Twitter ist ja bekanntlich ein Nischenphänomen, das hauptsächlich daraus besteht, dass sich Journalisten und Marketer gegenseitig vormachen, sie hätten ein Publikum, das nicht nur sie selbst sind. In Österreich hat die Plattform 117.000 Nutzer, von denen 45.000 selbst regelmäßig Tweets verfassen. Im Vergleich dazu haben die Naturfreunde Österreich 150.486 Mitglieder (Stand 2012) und ich würde sogar weiter gehen und sagen: Die Naturfreunde Österreich haben wahrscheinlich die zivisierteren, sinnvolleren Gespräche.
Was die Naturfreunde Österreich hingegen weniger haben, sind sozialmediale Multiplikatoren und Trendsetter—oder zumindest keine, von denen man auf Twitter etwas mitbekommen hätte, weshalb es sie vermutlich gar nicht gibt (sagt zumindest die Logik des Netzes). Diese menschlichen Megaphone sorgen dafür, dass manchmal Dinge an die Oberfläche des Internets gespült werden, die bei den Naturfreunden eher im Sumpf des gutgemeinten, altösterreichischen Wegschauens untergehen würden.
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So wie zuletzt diese asymmetrische Männer-Badehose, die viele so sprachlos machte, dass ihnen nicht mal 140 Zeichen dazu einfallen wollten. Den ersten Ö-Retweet machte Benedikt Narodoslawsky vom Falter, bevor Twitters eigener Don Corleone, Armin Wolf, seine Gefolgschaft mit einem Versprechen zum Schnurren brachte.
Zum Glück ist Twitter aber per Design so flüchtig und das beretweetete Publikum so auf Durchzug geeicht, dass solche Bilder normalerweise gar nicht die Zeit haben, sich wirklich ins Gedächtnis zu brennen. Blöd allerdings, wenn sie es mal trotzdem tun—und man nach zwei nasskalten Nächten voller abgebogener, weggebundener Shlongs bemerkt, dass die ursprüngliche Quelle der Alpträume, also das Foto eines Twitter-Users namens „Brödchen”, plötzlich gelöscht wurde und einem 404er Platz gemacht hat.
Weil Shlongs und Alpträume aber unsere Investigativ-Reserven aktivieren wie wenig anderes, haben wir nicht locker gelassen und herausgefunden, dass 1. der Typ auf dem inzwischen verschwundenen Bild Bobby Norris heißt, 2. Bobby Norris in der britische Scripted Reality-Show The Only Way Is Essex (eine Sendung mit einem IMDb-Rating von 3,2) mitspielt, 3. sogar Galileo bereits 2007 einen investigativen Popsch-Bericht über den „C-String” hatte, wenn auch nur über das Frauenmodell, und 4. Quellenkritik auf Twitter zirka so schwierig ist wie einen Retweet von Armin Wolf zu bekommen, wenn man eigentlich nur ungekochte Pasta postet.
Seither habe ich nämlich auch die Mono-Quelle des ganzen Retweet-Reigens, den Twitter-User Brödchen (Selbstbeschreibung: „Hardcore Music – Straight Edge – Band Booking”) kontaktiert und nachgefragt, woher das Foto kam, wohin es ging und was das alles eigentlich soll:
Der Medienwissenschaftler in mir findet das natürlich interessant, weil es zeigt, dass unsere sozialen Streams wirklich immer mehr an uns vorbei fließen, und es immer schwieriger wird, einzelne Beiträge isoliert oder mit derselben Kritikfähigkeit wahrzunehmen, wie wir das bei den „alten Medien” noch gelernt haben. Mir selbst sind auch schon mehr als ein Mal Gespräche vom Format „Hast du das nicht gepostet? Oder hat es nur irgendwer geliket? Wo hab ich das noch mal gesehen?” im Freundeskreis untergekommen.
Auf meine Frage, ob sich die Quelle denn wirklich gar nicht mehr rekonstruieren lässt, sagt Brödchen:
Brödchen ist gewissermaßen die moderne Twitter-Version des prototypischen Sci-fi-Rednecks, der die Welt vor Aliens gerettet hat, um danach sofort wieder in seinen Trailerpark zu verschwinden—nur dass in unserer Geschichte die außerirdischen Eindringlinge eher abdominale Ausreißer, aber deshalb auch nicht weniger gruselig sind. Brödchen hat ihr Bild jedenfalls aus Österreichs Retweets getilgt und darf jetzt wieder entspannt auf der Veranda vor und zurück schaukeln. Well done, sir! Im zweiten Teil kämpft der Held dann vielleicht gegen den böse VICE-Kraken, der das Foto wieder an die Oberfläche gespült hat.
Ich habe jedenfalls schon absurdere Einträge in Lebensläufen gelesen (nein, Krav Maga-Kurse und „auf MDMA alle Folgen Hundeflüsterer schauen” qualifizieren euch nicht für einen Job bei uns). Irgendwie ist es natürlich auch nicht ganz unkomisch, dass wir Brödchen mit unserem Medienbericht wieder genau die Aufmerksamkeit widmen, der er so verzweifelt aus dem Weg geht—aber keine Angst, sowas versendet sich auf Twitter ganz schnell wieder. Brödchen hat übrigens 303 Follower. Was genau ein asymmetrischer Tanga bringen soll, der noch seltsamere Bräunungsstreifen macht als ein unabgewischter Pavian-Arsch (und diesen im schlimmsten Fall auch noch freilegt), bleibt weiter unklar.
Markus auf Twitter: @wurstzombie