschen Kreativität half ihm, das Monatsende so zu gestalten, dass es nicht allzu bitter wurde: “Irgendwann habe ich dann sehr kostensparende Kartoffelpuffer entdeckt, 99 Cent die Packung. Konnte man mit Zucker oder 89-Cent-Apfelmus essen. Oder herzhaft mit Mozzarella, Tomaten, Tiefkühlspinat und Balsamico. Es war ja nicht alles schlecht bei uns im …”

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Studium, wollte er sagen.

918 Euro hat ein Durchschnittsstudent im Monat, das ist nicht wenig, das ist mehr als doppelt so viel wie ein Hartz IV-Regelsatz (409 Euro, allerdings plus Miete und Krankenversicherung). Den Studenten geht es finanziell zwar immer besser, aber auch die Mieten steigen. In Berlin ist die Miete für Studentenwohnungen in den letzten Jahren um 70 Prozent gestiegen, von sechs Euro pro Quadratmeter auf elf Euro. Das führt dazu, dass viele Studenten mit ihrem Geld so umgehen müssen, wie Thomas oben. Der ging zum Ausgleich nach den letzten harten Tagen des Monats immer direkt am ersten in eine Cocktailbar, in der er dann 20 Euro ausgab – die ihm natürlich wieder an den letzten Tagen des Monats fehlten.


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Aber wenn es nur das Geld wäre: Vielen Studenten ist ihr Essen schlicht egal, erst recht im Rausch. Bene hat betrunken jahrelang den “Fleischsnack” Toastys gegessen, die er in süßen Senf getunkt hat. “Don’t call it Schnitzel?” Machen wir sicher nicht. In der WG von Andreas wurde beim Kiffen immer ein portabler Kocher mit zwei Pfannen rausgekramt. Die waren nicht größer als zwei Untertassen und machten dann im Wohnzimmer die Runde. Je leerer der Kühlschrank wurde, desto kreativer wurden die Leute auch. In den Pfannen landeten Eier, Käse, Wurst, Ketchup, Brot, alle Reste, die sie finden konnten, am Ende Milchreis oder Erdnussbutter. Abgewaschen haben sie die Pfannen zwischendurch eher selten. Neben Alk, anderen Substanzen und Geldmangel, gibt es zwei weitere wichtige Gründe für schlechtes Essen: Ignoranz und krachendes Unvermögen.

So wie bei Alexa: “Ich habe getoastete Semmeln, also Weizenmehlbrötchen, die schon ganz hart waren, mit Ketchup und rohen Zwiebeln gegessen.” Zumindest ist sie schuldbewusst: “Frag mich nicht warum. Wenn ich jetzt dran denke, ohje. Aber damals war das wirklich geil.”

Neben dem Sandwichtoaster bleibt ein weiteres Phänomen ein ewiges Rätsel: Nudeln mit Ketchup. Der Erfinder sollte sich schämen. Rebecca hat das in ihrem Studium gegessen, wenn die Prüfungsphasen anstanden – verfeinert mit Tofu-Würstchen, die ja selbst ein Image-Problem haben (im Suff waren es dann gerne auch Schinkenknacker mit Ketchup, obwohl sie eigentlich Vegetarierin ist). Ketchup ist ohnehin geschmackprägend für ganze Studentengenerationen gewesen.

Sara liebte ihn: “Instant Kartoffelbrei mit Ketchup und Röstzwiebeln. Alle meine Freunde fanden es mega eklig, ehrlich gesagt verstehe ich bis heute nicht richtig warum. Manchmal esse ich das immer noch. Nur ohne Ketchup.”

In einer Phase seines Studiums war die Sauce auf dem Essen von Hanko immer Gewürzketchup, gerne mit Reis oder Kartoffelbrei, dazu immer: Sauerkraut. “Das war zu der Zeit meine Standard-Mahlzeit weil diese Beilagen immer vorhanden waren. Es ging soweit, dass meine Kommilitonen auch damit anfingen.” Schlechtes Essen ist ansteckend.

Auch Sebastian nutzte Ketchup, um sein Billig-Essen zu verfeinern. Sein Feinschmecker-Tipp: “Einen Beutel Reis kochen, mit einer Dose Mais und einer Dose Thunfisch mischen und dann mit Ketchup essen”.

Sein ehemaliger Mitbewohner hat noch Schlimmeres verbrochen: “Er hat Spaghetti klein gebrochen und sie dann wie Reis gekocht, also bis das Wasser weg war – krasse Pampe.”

Aber machen Studenten sind auch einfach Masochisten, anders ist ihr Essverhalten nicht zu erklären. So wie Kristof, der jede Woche Schnitzel mit Pommes (“SchniPo”) in der Mensa essen wollte und das dann nicht vertrug, weil es zu schwer im Magen lag. “Also ging ich dann erstmal ins Bett, der Tag war gelaufen. Allerdings hatte ich damit auch eine gute Grundlage für den Abend, saufen und so – damit war der nächste Tag dann auch gelaufen.” Gut gemacht.

Auch Schmerz mögen machen Studenten, also Schmerz in Form von Schärfe. Anika, die noch mehr absurde Vorlieben zu berichten weiß, hatte mal eine Freundin, die immer nur Wraps aß – bestrichen mit Sriracha (Hot Sauce), kurz in der Mikrowelle aufgewärmt. Und das jeden Abend. Die Mikrowelle ist ohnehin so ein sonderbares Ding, ähnlich dem Sandwichmaker, nur noch verbreiteter. Und sie bleibt auch länger im Leben der Menschen, vielen dient sie auch nach der Ausbildung treu. Und Hungrige kommen auf die besten Ideen, wenn Faulheit, Intelligenz und elektromagnetische Wellen zusammenkommen.

Ein Beispiel dafür erzählt Anika: “Der Lieblingssnack meiner Freunde war immer salziges Popcorn, sie haben es in der Mikrowelle warm gemacht und Smarties drauf gekippt. Die Smarties sind dann geschmolzen und wurden zu einer bunten, ekelhaften Soße.”

Die Balance aus Kosten, Aufwand, Ekelgrenze und Gesundheit zu finden, ist nicht leicht. Eine anonyme Teilnehmerin unserer kleinen Umfrage löste das Problem folgendermaßen: Sie hat regelmäßig Reiswaffeln mit Mortadella drauf gegessen. Zusätzlicher Pluspunkt: “Das passt auch von der Form so schön.” Es kann so einfach sein.