„Irgendwann ist der Kopf dann voll mit Scheiße”–Ein Interview mit Chakuza

Alle Fotos: Noisey.

Anders als unsere martialische Überschrift suggeriert, geht es Chakuza eigentlich ganz gut. Es war ein langer Weg für den Linzer, der jetzt seit 10 Jahren in Berlin lebt. Aber bald nicht mehr.

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Er ist zufrieden mit „Exit”, dem Album, dass heute erscheint. Er ist den Weg weg vom eher aggressiv-emotionalen Zeug der Anfangszeit hin zum indie-beeinflussten, älteren, ja—erwachsenem Zeug. Er wirkt relativ bei sich angekommen, als ich ihn in Wien zum Interview treffe.

Noisey:Siehst du dich eigentlich noch als österreichischer Künstler?

Chakuza: Keine Ahnung. Ich bin ja beides. Ich bin in Österreich geboren, aber meine Heimat ist seit zehn Jahren Deutschland, es findet auch mehr am deutschen Markt statt. Ich stelle mir diese Frage kaum. Also für mich ist alles deutschsprachiger Raum.

Ich habe gelesen, dass du aus Berlin weggezogen bist?

Noch nicht, aber Ende September ist es so weit. Da geht’s wieder ans Land, ein bisschen abschalten. Ich habe natürlich nach wie vor ein Zimmer in Berlin, weil mein Geschäft dort stattfindet. Aber ich bin froh, dass ich dann auch mal wieder raus kann wenn ich will. Nach zehn Jahren habe ich auch alles gesehen, alles erlebt, war auf jeder Party und jetzt mal Ruhe. Ich ziehe nach Bayern. Das ist gut, weil es in der Mitte ist. Da bin ich schnell in Österreich, schnell in Berlin und muss nicht immer 800 km fahren wenn ich nach Hause will.

Hast du die österreichische Musikszene noch irgendwie im Blick?

Ganz, ganz wenig. Ich kenne halt noch so Underground-Rapper von früher aus Linz, wie Kroko Jack und Def Ill, der geht ja gerade ziemlich ab.

Die Leute die da für dich relevant sind sitzen wahrscheinlich eh alle in Berlin?

Naja, Raf ist drüben, mit dem hänge ich jeden Tag ab.

Du hast das Album in Holland aufgenommen. Wie ist es dazu gekommen?

Ich musste ein Album machen und ich war null inspiriert. Ich wusste nicht wie ich das hinbekommen soll.

Was heißt, du musstest ein Album machen?

Man braucht einen Production-Flow. Ich gebe ein Album ab, dann spiele ich die Festival-Saison, und dann muss ja irgendwann wieder etwas kommen, man muss präsent sein. Für Magnolia habe ich eineinhalb Jahre gebraucht. Da dachte ich mir, wenn das wieder so lange dauert, muss ich bald mal anfangen. Ich hatte irgendwie keine Ahnung wie ich es angehen soll. Dann habe ich Max getroffen, der damals mein Tourmanager war. Wir haben uns im Bus die Musik von seiner Band angehört. Dann habe ich mit ihm geredet, ob er nicht Bock hätte was auszuprobieren. Das haben wir dann gemacht, ich hab seine Jungs kennen gelernt. Das ist ein richtiges Künstlerkollektiv—es gab Maler, Grafiker und alles. So haben wir dann in dem Haus gearbeitet, da war völlig in der Einöde. Ich hab den Vibe von den Jungs aufgenommen, dieses Entspannte. Da gabs keinen Stress. Man isst zusammen Frühstück, dann geht man Musik machen, am Abend sieht man sich einen Film an, chillt und schläft auf Matratzen gemeinsam in einem Raum. Das war eine super Zeit. Deswegen ging die Platte dann auch relativ schnell.

Was heißt relativ schnell?

Wir haben Wochen-Sessions gemacht, insgesamt vier. Dann war das im Kasten und musste nur noch gemischt werden.

Wie hat der kreative Prozess mit den Jungs ausgesehen?

Meistens habe ich eine Skizze bekommen oder ich hatte für irgendwas eine Idee. Auf diesen Skizzen war nichts außer einer Klavier- und Gitarrenline drauf und ein paar Drums. Über das habe ich unten im Wohnzimmer geschrieben und die Jungs haben oben die Instrumentals fertig gemacht. Pro Tag habe ich einen Song geschrieben. Dann hab ich es aufgenommen. Zack.

Kannst du deine Gefühlslage dabei beschreiben?

Das war eine Mischung aus abgefuckt und trotzdem fröhlich, weil die Zeit einfach so gut war. Bei mir hat es Klick gemacht, als ich einmal ein bisschen beduselt in der Sonne vor der Garage lag. Ich war so richtig abgefuckt auf alles, weil nichts so lief wie ich es mir vorgestellt hatte. Dann dachte ich mir: Hey, wie bescheuert bist du eigentlich? Du könntest die schönste Zeit haben und machst alles mit deinem Kopf kaputt, weil du zu viel nachdenkst und dir zu viel Druck machst. Dann bin ich zu den Jungs gegangen, hab gesagt „Scheiß auf alles”, wir machen jetzt die Mucke, die wir machen wollen und ziehen das durch. Dann hat es funktioniert.

Warum warst du abgefuckt?

Ach, das sind immer so Sachen. Für mich war nach Magnolia eine schwierige Zeit. Alles war neu und dann musst du Konzerte spielen, die nicht so laufen. Viel äußere Einflüsse—Stress mit dem Finanzamt, privat, Streit mit Freunden. Es kommt alles zusammen und irgendwann ist der Kopf dann voll mit Scheiße. Das konnte ich dann aussschalten. Ich habe mich dann nur auf das kleine Häuschen konzentriert, auf den kleinen Garten und alle was darin passiert.

War das für dich eine neue Art aufzunehmen?

Ja, auf jeden Fall. Früher habe ich ganz klassisch einen Beat gepickt, dann bin ich nach Hause gefahren, hab was geschrieben, bin ins Studio, habs aufgenommen, dann bin ich wieder nach Hause. Der Song war dann für mich erledigt. Das war diesmal nicht so. Ich hab mitgehört, auch mal was dazu gesagt und war vom ersten bis zum letzen Ton dabei. Ich war beim Mischen, beim Mastern dabei und die Live-Sessions haben wir im Nachhinein gemacht. Das war schon cool.

Wie ist es, wenn du die Platte anhörst? Ist das ein anderes Gefühl, als bei den vorherigen Platten?

Auf jeden Fall. Ich will die anderen Platten gar nicht schlecht reden. Magnolia war ein sehr wichtiges Album für mich, wenn nicht das wichtigste. Ich höre aber an meiner Stimme, dass es mir damals nicht gut ging und bin mit meiner eigenen Performance nicht ganz zufrieden. Für mich war dieses Album jetzt eine Herausforderung und am Ende des Tages habe ich es geschafft. Ich musste meine Komfortzone verlassen. Ich hab im Fünftel-Takt, im Dreiviertel-Takt gerappt—das hätte ich früher nie gemacht. Ich höre, dass ich alles fallen gelassen habe und höre es mir immer noch gerne an. Jetzt wird es nochmals spannend, weil wir das alles live spielen werden.

Live auch mit der ganzen Band?

Genau.

Könntest du heute nochmal City Cobra machen?

Ich könnte bestimmt. Können ist nicht das Problem. Ich will es nicht, ich habe keine Lust mehr drauf. Damals war das für mich eine super Platte und die Leute haben es auch gemocht. Ich wollte aber immer dorthin, wo ich jetzt bin.

Was heißt, das war immer das wo du hin wolltest? Hattest du da einen Plan?

Es war schon der Plan. Ich wusste, dass ich das von damals nicht ewig durchziehe. Damals hatte ich die Möglichkeit gar nicht. Ich kannte die Leute nicht, die das so produzieren hätten können und vor allem spielen.

Wie wird sich eure Live-Performance und die Hallen jetzt verändern?

Das wird sich jetzt noch rausstellen. Für mich wurde es live von Jahr zu Jahr immer besser. Ich hoffe, dass wir jetzt nochmal einen Sprung machen.

Versuch bitte mal die letzten drei Jahre zu beschreiben.

Extreme Tiefen und extreme Höhen. Aber das zieht sich bei mir schon seit Mitte Zwanzig. Im Kreativprozess ist es ja gut, wenn es einem nicht gut geht. Dann kann ich schreiben. Wenn es mir gut geht habe ich auch andere Dinge im Kopf.

Hast du eigentlich ein Problem damit gehabt, wenn die Leute dich als Emo-Rapper bezeichnen?

Nein. Ganz ehrlich, wenn das jemand als Beleidigung oder Schimpfwort benutzt, ist er ein Idiot. Na und, dann mache ich eben emotionale Musik. Ich mag das.

Welches Gefühl hast du gegenüber dem Älter werden?

In dem Beruf wird man auch im Kopf nicht so schnell alt. Äußerlich ja, aber du hast keinen normalen Alltag. Du bist auf Tour, nur unter Männern und da ist nicht viel Unterschied zwischen jetzt und Mitte Zwanzig.

Hast du das Gefühl, das sich das auf deine Musik, die Themen auswirkt?

Ich bin halt abgeklärter. Früher habe ich mit vielen Schimpfworten um mich geworfen und das will ich heute nicht mehr. Das mache ich vielleicht zu Hause im stillen Kämmerlein, aber in der Öffentlichkeit möchte ich so nicht dargestellt werden.

Wie passt eigentlich das Projekt mit Raf in die Reihe deiner Alben?

Das war ein Freundschaftsding. Wir machen beide kopflastige Musik bei unseren Solo-Platten. Magnolia und Hoch Zwei waren heftig und wir wollten einfach mal wieder Spaß haben, sind gemeinsam weggefahren und machten auf die alten Zeiten eine Platte. Wir hatten gar nicht vor das rauszubringen. Wir dachten dann aber, dass es schon cool und witzig geworden ist. Dann haben wir es rausgeballert, aber so kommuniziert, dass es ein Projekt ist.

Gibt es etwas, was dich freuen oder ärgern würde, wenn das jemand über Exit sagen würde?

Ich hoffe natürlich, dass die Platte möglichst vielen Leuten gefällt. Mir ist aber auch wichtig: Das Handwerk auf der Platte ist gut, das kann keiner anzweifeln—ob es einem nun gefällt oder nicht. Wer das leugnet, der hat null Plan.

„Exit” ist heute, 5.9. erschienen. Wir verlosen 1x die Spezial Box (mit CD, T-Shirt etc) und 1x die Vinyl-Ausgabe unter allen, die ein Mail mit dem Betreff „” an Noisey@vice.at schicken.

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